Der Arbeitskreis Gesamtelternbeiräte Baden-Württemberg kritisiert in seinem Brandbrief die Landesregierung massiv. Unter anderem halten die Unterzeichner die zeitweilige Abschaffung der Maskenpflicht am Platz in der Schule für fatal. Foto: Pleul/dpa

Der Arbeitskreis Gesamtelternbeiräte hat einen Brandbrief an die baden-württembergische Landesregierung geschrieben. Darin fordern sie einen besseren Schutz der Schüler während der vierten Welle der Coronavirus-Pandemie. Jürgen Langenkämper hat den Brief für den Gesamtelternbeirat Albstadt unterzeichnet.

Albstadt - "Die Landesregierung agiert anders als von uns Elternvertretern gewünscht", nennt Jürgen Langenkämper, Vorsitzender des Gesamtelternbeirates Albstadt, als Grund für den offenen Brief, adressiert an Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Kultusministerin Theresa Schopper und Sozialminister Manfred Lucha. "Wir Eltern sehen mit großer Sorge, wie die Infektionszahlen insbesondere bei den Kindern rasant voranschreiten", schreiben die neun Elternbeiratsvertreter aus ganz Baden-Württemberg.

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Sie halten es für nicht nachvollziehbar, warum vor gut einem Monat, Mitte Oktober, die Maskenpflicht am Sitzplatz der Kinder in den Schulen abgeschafft wurde, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt ein Anstieg der Infektionszahlen bekannt war und das Robert-Koch-Institut (RKI) von einer weiter zunehmenden Infektionszahl gewarnt hat.

"Aus unserer Sicht wurde bereits damals eine falsche Entscheidung getroffen, die dazu geführt hat, dass sich Infektionen weiter ausbreiten konnten und die Sicherheit unserer Kinder in den Schulen stark gefährdet wurde." Seit dem Eintritt des Landes in die Alarmstufe gilt die Maskenpflicht am Sitzplatz wieder.

Abstand halten ist schwierig

Weiter bemängelt der Arbeitskreis, dass Abstand halten nahezu unmöglich sei – sowohl im Klassenraum als auch in den vollen Bussen. "Die Schüler sitzen Schulter an Schulter", sagt Langenkämper im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten. "Man kann die Klassenräume nicht vergrößern, aber den Platz besser verteilen", meint der Albstädter Gesamtelternbeiratsvorsitzende. In den überfüllten Schulbussen sei die Lage, so weiß Langenkämper aus Berichten zahlreicher Eltern, noch schlimmer. "Hier werden die Klassen auch noch durchmischt, und niemand schaut, ob die Masken richtig getragen werden." Seine Forderung: Verstärkungsfahrten. Aber, so schreibt der Arbeitskreis im offenen Brief: "Der Einsatz zusätzlicher Busse erfolgt aufgrund von Geldmangel nicht."

Verpflichtende PCR-Tests

Ein weiterer Punkt, den die Verfasser des offenen Briefs bemängeln, sind die Schnelltests, die ungenaue Ergebnisse liefern. "Wir fordern daher PCR-Tests an allen Schulen zur Sicherheit unserer Kinder und der Gesellschaft." Langenkämper erklärt im Gespräch mit dem Schwarzwälder Boten, dass eine PCR-Pflicht prinzipiell genauere Ergebnisse lieferte, allerdings hält er es auf dem Land für nicht praktikabel. "Weil es in der ländlichen Region zu lange dauert, bin ich dafür, hier weiterhin auf Antigentests zu setzen", sagt Langenkämper. Er weist aber darauf hin, dass auch Elternvertreter aus Großstädten wie Stuttgart, Mannheim und Heilbronn den Brief unterschrieben haben.

Irreführende Quarantäneregeln

Aktuell werden die Schüler in der Regel drei Mal die Woche mittels Antigentschnelltests in der Schule getestet. Ist einer positiv, wird er von der Klasse isoliert und nach Hause geschickt. "Die Meldekette läuft nicht richtig seit die Regularien zur Quarantäne geändert wurden." Man könne davon ausgehen, dass in den folgenden Tagen auch die engen Kontakte der Schüler positiv werden – diese müssten aber bis zu einem positiven Test weiterhin in die Schule und könnten andere anstecken.

"Unserer Meinung nach ist es unabdingbar, dass Prozesse und Verantwortlichkeiten im Infektionsfall allen Beteiligten klar kommuniziert werden", heißt es in dem Brief an die Landesregierung: "Eltern berichten, dass bei PCR-positiven Fällen im Kindergarten den Eltern der anderen Kinder empfohlen wurde, ihre Kinder einer PCR-Testung zu unterziehen. Einige Eltern sind dieser Empfehlung nicht nachgekommen, da sie schulpflichtige Kinder haben und somit eine eventuelle Quarantäne verhindern wollten."

Präsenzpflicht aussetzen

Allerdings werden nur die Kinder getestet, die nicht geimpft sind. Im öffentlichen Leben gelten Schüler generell als getestet und genießen alle Vorzüge, die aktuell Geimpfte und Genesene haben. "Das finde ich fatal, schließlich wird in den Ferien nicht getestet, und auch Geimpfte und Genesene können das Virus innerhalb ihrer Klasse verteilen, und immer wieder gibt es Impfdurchbrüche." Daher blickt Langenkämper bange in Richtung Weihnachten.

"Auch wenn ein Lockdown oder Schulschließungen das letzte Mittel der Wahl sein sollten, sollte man diese Option letztendlich zum Schutz der Kinder nicht ausschließen", schreibt der Arbeitskreis. "Das Virus macht nicht vor Schulgebäuden halt, so sehr wir uns das wünschen." Daher plädieren die Gesamtelternbeiräte dafür, die Präsenzpflicht an Schulen wieder auszusetzen – so wie es seit eineinhalb Jahren bis zum Schuljahresbeginn gegolten hat. "Ich selbst bin ein Freund von Präsenzunterricht", erklärt Langenkämper. Aber gerade für die Familien, die kein Risiko eingehen wollen, sei eine Pflicht zur Präsenz nicht das beste Mittel – zumindest bis auch Kinder unter zwölf Jahren geimpft werden können.

Erfahrungen der Eltern

Abschließend die Forderung des Arbeitskreises an das Regierungstrio: "Bitte setzen Sie als Sofortmaßnahme die Präsenzpflicht aus, damit verantwortungsbewusste Eltern frei entscheiden können, ob sie Ihre Kinder durch das Homeschooling schützen möchten."

Langenkämper rechnet nicht mit einer Antwort von Seiten der Landesregierung, zumindest keiner raschen. Doch ihm geht es nicht darum – "Wichtig ist uns, dass die Erfahrungen, die wir Elternvertreter gebündelt von den Eltern bekommen haben, gehört und umgesetzt werden", so Langenkämper weiter. Er selbst gebe den Tenor der Elternschaft weiter. Natürlich werde er auch von einzelnen Eltern dafür heftig angegangen, gerade wenn es um die Haltung zur Impfung von Schülern geht. "Aber ich kann nicht mit zwei Stimmen sprechen und stehe daher für die breite Masse der Eltern ein, welche die Maßnahmen mittragen", sagt Langenkämper, der seit zwei Jahren dem Gesamtelternbeirat Albstadt vorsitzt.