Vertreter des Skiclubs Radolfzell mit dem Zeitzeugen und Businsassen Heinz Bartak vor dem Gedenkstein, das an das Busunglück in Döggingen erinnert (von links): Kurt, Sandra und Karl Biller, Maurice Deufel, Heinz Bartak, Kai Genter und Egon Geiges. Fotos: Becker Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Busunglück von 1949 hat lange Wirkungsgeschichte / Historischer Gedenkstein restauriert

Historischer Gedenkstein erinnert an das tragische Busunglück in der Gauchachschlucht vor 71 Jahren.

Bräunlingen-Döggingen/Radolzfell. Auf der Bronzeplatte ist das Stadtwappen von Radolfzell nur noch schwer zu erkennen. Die Patina hat in den vergangenen 70 Jahren die Konturen des habsburgischen Löwen verwischt. Die Schrift lässt sich aber auch bei tief stehender Sonne entziffern: "Zum Gedächtnis der 22 Toten des Autounglücks bei Döggingen am 6.2.1949 – die Stadt Radolfzell am Bodensee."

Zwei Jahre war der Gedenkstein im Steinmetzunternehmen Höcklin in Löffingen eingelagert. Die alte Verbindungsstraße zwischen Döggingen und Unadingen ist saniert und eine neue Posthausbrücke gebaut worden, da war der Gedenkstein im Weg. Jetzt ist er schräg gegenüber dem alten Posthaus ein paar Meter entfernt vom alten Platz wieder aufgestellt worden.

Hergang des Unglücks

Die schlichte Nachricht auf dem Gedenkstein lässt nur erahnen, welche dramatischen Ereignisse sich in der Gauchachschlucht am 6. Februar 1949 abspielten. An diesem Tag verloren 18 Menschen aus Radolfzell und vier aus Singen ihr Leben, als der Fahrer die Kontrolle über den Postbus auf der abschüssigen Strecke von Döggingen nach Unadingen verlor. Der große Dreiachser schoss die Böschung hinunter, schlitterte über die vereiste Gauchach und bohrte sich mit großer Wucht in den Gegenhang.

Wer heute beim alten Posthaus in Unadingen steht, sich umdreht und hinauf zur neuen Bundesstraße 31 mit der 800 Meter langen und 40 Meter hohen Gauchachtalbrücke schaut, erahnt, welchen Fliehkräften die Fahrzeuge auf der "Reichsstraße 31" und späteren B 31 auf dem Weg nach Freiburg und in den Hochschwarzwald ausgesetzt waren. Bei dem Unglücksbus sollen an diesem Tag die Bremsen eingefroren sein, ein festgefrorenes Blatt habe zudem zum Versagen des Luftdruckreglers geführt, die Motorbremse habe man nicht einsetzen können, weil die Fahrerkabine überfüllt gewesen sein soll. Auch die Handbremse habe nicht funktioniert, heißt es in den Berichten.

Zeitzeuge spricht Dank aus

65 Fahrgäste waren in Radolfzell eingestiegen, um bei den Schwarzwald-Ski-Meisterschaften teilzunehmen oder einen Tag auf dem Feldberg zu genießen. Mitglieder der Skihütten-Genossenschaft und Mitglieder des Skiclubs Radolfzell meldeten sich für die Sonderfahrt an. Keiner der 65 Insassen stieg heil aus dem Bus, 17 waren sofort tot, fünf starben auf dem Transport oder im Krankenhaus, 43 Verletzte wurden auf die Krankenhäuser Donaueschingen, Löffingen, Singen und Radolfzell verteilt. 71 Jahre später bei der Wiedereinweihung des Gedenksteins hallen die dramatischen Ereignisse dieses Wintertags nach. Radolfzells Bürgermeisterin Monika Laule erinnert daran, dass dieses Unglück die ganze Stadt getroffen habe. "Auch die, die überlebt haben, tragen das Unglück mit sich." Dieser Gedenkstein sei ein Teil der Erinnerungskultur: "Für das Erinnern, für das Gedenken brauchen wir einen Ort", sagt Laule.

Einer, der als Neunjähriger den Unfall im Bus überlebt hat, steht 71 Jahre später wieder am Gedenkstein. Heinz Bartak spricht seinen Respekt und seinen Dank den Unadingern aus, die sich um die Pflege und Wiederaufstellung des Gedenksteins gekümmert haben: "Sie haben nichts mit den Verstorbenen zu tun gehabt und sich dennoch dieser Sache angenommen. Das ist eine schöne Geste für die Achtung der Toten."

Elmar Fehrenbach, der frühere Ortsvorsteher von Unadingen, kehrt diesen Blick auf das Unglück um. Er beschreibt, warum die Toten aus Radolfzell und Singen auch in Döggingen und Unadingen nicht egal sein können: "Die Gesellschaft begann sich in den Nachkriegsjahren gerade zu normaliseren, da war dieses Unglück ein Schock." Die Ersthelfer, die an die Unglücksstelle eilten, seien vor einer unvorstellbaren Aufgabe gestanden: "Es gab damals noch keinen organisierten Rettungsdienst." Der Unfall habe dazu geführt, dass ein Ortsverein DRK Döggingen-Unadingen gegründet worden sei. Erst nach der Kreisreform sei der gemeinsamen Ortsverband im Jahr 1977 in zwei unterschiedliche Ortsvereine getrennt worden.

Der Gedenkstein bleibt für Elmar Fehrenbach ein Anliegen. Auch die Unadinger und Dögginger hätten das Bedürfnis sich zu erinnern: "Wenn Trauer und Schmerz nachlassen, finden die Menschen Kraft für ein eigenes Leben." Aber sagt Fehrenbach: "Man braucht einen Platz, um die Erinnerung wach zu halten."

Auch bei der Wiedereinweihung des Gedenksteins zum Busunglück von Döggingen ist der Stadtpfarrer aus Radolfzell dabei. Radolfzells Stadtpfarrer Heinz Vogel hat in seiner Ansprache bei der Wiedereinweihung des Gedenksteins an der Straße zwischen Döggingen und Unadingen von den Buchstaben gesprochen, die sich vor das Glück stellen: "Das Un-Glück." Nach einem solchen Vorfall gebe es den Augenblick, von dem Betroffene erzählen würden: "Das ist die Stille danach." Es sei eine Zeit, von der man nicht wüsste, wem sie gehöre. Es brauche Mut, das Schweigen auszuhalten, "bis wir wieder Worte finden". Die Delegation des Skiclubs: Der Skiclub Radolfzell habe damals die Sonderfahrt auf den Feldberg nicht organisiert, aber dennoch ist das Unglück Teil der 99-jährigen Clubgeschichte. "Mitglieder der Skihütten-Genossenschaft waren meist auch Mitglieder des Skiclubs", berichtet Egon Geiges. Er hat mit anderen aus dem Skiclub Radolfzell an der Wiedereinweihung des Gedenksteins teilgenommen. Das erste Aufstellen: Der Gedenkstein ist erstmals 1950 in der Nähe des Unfallorts aufgestellt worden. Die Stadt Radolfzell hat die Bronzetafel mit Gravur bei der Württembergischen Metallwarenfabrik Geislingen an der Steige in Auftrag gegeben. Zur ersten Einweihungsfeier kam damals sogar der badische Staatspräsident Leo Wohleb, aus Radolfzell waren Bürgermeister Wilhelm Gohl und Stadtpfarrer Josef Zuber vertreten.