Interview: Scheidender Stadtpfarrer bedankt sich bei seiner Gemeinde /Bis September noch im Ort

Bräunlingen. Stadtpfarrer Walter Eckert geht in den Ruhestand. Im Gespräch erklärt er, woher er die Kraft für seinen Beruf nimmt und wie sein Abschied aussehen wird.

Herr Pfarrer Eckert, sie waren 18 Jahre Pfarrer in Bräunlingen.

Fast. Mein erster Arbeitstag war am 27. November 1999, also etwa ein halbes Jahr länger.

Wie fühlt sich der Abschied an?

Ich fühle mich gut und freue mich sehr auf den Ruhestand. Ich merke es kräftemäßig. Die Verantwortung und die Aufgabe als Pfarrer überfordern mich auch manchmal. Das hängt sicher auch damit zusammen, dass ich in den verganfgenen Jahren drei Krankenhausaufenthalte mit schweren Operationen hatte. Gesundheitlich bin ich sehr geschwächt, aber innerlich sehr zufrieden.

Die Aufgaben als Pfarrer werden im Laufe der Zeit komplexer.

Es hat sich sehr vieles verändert. Wobei ich sagen darf, dass sich in unserem Bereich die zwei großen Einschnitte in der Struktur – sprich: Seelsorgeeinheit Bräunlingen-Döggingen 2005 und 2015 die neue Seelsorgeeinheit auf der Baar – gut gestaltet haben. Es gab wenig Sand im Getriebe. Inzwischen habe ich einiges reduziert, etwa Sitzungen, bei denen ich nicht dabei sein muss. Meine anderen Dienste nehme ich wahr, also Gottesdienste, Sakramentspendungen, Beerdigungen. Ich habe persönlich gelernt zu reduzieren und zu spüren, was meine Aufgabe als Priester, Pfarrer und vor allem Seelsorger ist.

Ihre Arbeit ist nicht immer zum Lachen, woraus schöpfen Sie ihre Kraft?

In Bräunlingen war es für mich immer eine erfüllte Zeit, auch wenn es schwierig war. Ich habe mir persönlich das Ziel gesetzt, für die Menschen Seelsorger zu seine, in guten wie in schlechten Zeiten. Die Kraft schöpfe ich aus zwei Gründen. Erstens habe ich tolle Freundeskreise, in denen gelacht wird. Zum anderen aus dem Glauben. Dort bewahre ich viel Kraft und Hoffnung. Ich lege auch Wert darauf, dass ich die Menschen nicht nach Religiosität beurteile, sondern ob ich mich wohl fühle.

Sie haben an der Fasnet über die Mentalität der Bräunlinger gesprochen. Was macht die aus?

Sie sind ein stolzes Volk, das habe ich gleich bemerkt. Das ist auch geschichtlich bedingt, da sie nie Leibeigene waren. Das hat den Menschenschlag geprägt. Andererseits sind sie auch sehr konservativ. Das Brauchtum spielt eine große Rolle. Sie sind auch sehr weich. Ich war ja zwölf Jahre Militärpfarrer. Beim Einschießen der Panzer gibt es das direkte Schießen, wo auf tausend Meter die Granate direkt fliegt. Das andere ist die ballistische Kurve, wie bei der Artillerie. Die Bräunlinger sind gleichsam die ballistische Kurve – es wird nie direkt geschossen, wenn, dann durch die Blume, humorvoll.

Was nehmen Sie an Bräunlinger Eigenschaften mit?

Das Charmante, Freundliche und in der Regel immer Wohlwollende. Das habe ich hier sehr geschätzt. Die Sprache nicht, denn die lerne ich ohnehin nie ganz.

Wie sind ihre Pläne für den Ruhestand?

Ich bin bis zum zehnten Lebensjahr in einem kleinen Dorf zwischen Wertheim und Tauberbischoffsheim aufgewachsen. Ich werde nach Tauberbischoffsheim ziehen, weil ich dort zwölf Jahre Militärpfarrer war, Freunde habe und nur 20 Kilometer bis in meinen Heimatort brauche. Dorthin habe ich noch sehr enge Beziehungen. Dort leben meine Schwester, mein Patenkind, mein Bruder und ein Freundeskreis aus der Jugendzeit, den ich sehr lebendig gehalten habe. Ich werde natürlich auf Anfrage Aushilfe machen. Es ist ja das Schöne am katholischen Priester, dass er gebraucht wird, solange er am Altar stehen kann. Ich bin gerne Priester. Aber ich werde mich ausruhen, viel lesen und Freundschaften pflegen.

