Landesinnenminister Reinhold Gall besucht am Dienstag Weissach – hier ist am Montag ein Haus abgebrannt, in dem in zwei Wochen Flüchtlinge einziehen sollten. Foto: dpa

Der Bürgermeister von Weissach will pensionierte Polizisten bitten, eine weitere geplante Unterkunft zu bewachen. Minister Reinhold Gall will kein Demo-Verbot.

Weissach - Fernsehteams, Übertragungswagen, schwarze Limousinen und Personenschützer: einen Aufruhr wie an diesem Dienstag hat Unterweissach bisher nicht erlebt. Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat mit dem Landrat des Rems-Murr-Kreises, Richard Sigel, und Abgeordneten des Landtags und des Bundestags die Reste des Hauses besichtigt, das am Tag zuvor abgebrannt war. In zwei Wochen hätte es zur Unterkunft für 20 Flüchtlinge umgebaut werden sollen. Zwar ist unklar, warum das Feuer ausbrach – eine andere Ursache als Brandstiftung, so Gall, wäre aber ein „großer Zufall“.

Am Montag hatten Schaulustige vor dem brennenden Haus Verständnis für solche Anschläge geäußert. Dies verurteilte der Innenminister: „Die Gesellschaft muss ein Zeichen setzen gegenüber denen, die Stimmung gegen Flüchtlinge machen und Brandsätze werfen“, sagte er und lobte die Idee, am Abend vor der Ruine eine Mahnwache abzuhalten. Zu der Kundgebung hatten der Gemeinderat Bernd Hecktor von der Liste Weissacher Bürger, die Friedensinitiative und der Arbeitskreis Integration aufgerufen. 500 Menschen nahmen an der Mahnwache teil. Für den Landrat Sigel war das „ein starkes Zeichen gegen Rassismus und Intoleranz“. „Wir wissen noch nicht, ob es Brandstiftung war, aber es hat allen wehgetan, dass dieses Haus zum zweiten Mal gebrannt hat“, sagte Hecktor bei der Mahnwache. Er bezeichnete es als „eine Schande, dass der Hass bis in die Mitte unserer Gesellschaft gekommen ist“.

Gall spricht sich gegen Demo-Verbot aus

Innenminister Gall erteilte in Weissach einem generellen Demonstrationsverbot vor Flüchtlingsheimen eine Absage. Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) hatte ein solches Verbot wegen der rassistischen Ausschreitungen im sächsischen Heidenau vorgeschlagen. „Das wäre höchstens in Einzelfällen denkbar“, sagte Gall. Die Sicherheit von Asylunterkünften könne die Polizei nicht allein garantieren: „Die Zivilgesellschaft ist gefragt. Wer etwas Verdächtiges beobachtet, muss es melden.“

Derzeit arbeiten Brandexperten des Landeskriminalamts (LKA) daran, die Brandursache herauszufinden. Keine leichte Aufgabe: Von dem Haus ist nur noch das untere Stockwerk übrig, alles andere ist verbrannt oder wurde schon am Montag abgerissen. „Das Gebäude war akut einsturzgefährdet“, erklärt der Leiter der Waiblinger Kriminalpolizei, Rainer Müller. Das LKA sei dabei, Proben auszuwerten. Ein abgebrannter Öltank erschwert den Ermittlern die Arbeit: Spürhunde und Geräte schlagen schon wegen dessen Geruchs an.

Hoffen auf Hinweise der Bevölkerung

„Das Feuer war um 5 Uhr so weit fortgeschritten, dass wir davon ausgehen, dass es bereits um 2 oder 3 Uhr ausgebrochen ist“, sagt Müller. Er hofft auf Hinweise aus der Bevölkerung – wichtig könnten schon Beobachtungen gegen Mitternacht gewesen sein.

Die Herausforderung, Flüchtlinge unterzubringen, ist durch den Brand verschärft worden. „Eigentlich wollten wir Containerlösungen vermeiden, wir werden nun wohl nicht mehr darum herumkommen“, sagt der Weissacher Bürgermeister Ian Schölzel. Er sieht aber die Bundespolitik in der Pflicht, eine langfristige Strategie für die Unterbringung von Asylbewerbern zu entwickeln: „Es ist absehbar, dass viele von ihnen für längere Zeit bei uns bleiben. Die können nicht dauerhaft in Hallen oder Containern leben.“

Die Gemeinde plant noch eine weitere Asylunterkunft: Eine ehemalige Druckerei soll umgebaut werden, um 80 Menschen Platz zu bieten. Für den Schutz der künftigen Unterkunft hat er bereits eine Idee: „Ich möchte pensionierte Polizeibeamte bitten, sich ehrenamtlich oder für einen kleinen Obolus zu engagieren.“