Foto: Zorrakino

Katholischer Verein für soziale Dienste macht sich Sorgen. Leben in Isolation nicht mehr menschenwürdig?

Brigachtal - In der Coronakrise ringen manche Menschen mit der Einsamkeit. Josef Vogt vom katholischen Verein für soziale Dienste (SKM) macht sich Sorgen.

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Die Corona-Krise und das damit verbundene Kontaktverbot stellt das Leben der Menschen in vielerlei Hinsicht vor neue und ganz unterschiedliche Herausforderungen. Während die einen beispielsweise mit der Mehrfachbelastung durch Arbeiten im Homeoffice und die gleichzeitige Betreuung der Kinder kämpfen, geht es für andere Menschen um den Kampf gegen die Einsamkeit und die Bewältigung ganz alltäglicher Dinge.

Josef Vogts Stimme klingt besorgt. Er erzählt von Menschen, die von der Coronakrise besonders hart getroffen werden und momentan teils völlig isoliert sind. Die Menschen, von denen er berichtet, leben entweder in Alters- und Pflegeheimen oder sie sind aufgrund von körperlichen oder geistigen Behinderungen auf die Hilfe anderer angewiesen. Josef Vogt hat sich vor einiger Zeit dem SKM, dem katholischen Verein für soziale Dienste, angeschlossen und kümmert sich seither ehrenamtlich um vier Personen im Raum Villingen-Schwenningen, die weder Angehörige noch Freunde haben, die sich um sie kümmern. Regelmäßige Besuche, Gespräche, rechtlicher, aber vor allem auch seelischer Beistand ist das, was Josef Vogt diesen vier Menschen bietet.

"Menschen verstehen die Welt nicht mehr"

Doch all das ist zur Zeit gar nicht oder nur in sehr eingeschränkter Form möglich. Besuchsverbote in Heimen und das generelle Kontaktverbot trifft die Menschen dort besonders hart. "Was mir große Sorgen macht ist, dass diese Menschen außerhalb des Sichtfeldes sind", so Josef Vogt, der die Situation auch für sich persönlich als sehr belastend empfindet. "Die Menschen verstehen die Welt nicht mehr. Sie können das, was momentan passiert nur ansatzweise erfassen", erklärt er weiter.

Da ist zum Beispiel Rainer Müller (Name von der Redaktion geändert), der allein in einer Wohnung in Villingen lebt. Der 60-Jährige ist gehörlos und leidet außerdem an einer starken Sehbehinderung. Normalerweise bekommt er mehrmals pro Woche Unterstützung von seinem Bezugsbetreuer, der gleichzeitig Gebärdendolmetscher ist. Er hilft ihm dabei, nach draußen zu gehen, mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, essen zu gehen und so ein weitgehend selbstbestimmtes Leben zu führen. Auch Josef Vogt hat ihn einmal pro Woche besucht.

Doch in der aktuellen Situation sind die Kontakte sehr eingeschränkt und Rainer Müller verbringt die Tage allein zuhause und somit wird ihm gerade auch die Rest-Selbstständigkeit genommen. Vergangene Woche habe sich eine Bewohnerin des Mehrfamilienhauses gemeldet, bei der plötzlich Wasser von der Decke tropfte. Rainer Müller hatte nicht bemerkt, dass ein Wasserhahn lief.

Doch nicht nur Organisatorisches und Hilfe im Alltag ist es, was auf der Strecke bleibt, sondern auch das Menschliche. "Man spürt immer wieder, wie wichtig die persönlichen Kontakte sind und ein Telefonat kann das einfach nicht ersetzen", berichtet Vogt.

Leben der Personen nicht mehr menschenwürdig?

Eine weitere Person, die er betreut, ist Paula Walter. Sie lebt im Pflegeheim und leidet an Demenz, mit den Pflegern und Ärzten spricht sie kein Wort. Doch mit Josef Vogt teilt sie ihre Gedanken, erzählt und blüht auf. Eine ihrer Betreuerinnen bezeichnete es einmal als "psychische Erholung", was die 82-Jährige während der Besuche erlebt.

Josef Vogt befürchtet, dass die momentane Situation und die Einsamkeit in manchen Fällen dazu führen könnte, dass das Leben der Personen nicht mehr menschenwürdig ist. "Das setzt mir zu", sagt Vogt, der nach Lösungsansätzen sucht. Es müsse doch machbar sein, dass sich Bewohner des Pflegeheims außerhalb der Einrichtung mit ihren Ansprechpartnern und Vertrauten treffen können, natürlich unter Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen (Mundschutz, Handschuhe, Abstand halten).

Seiner Meinung nach könnten mit solchen vergleichsweise kleinen menschlichen Gesten bereits viele seelische Notsituationen aufgefangen werden.

Der SKM Schwarzwald-Baar mit Sitz in Donaueschingen ist ein katholischer Verein für soziale Dienste. Etwa 130 Betreuer kümmern sich um rund 300 hilfebedürftige Personen.