Wie sieht es mit der Nachfolge aus?

Es ist so, dass nach dem Personalschlüssel für die neue Seelsorgeeinheit zwei Priester da sein werden. Künftig wird der Hüfinger Pfarrer, Manuel Grimm, Leiter der Seelsorgeeinheit sein und damit auch Pfarrer für alle Pfarreien. Augenblicklich ist Pater Augustus Izekwe der zweite Priester. Auf jeden Fall kommt ein Priester ins Bräunlinger Pfarrhaus. Es kann vielleicht nächstes Jahr ein neuer kommen. Die Entscheidung trifft der Bischof.

Sie schauen nicht mit weinendem Auge zurück?

Nein, ich erkenne rückblickend, das, was wunderbar und gut gelaufen ist. Was sich auch weiterentwickelt hat nach meinem Vorgänger Stephan Ocker. Er hat vor allem viel die Jugendarbeit – Zeltlager und Ministranten – entwickelt und sehr gefördert. Das läuft heute noch genauso.

Was geben Sie den Bräunlingern mit auf den Weg?

Einen Dank. Ich werde ihnen nur sagen, wie man gut Abschied nimmt. Ich werde auch sagen, dass ich nicht weine. Der Abschied fällt mir nicht schwer. Das hängt damit zusammen, dass ich zehn Mal schon an verschiedensten Orten war, mit einem Jahr und länger. Ich habe überall Freunde. Abschied zu nehmen bin ich gewohnt. Ich bin ein rationaler Typ und ich stelle mich darauf ein. Die Trauerbegleitungen machen mit mir ja auch was. Es sind viel einschneidendere Abschiede, als wenn man das planen kann.

Ist das eine eine Typfrage oder kann man das lernen?

Ich glaube, beides ist wichtig. Man darf nicht an etwas hängen. Manche wollen etwa immer jung sein. Mit Sicherheit ist auch die Erfahrung wichtig. Ich werde dieses Jahr 71. Ich setze mich ja auch mit meinem eigenen Tod auseinander. Das kann in fünf Jahren sein. Ich mache mir keine Sorgen, plane, was mir möglich ist.

Welches war das größte Projekt in ihrer Zeit in Bräunlingen?

Das war die Sanierung der Stadtkirche. Ich habe das auch gerne gemacht, die Renovierung von kirchlichen Gebäuden. Das hängt damit zusammen, dass ich bei meinem Vater das Handwerkliche gelernt habe, er war Schmied. Die Kirche wurde 2007 und 2008 mit Kosten in Höhe von 1,2 Millionen Euro außen saniert. Und dann von 2015 bis 2018 die Innenrenovierung für 2,3 Millionen Euro. Jetzt am Sonntag wird sie fertig sein, weil dann auch das Hauptportal drin ist. Ich habe es gern gemacht, obwohl es sehr viel Zeit und viele Sitzungen zusätzlich erforderte. Aber es war auch eine Freude. Auch das Miteinander in den Ausschüssen und bei den Gesprächen mit den verschiedenen Gremien. Eine sehr erfüllende Aufgabe. Ich bin dankbar und stolz, dass das in meiner Zeit hier so gelungen ist.

Dieses Wochenende wird Ihr Abschied offiziell gefeiert, wie läuft das ab?

Es wird heute am Vorabend einen Dankgottesdienst in Döggingen geben. In Bräunlingen wird am Sonntag um 9.30 Uhr ein Gottesdienst mit der Kantorei gefeiert. Es werden fünf Priester kommen, darunter auch mein Freund Pater Norbert. Er war 34 Jahre Missionar in Kamerun und wird eine Predigt halten. Um 11 Uhr ist die offizielle Verabschiedung. Nach der Feier gibt es Begegnung und Gespräche. Und ich bleibe noch da bis Anfang September. Ich will die Zeit noch nutzen, um aufzuräumen.

  Die Fragen stellte Guy Simon.