Sie waren maßgebend beteiligt am Eingemeindungsvertrag vor 50 Jahren (v.l.): Ratsschreiber Franz Bäuerle, Bürgermeister Karl Ketterer und Bürgermeister Karl Schneider.Fotos: Minzer Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Das Ende einer kleinen Gemeinde / Wie Döggingen seine Selbstständigkeit verlor

Wohl keine Bürgerversammlung in den zurückliegenden Jahrhunderten dürfte die Dorfhistorie so einschneidend beeinflusst haben wie jene, die genau heute vor 50 Jahren im Gasthaus Adler stattgefunden hatte.

Bräunlingen-Döggingen. An jenem besagten Dienstagabend besiegelte eine Abstimmung nämlich das Ende der Selbstständigkeit Döggingens: Eine deutliche Mehrheit der rund 140 Versammlungsteilnehmer votierte für den Anschluss der Gemeinde an Bräunlingen.

Dieser Abend dürfte für den damaligen Bürgermeister Karl Ketterer die wohl größte Enttäuschung seiner Amtszeit gewesen sein, hatte er doch längst die Fühler ausgestreckt nach seinem Berufskollegen und Freund Max Gilly, seines Zeichens Bürgermeister in Hüfingen. Außerdem war Döggingen von den Reformplanern der Stadt Hüfingen zugeteilt. Und in der Tat sprach im Vorfeld der Entscheidung einiges für den Anschluss an die Nachbarstadt Hüfingen. Da war zum einen die weitaus bessere Verkehrsverbindung durch Bundesstraße und Eisenbahn. Demzufolge zog es die Dögginger auch eher zur Ärzteschaft und zum Einkauf nach Hüfingen als ins benachbarte Bräunlingen.

Wochenlang wurde an den Stammtischen und vor allem bei der Firma Freilacke heiß diskutiert und das Für und Wider für die eine oder andere Stadt beleuchtet. Und da man wusste, dass die Tage der kleinen Gemeinden infolge der Verwaltungsreform ohnehin gezählt waren, wollte man der Zwangseingemeindung zuvorkommen und durch einen freiwilligen Zusammenschluss die üppigen Mittel aus den Finanzzuweisungen der Landesregierung in Anspruch nehmen. Die Verlockungen, mit Hilfe dieses Geldes den durch den Schul- und Turnhallenbau verursachten Schuldenberg leichter abtragen zu können, waren groß, auch wenn damals in manchen Nachbargemeinden dieser freiwillige Anschluss als Beschleuniger der ungeliebten Verwaltungsreform gebrandmarkt worden ist. Wie dem auch gewesen war, an besagtem Abend musste eine Entscheidung fallen. Und so wartete die Versammlung gespannt auf die Bewerbungsansprachen der beiden Bürgermeister Max Gilly und Karl Schneider. Gilly war als Erster an der Reihe. Der Zusammenschluss solle auf der Grundlage einer Ortsverfassung geschehen, so Gilly. Döggingen behalte den Bürgermeister als Ortsvorsteher, der Gemeinderat werde zum Ortschaftsrat. "Im Übrigen bin ich nicht als Brautwerber, sondern als Aufklärer nach Döggingen gekommen", so Gilly.

Diesen grundsätzlichen Ausführungen seines Amtskollegen wollte Bürgermeister Schneider nichts mehr hinzufügen. Bestens präpariert und gut ausgestattet mit Vollmachten durch seinen Stadtrat warb Schneider mit konkreteren Zusagen, aber auch mit den vielfältigen Beziehungen beider Gemeinden, unter anderem die Vereinsverbindungen durch die Landjugend. In der von Bürgermeister Ketterer moderierten lebhaften Diskussion galten die Fragen vor allem der Verschuldung der beiden Bewerber, den Bauvorhaben, den schulischen Belangen, wie die Zukunft der Müllabfuhr aussehen könnte und wie es vonstatten gehe, wenn man am Wochenende einen Todesfall melden müsse. Längere Zeit stand dann die Abstimmung generell auf der Kippe, am Ende blieb den 134 anwesenden stimmberechtigten Bürgern eine Entscheidung nicht erspart.

Überraschend deutlich stimmte die Versammlung letztlich mit 113 Stimmen für Bräunlingen und mit nur 50 – es konnte gleichzeitig für beide Bewerber gestimmt werden – für Hüfingen. Einfluss auf die Entscheidung hatten auch die großen Waldbestände und die Anzahl gewerbesteuerpflichtiger Betriebe in Bräunlingen sowie die Hoffnung auf eine dadurch besser ausgestattete Stadtkasse. Bürgermeister Gilly verzichtete auf eine weitere Wettbewerbsteilnahme, gemeinsam wurde mit Bräunlingen ein Eingemeindungsvertrag ausgehandelt und bereits Mitte Dezember unterschrieben.

Nicht allzuoft geben die Stimmen der Dögginger Stadträte bei Abstimmungen den Ausschlag. Doch gibt es noch eine richtungsweisende Entscheidung, die die Dögginger Bürger maßgeblich beeinflusst haben: Bei der Bürgermeisterwahl 1985 waren die Stimmen aus Döggingen entscheidend für den knappen Wahlsieg des CDU-Mannes Jürgen Guse über seinen damaligen SPD-Konkurrenten Heinz Kamp.

Die Dögginger mussten sich danach auch des Öfteren als Bürger des Stadtteils "Guselfingen" bezeichnen lassen, fühlten sich dann aber angesichts der zweimaligen Wiederwahl von Jürgen Guse in ihrer Entscheidung bestätigt.