An diesem Freitag dürfte es hoch hergehen im baden-württembergischen Landtag. Foto: Gollnow

FDP will über neue Corona-Regeln abstimmen. Bürgermeister aus dem Südwesten äußern sich.

Stuttgart/Oberndorf - Der anstehende November-Lockdown stößt auf eine Welle der Kritik. So will die FDP im Landtag über die Maßnahmen abstimmen lassen. Derweil melden sich auch Bürgermeister aus dem Land zu Wort.

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Nachdem Baden-Württembergs Ministerrat am Donnerstag die jüngsten Bund-Länder-Beschlüsse zur Coronabekämpfung offiziell begrüßt hat, will sich an diesem Freitag das Landesparlament damit befassen. Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) hat zu eine Sondersitzung eingeladen, da sie den Wunsch danach "aus verschiedenen Fraktionen" vernommen habe, wie sie an die Fraktionschefs schrieb.

Nicht alle Abgeordnete sind zufrieden

Allerdings sind mit der Tagesordnung ("Regierungsinformation durch den Ministerpräsidenten" und anschließende Aussprache) nicht alle Abgeordneten zufrieden. Die FDP verlangt eine Abstimmung über den ab Montag geltenden Lockdown: "Es kann nicht sein, dass solche massiven Entscheidungen mit zu erwartenden schwerwiegenden Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft auf dem Verordnungswege und durch Kabinettsbeschlüsse der Regierung alleine eingeleitet werden", erklärte Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke (Pforzheim).

Grüne und CDU lehnen dies ab. Sie wollen einen eigenen Antrag zur Abstimmung stellen, in dem sie die Notwendigkeit der Bund-Länder-Beschlüsse rechtfertigen sowie auf eine zügige Umsetzung der neuen Wirtschaftshilfen pochen. Umstritten dürfte in der Debatte sein, in wieweit das im Juli vom Landtag verabschiedete "Gesetz über den Erlass infektionsschützender Maßnahmen" (Pandemiegesetz) den Abgeordneten Mitsprache einräumt. Darin heißt es zum Beispiel, dass das Parlament "in wesentlichen Fragen der Grundrechtsausübung" einbezogen werden müsse. Änderungen von Rechtsverordnungen seien ihm "spätestens 24 Stunden nach der Beschlussfassung" zuzuleiten. Eine formale Zustimmung der Abgeordneten ist aber nur dann vorgesehen, wenn eine Verordnung länger als zwei Monate gültig sein soll.

Letzteres ist bei den jüngsten Bund-Länder-Beschlüssen bislang nicht geplant, sie sind auf den Monat November beschränkt. Sowohl CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart als auch sein Grünen-Kollege Andreas Schwarz legen Wert darauf, dass es der Landtag bei einer "breiten Diskussion" über den Lockdown belässt. Die Sondersitzung "legitimiere" die Maßnahmen der Rechtsverordnung und biete die Chance, deren Akzeptanz zu erhöhen.

Auch die SPD-Fraktion werde keine Abstimmung über den Lockdown beantragen, sagte ein Sprecher. Die AfD sieht sich als "Komparse" missbraucht. Die neuen Maßnahmen lägen dem Plenum noch gar nicht vor, und die Bürger müssten erleben, dass der Landtag nur das abzunicken habe, was "ein paar Corona-Diktatoren" hinter verschlossenen Türen beschlossen hätten, heißt es in einer Mitteilung.

36 Bürgermeister appellieren an Kretschmann

Skepsis gegenüber dem anstehenden November-Lockdown drang auch auf kommunaler Ebene nach außen. So appellieren 36 Bürgermeister aus dem Südwesten in einem Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, an den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, "die Umsetzung der Beschlüsse im Landrecht nochmals auf den Prüfstand zu stellen". Man sei sich "im Klaren, dass Baden-Württemberg keine völlig andere Linie fahren wird. Aber wir hielten es für angemessen, dem Infektionsschutz bei der Definition der Maßnahmen einen höheren Stellenwert zu geben und von gänzlich abstrakten Verboten Abstand zu nehmen", ist in dem Schreiben zu lesen. Unverständnis äußern die Stadtchefs in Bezug auf Theater, Oper, Kino, Gastronomie, Hotellerie und Cafés, die den Verfassern zufolge gute Hygienekonzepte etabliert haben.

"Natürlich sind Maßnahmen notwendig, aber die hier treffen doch die Falschen. Jetzt werden die, die ihre Sache gut gemacht haben, auch noch bestraft. Gastronomie und Kulturveranstalter haben sich in den vergangenen Monaten doch vorbildlich verhalten; die eigentlichen Problemzonen waren die privaten Haushalte und die Freizeit, und genau dorthin, ins Private, wird jetzt alles abdriften", äußerte sich Klaus Konzelmann (parteilos), Oberbürgermeister von Albstadt (Zollernalbkreis), der das Schreiben mitunterschrieben hat. So wie auch Hechingens Bürgermeister Philipp Hahn (CDU). Er zeigte sich auf Anfrage "zutiefst in Sorge, dass Gastronomie und Sportvereine nachhaltig beschädigt werden". Dies habe ihn bewogen, den Appell der Bürgermeister zu unterschreiben. Unter anderem beteiligten sich auch Julian Osswald (CDU), OB von Freudenstadt, Tübingens Stadtoberhaupt Boris Palmer (Grüne) oder Helga Wössner (CDU), Rathauschefin von Mühlenbach (Ortenaukreis).

Nach Informationen unserer Zeitung sollen wegen der Bund-Länder-Beschlüsse nicht sämtliche bisherigen Corona-Verordnungen im Südwesten geändert werden. Geplant ist vielmehr ein eigener, zeitlich befristeter Sonderparagraf, der in die bestehenden Corona-Verordnungen integriert wird. Zum 2. November sollen die neuen Maßnahmen dann umgesetzt werden.