Jorgiano dos Santos da Silva – in Bräunlingen besser bekannt als Padre Jorgiano – wurde 1979 in Brasilien geboren. Er studierte und promovierte er in München.Foto: Rademacher Foto: Schwarzwälder Bote

Religion: Padre Jorgiano aus Brasilien ist seit einem Jahr Vikar in Bräunlingen

Im Juli 2019 zog Padre Jorgiano in das Bräunlinger Pfarrhaus. Er tritt die Nachfolge von Pfarrer Augustus Izekwe als Vikar bei der Seelsorgeeinheit "Auf der Baar" anzutreten.

Bräunlingen. Inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen, in dem der gebürtige Brasilianer zusammen mit Pfarrer Manuel Grimm die elf Pfarrgemeinden betreute. Eine bewegte Zeit für den Padre, aber auch für die Gläubigen, die sich manchmal mit Predigten konfrontiert sahen, die auch einmal Kritik in eigener Sache beinhalteten.

Doch das Echo ist weitgehend sehr positiv. Lothar Rosenstiel, Vorsitzender des Pfarrgemeinderates, erinnert sich gerne an die erste Begegnung mit dem Padre bei dessen Vorstellung. Es war klar, dass jemand aus der Weltkirche kommt.

Wichtig war den Beteiligten, dass derjenige gut Deutsch spricht, was bei Padre Jorgiano der Fall war. Und auch die ersten Gespräche verliefen positiv. "Nach einer Stunde war uns klar, dass dies derjenige ist, den wir brauchen." Das habe sich bis heute bestätigt, der Padre sei nicht mehr wegzudenken. Manche Leute wünschen ihn inzwischen ausdrücklich, beispielsweise wenn Taufen oder Beerdigungen anstehen.

Die Herausforderung Corona im ersten Dienstjahr gemeistert

"Es war ein schönes Jahr, es gab viele gute Begegnungen bis Februar", blickt Padre Jorgiano zurück. Er habe die Chance gehabt, viele Leute kennenzulernen, doch dann kam Corona. Bis dahin sei alles normal, er habe die Kilbig erlebt, den Marathon, das Jahresende im Rathaus und die Fastnacht. Dann kam der lange Lockdown, das sei schwierig für ihn gewesen.

"Wir durften keine Messen feiern, Kontakte liefen telefonisch oder per E-Mail, vor allem bei Älteren war der Kontakt weg." Die Idee, einmal im Monat nachmittags eine Messe mit Senioren zu feiern, wurde aber gut angenommen.

Ein Highlight war die Wallfahrt zu Fuß zur Sankt-Markus-Kapelle in Mistelbrunn im Juni, wo der Padre vor der Kapelle vor den etwa 30 Gläubigen eine Messe zelebrierte. "Alle waren begeistert, er fand die richtigen Worte, eine tolle Atmosphäre", berichtet ein Teilnehmer. Seit dem Sommer hat der Padre alle Hände voll zu tun. Es gab wieder viele Hochzeiten, Taufen mussten nachgeholt werden.

Die Arbeit teilt er sich mit Pfarrer Grimm, zu dem er ein gutes Verhältnis hat und der ihm alle Freiheiten lässt. Mundelfingen und Hausen vor Wald sowie Unterbränd betreut der Padre selbstständig, der Rest wird wechselweise aufgeteilt. Zur Erzdiözese hat er wenig Kontakt, doch "wenn ich sie brauche, sind sie da für mich", sagt er.

In Brasilien hatte der Padre einen Führerschein, doch dann ist er zehn Jahre nicht mehr gefahren. Um in der Gemeinde mobil zu sein, musste er einen deutschen Führerschein machen. Zunächst sei er unsicher gewesen, doch jetzt genieße er die Freiheit. Sollte er eines Tages wieder in eine Großstadt versetzt werden, wolle er kein Auto mehr, der Umwelt zuliebe. Bei den Gläubigen wird seine offene, ehrliche Art geschätzt und er könne auch einmal lachen. "Der Padre wirkt durch seine Fröhlichkeit, geht auf die Leute zu und hat gleich ein herzliches Verhältnis", sagt Ulrich Mehnert.

Christ zu sein, heißt für Padre Jorgiano auch kritisch zu sein

In seinen Predigten sei Padre Jorgiano weitgehend im Neuen Testament zu Hause, könne dieses aber mit Beispielen auf heute übertragen. So ginge man mit einer Predigt nach Hause, mit der man etwas anfangen könne.

Dabei ist der Padre voll auf der Linie von Papst Franziskus, scheut sich aber nicht, die Kirche oder den Vatikan zu kritisieren. "Es gibt sicherlich Leute, die konservativ sind und denen das nicht passt", sagt er selbst. "Wenn ich Priester kritisiere, dann kritisiere ich uns selber, beispielsweise die Missbräuche oder die Bürokratie, die unsere Arbeit behindert." Bei seinen Predigten orientiere er sich immer am Evangelium.

Nächstenliebe und Barmherzigkeit für alle Menschen

"Der Kern unseres Glaubens ist Nächstenliebe und Barmherzigkeit", das hieße auch, dass man Menschen nicht ausschließen dürfe, beispielsweise Homosexuelle, Ausländer oder Flüchtlinge. Als Christen müsse man diesen Menschen helfen und sie integrieren. Er vertrete in erster Linie Jesu Christi und das Evangelium, in zweiter Linie die Kirche. Es sei schön, katholisch zu sein und dieser Gemeinschaft anzugehören.

Manchmal zitiere er in seinen Predigten auch US-Präsident Donald Trump oder Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro. Diese würden sich Christen nennen, seien aber keine, weil sie nicht wie Christen handelten. "Das passt vermutlich manchen Leuten nicht. Ich sage das trotzdem", erklärt Padre Jorgiano. Obwohl er viel zu tun hat, hat der Padre nebenher ein zweijähriges Studium der Palliativmedizin aufgenommen.

Jorgiano dos Santos da Silva wurde 1979 in Cruzeiro du Sul im Norden Brasiliens im Amazonas-Gebiet geboren. Er wuchs zusammen mit sechs Geschwistern als Sohn einfacher Leute auf. Der Vater starb mit 33, als Jorgiano sieben Jahre alt war. Im Alter von zehn Jahren fasste Jorgiano den Beschluss, Priester zu werden, mit zwölf ging er ins Priesterseminar. Im Februar 2009 kam Padre Jorgiano, wie er genannt werden möchte, nach Freiburg und besuchte einen Intensivkurs der deutschen Sprache. Anschließend studierte und promovierte er in München, wo er gleichzeitig eine Pfarrei betreute. Seit 2019 ist Padre Jorgiano als Vikar bei der Seelsorgeeinheit Auf der Baar in Bräunlingen.