Bürgerbegehren: Informationsabend lockt rund 200 Besucher in die Bräunlinger Stadthalle / Viele haben sich Meinung gebildet
Ein Bürgerbegehren ist ein seltenes Ereignis. Jener in Bräunlingen ist der 532. seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland.
Bräunlingen (guy). "Das ist ein Erlebnis für die Gemeinde, und sie kann etwas daraus lernen. Zudem ist die Situation erst mal befriedet", erklärt Edgar Wunder vom Verein Mehr Demokratie, der das Bürgerbegehren gegen den geplanten Windpark zwischen Döggingen und Waldhausen begleitet.
Dazu ist die Bräunlinger Stadthalle am Dienstagabend ein Markt an etlichen Informationen rund um das Thema und den damit verbundenen Bürgerentscheid. Kern der Veranstaltung sind sechs Stationen, an denen Interessierte die Möglichkeit haben, Argumente und Positionen zu den geplanten Windenergieanlagen zu hören und zu hinterfragen. Neben der Initiative Pro Landschaftserhalt, die den Bürgerentscheid in die Wege geleitet hat, stehen die Bürger Pro Verpachtung, der Projektierer (DGE mit Enercon und Badenova) sowie der Verein Mehr Demokratie für Auskünfte bereit. Dazu gibt es zwei Stationen, an denen Fachfragen mit Experten diskutiert und beantwortet werden. Rund 200 Besucher haben das Angebot in Anspruch genommen.
"Wie viele der Anwesenden wissen denn bereits, wie sie abstimmen werden?", erkundigt sich Moderator Christoph Ewen vom Forum Energiedialog. Rund 20 Hände gehen nach oben. "Sie sind heute Abend die wichtigsten Leute."
Als der Informationsmarkt eröffnet wird, entstehen schnell etliche Diskussionen. Besonders am Stand "Energiewende in Bräunlingen: Fragen und Argumente". Dort unterhalten sich Rolf Pfeiffer vom Kommunalberater Endura und Werner Adrion aus Löffingen, der jahrelang für das Kraftwerk Laufenburg in der Netzleitstelle Donaueschingen tätig war. "Ich bin kein Gegner der Windkraft im Norden. Nur hier bei uns gibt es einfach zu wenig Wind", so Adrion. Wie er sagt, werden die langen Stromtrassen in den Süden gebaut: "Das ist der einzige Weg." Aufgrund der Diskussionslautstärke wird der Stand schließlich ins Foyer verlegt. Thematisiert werden Grundsätze: Funktioniert die Energiewende, gibt es überhaupt einfache Lösungen? Dabei wird es emotional, wie Pfeiffer allerdings abschließend sagt: "Was hier total gut ist, es gibt Gegner und Befürworter. Diskutiert wird dabei zwar emotional, aber sachlich." Er geht davon aus, dass die Anlagen auch gebaut werden, sollte das Bürgerbegehren scheitern. "Die Wirtschaftlichkeit definiert sich zu 90 Prozent über den Anlagenpreis. Und hier ist in Form von Enercon der Konstrukteur mit an Bord."
An der gegenüberliegenden Hallenseite präsentieren Landschaftsarchitekt Ulrich Bielefeld und Gina Denz von Cube Engineering ihre unterschiedlichen Visualisierungen der Windkraftanlagen. Bielefeld hat die Darstellungen für die Bürgerinitiative Pro Landschaftserhalt erstellt. Er zeigt ein Worst-Case-Szenario, den schlimmsten anzunehmenden Fall. "So können Emotionen geschürt werden", kommentiert ein Besucher an seinem Stand. "Was an Anlagen kommt, weiß man nie so genau. Die Technik entwickelt sich stetig weiter. Daher gehe ich immer vom ungünstigsten Fall aus", sagt Bielefeld. Bei ihm werden die Rotorblätter der Anlagen frontal gezeigt.
"Das ist ein eklatanter Unterschied", sagt Denz. Bei ihr sehen Besucher die Windräder von der Seite: "Wir zeigen den Rotor jeweils in der Hauptwindrichtung", sagt sie. Nach den Visualisierungen mache das Unternehmen schließlich auch Bilder vom tatsächlichen Zustand und vergleiche beides.
Am Stand der Verpachtungsbefürworter unterhalten sich ebenfalls Besucher. "Wir wollen diejenigen in Bräunlingen moralisch unterstützen, die sich nicht trauen, ihre Zustimmung zu einer Verpachtung auch öffentlich zu zeigen", sagt Markus Fischer. Nur wer der Verpachtung zustimme, könne auf Augenhöhe mitdiskutieren.
Gegenüber des Investoren-Konsortiums hat die Bürgerinitiative ihren Stand. Dort sprechen Horst Kritzer und Hans-Peter Lützow mit Interessierten. Dabei werden viele Fragen laut: Welche Gutachten gibt es zum geplanten Windpark überhaupt? "Die Leute fragen sich auch, wie die sieben Meter breite Trasse durch den Wald aussehen wird. Dort oben verläuft es nämlich kurvig", sagt Kritzer. Gerade in den angrenzenden Ortschaften interessiere die Hausbesitzer, wie es sich zukünftig mit dem Wert ihrer Immobilien verhält.
"Gab es noch einen interessanten Punkt, der eventuell ihre Meinung beeinflusst hat?", fragt Ewen abschließend. Wenige Hände gehen hoch. Eine angesprochene Besucherin formuliert fast stellvertretend: "Ich habe mich informiert. Meine Meinung habe ich."
Rechtliche Regelung: Anmerkungen auf dem Stimmzettel seien nicht zulässig, erklärte Edgar Wunder vom Verein Mehr Demokratie: "Dort darf nur die Abstimmungsfrage sowie ›Ja‹ und ›Nein‹ stehen. Die Sache mit der Verneinung ist rechtlich vorgegeben, der Bürgerentscheid muss immer die ›Ja‹-Antwort haben."
Meinung: Wunder ist nicht der Auffassung, dass die Fragestellung Schwierigkeiten bereiten wird. "Wer zur Abstimmung geht, hat sich schon zuvor Gedanken gemacht." Dennoch betont er: "Vor Fehlern ist man nie sicher, aber damit muss man umgehen."
Die Frage: Die beim Bürgerentscheid mit ›Ja‹ oder ›Nein‹ zu beantwortende Frage lautet: "Sind sie dagegen, dass die Stadt Bräunlingen in den nächsten drei Jahren Grundstücke der Gemeinde zur Errichtung von Windkraftanlagen verpachtet und demgemäß der Gemeinderatsbeschluss vom 12. April 2018 aufgehoben wird?"
Das Bürgerbegehren: Die Entscheidung hat rein rechtlich gleiche Bedeutung wie ein Gemeinderatsbeschluss und ist auf drei Jahre bindend. für die Kommune. "Der Gemeinderat könnte in dieser Zeit nichts daran ändern. Ist sie abgelaufen, dann geht das allerdings sehr wohl", erklärt Edgar Wunder die gesetzlichen Vorschriften.