Breuninger-Chef Willy Oergel im Stammhaus in Stuttgart. Foto: Breuninger

Haben Kauf- und Warenhäuser im Zeitalter des Internethandels eine Zukunft? Breuninger-Chef Willy  Oergel gibt nur selten Interviews, für uns hat er eine Ausnahme gemacht.

Haben Kauf- und Warenhäuser im Zeitalter des Internethandels eine Zukunft? Breuninger-Chef Willy Oergel gibt nur selten Interviews, für uns hat er eine Ausnahme gemacht.
Stuttgart –  Herr Oergel, ist Breuninger ein klassisches Warenhaus?
Wir sind anders positioniert, unser Schwerpunkt liegt im Bereich Mode und Lifestyle, ergänzt durch ein breites Angebot an Service- und Gastronomieangeboten.
Wie muss sich heute ein Waren- oder Kaufhaus positionieren?
Der Einzelhandel befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Die Motoren dafür sind die sich stetig ändernden Bedürfnisse der Kunden und der Online-Handel, der rasant wächst. Ein Stillstand wäre tödlich, und nur die Unternehmen, die sich innovativ entwickeln, werden überleben. Mit unserem Konzept nutzen wir die Chancen dieser Veränderung.
Wie sieht dieses Konzept aus?
Die Marke Breuninger hat schon immer ihre eigenständige Entwicklung betont. Wir nehmen aktuelle Strömungen auf, machen aber nicht jeden Trend mit. Wir stimmen unseren sehr guten Kundenservice, die Auswahl der Produkte, die Produktwelten, die Einkaufsatmosphäre in unseren Häusern sowie die Restaurants in ganz besonderer Weise aufeinander ab. Zusammen mit unseren Mitarbeitern macht dies unseren Kern aus – die sogenannte Breuninger-DNA.
Was ist mit Warenwelten gemeint?
Nehmen Sie unsere Schuhabteilung, die wir mit großem Aufwand designt und im Herbst 2012 in Stuttgart eröffnet haben: 2000 Quadratmeter Fläche, 25 000 Paar Schuhe – das ist einmalig in Deutschland. Die Inszenierung und Gestaltung der einzelnen Abteilungen ist für uns sehr wichtig, damit sich unsere Kunden wohlfühlen.
Luxus ist aber nicht für jeden und jede erschwinglich.
Unser Sortiment ist sehr breit. Sie können bei uns ein Herrenhemd für 29,90 Euro finden, aber auch eines für 299 Euro. Das kommt dem Wunsch vieler Kunden entgegen, Bekleidung aus verschiedenen Stilrichtungen und Preissegmenten mixen zu können.
Wo holen Sie sich neue Ideen?
Wir haben ein großes Kreativ-Team und zahlreiche Projektgruppen, und wir sind viel unterwegs und sammeln Eindrücke aus der ganzen Welt. Es gibt durchaus auch innovative und richtungweisende Konzepte kleinerer Läden, von denen wir lernen können, etwa die beiden Geschäfte von Fred Segal in Los Angeles in Kalifornien, die Mode und Kosmetikartikel anbieten. Wir sind immer auf der Suche. Zudem wenden sich auch Repräsentanten neuer Marken direkt an uns. Der Beweis, dass wir mit unserer Strategie richtig liegen, ist, dass sich Mitbewerber immer wieder an unseren Konzepten orientieren. Und dass wir nationale und internationale Auszeichnungen erhalten. Zuletzt wurden wir hinter der Kaufhauskette Selfridges aus London zusammen mit Macy’s aus New York, dem größten Warenhausbetreiber der USA, zu den weltbesten Warenhäusern gewählt.
Wie wichtig sind Fachkräfte im Verkauf?
Die hohe Servicebereitschaft und das Fachwissen unserer Mitarbeiter sind ganz wesentliche Erfolgsfaktoren. Wir investieren viel in die Weiterbildung – unsere Mitarbeiter können sich in zahlreiche Angebote einwählen. Und wer gut ist, muss nicht jahrelang auf einer Position ausharren, sondern bekommt bei uns schon früh Perspektiven und Verantwortung. Ich bin sehr stolz auf unser Team.
Was gehört außerdem zum Kundenservice?
Das beginnt damit, dass wir bei unseren Umkleidekabinen auf eine komfortable Größe achten. Oder dass wir Wert auf ein attraktives gastronomisches Angebot legen. Im Stuttgarter Stammhaus gibt es sechs Gastronomie-Stationen. Für das ehemalige Flo entwickeln wir gerade ein neues Konzept, um dieses gemeinsam mit dem Dorotheen-Quartier im Herbst 2016 zu eröffnen. In Sindelfingen produzieren wir in einer eigenen Konditorei in Topqualität die Produkte für unsere Confiserie. Oder nehmen Sie zum Beispiel unser Kinderzimmer: An einem Vorweihnachtssamstag werden hier bis zu 400 Kinder betreut, während die Eltern entspannt einkaufen können und einen Pager, ein Benachrichtigungsgerät, in der Hand haben, mit dem sie gerufen werden, falls das Kind etwas benötigt.
Welche Rolle spielt der Standort?
Der Standort ist ein ganz zentraler Faktor. Hier in Stuttgart entsteht nun im Dreiklang mit der Markthalle und dem neuen Dorotheen-Quartier mitten in der Stadt eine unvergleichliche Situation mit einer ganz eigenen, urbanen Atmosphäre. Auch mit dem neuen Haus in Düsseldorf am Kö-Bogen sind wir sehr glücklich. Wir verstehen uns an jedem Standort als aktiver Partner der jeweiligen Stadt. Für künftige Breuninger- Häuser sind wir sehr stark in den Städten Hamburg, Frankfurt und München auf der Suche nach geeigneten Flächen. Es ist manchmal nicht einfach, etwas Passendes zu finden, wir benötigen eine Verkaufsfläche von 15 000 Quadratmetern.
Kommen wir noch mal auf den Punkt Internethandel zurück. Bringt dieser nicht den K.-o. für das Kaufhaus?
Definitiv nein. Der Breuninger-Online-Shop entwickelt sich sehr gut. Der Kunde möchte heute zu jeder Zeit und an jedem Ort einkaufen können – und dazu verschiedene Möglichkeiten nutzen. Wir sind heute ein Multikanal-Unternehmen und haben deshalb den stationären Handel mit unserem E-Shop verbunden. Ein Beispiel: Man kann etwa ein Kleid online bestellen und dieses in ein bestimmtes Breuninger-Haus liefern lassen, wo man es vor Ort anprobieren und dort auch zurückgeben kann. Diesen Service kann ein reiner Online-Shop nicht bieten.
Wie verfolgen Sie persönlich die Entwicklung des Unternehmens?
Ich bin samstags häufig selbst in unseren Häusern unterwegs, werde von Kunden und Mitarbeitern mit Lob oder Kritik angesprochen. Dieser direkte Kontakt ist mir sehr wichtig, da er es mir ermöglicht, einen authentischen Einblick in die Häuser zu erhalten und dadurch ein Gefühl für die Stimmung unter unseren Kunden und für die Atmosphäre im Unternehmen zu bekommen.