Die Kapitänsbinde wurde modifiziert und hat mit dem Regenbogen, der für die LGBTQI+-Gemeinschaft steht, nicht mehr viel zu tun. Foto: Gollnow/dpa

Homosexualität als geistiger Schaden – mit dieser Aussage in einer ZDF-Dokumentation hat der katarische WM-Botschafter Khalid Salman weltweit für Entsetzen gesorgt, auch im Kreis Rottweil. Nun äußert sich die Gruppe Feministisches Dorfgeflüster (FDG), der auch die Gleichberechtigung von LGBTQI+-Menschen wichtig ist, dazu.

Kreis Rottweil - Eine, die die Worte von Salman besonders wütend machen, ist Nina (Name von der Redaktion geändert). Sie kommt aus einer Rottweiler Kreisgemeinde, ist Teil von FDG und selbst homosexuell. "Die Aussage des offiziellen WM-Botschafters macht mich sehr betroffen, überrascht mich aber zugegebenermaßen in keinster Weise", sagt sie. Die homophoben Worte reihten sich in eine traurige und verheerende Liste von Menschenrechtsverletzungen ein. "Ich werde die WM auf jeden Fall boykottieren. Das habe ich jedoch schon lange vor dem inakzeptablen ZDF-Interview beschlossen", so Nina.

 

Ein schwieriger Schritt, denn die junge Frau ist ein großer Fußballfan und übt den Sport auch selbst aus. Sie bemängelt, dass es bei den Männern im Profi-Fußball immer noch recht wenige Outings gibt. Aussagen wie die des WM-Botschafters kürzlich seien derweil gefährlich und befeuerten die Stigmatisierung von Homosexuellen zusätzlich enorm. "An ein Outing ist jetzt und in naher Zukunft nicht zu denken", sagt sie über sich selbst.

Rege diskutiert

In der Gruppe Feministisches Dorfgeflüster wurde die Aussage des WM-Botschafters rege diskutiert, wie Mitglied Yvonne Hägle aus Beffendorf berichtet. Man verstehe zwar, dass in anderen Kulturen andere Sichtweisen, Traditionen und Normen bestünden. Allerdings bedeute das nicht, dass man diese auch unterstützen oder tolerieren müsse. "Viele von uns würden nie auch nur einen Fuß in eines der Länder setzen, die Frauen unterdrücken und Homosexualität bestrafen. Konversionstherapien sind beispielsweise nicht nur falsch, sondern auch gefährlich und mehr als nur traumatisierend."

FDG setze sich nicht nur für die Gleichberechtigung von Frauen ein, sondern auch für andere und mehrfach benachteiligte Gruppen. "Wir bilden Banden mit allen Menschen, unabhängig der sexuellen Orientierung, Hautfarbe, Alter oder sozialer Schicht, und versuchen gemeinsam laut zu werden", erklärt Hägle. Daher seien auch "LGBTQI+"-Menschen ein selbstverständlicher Bestandteil der Gruppe. "Mit unterschiedlichen Formaten, wie beispielsweise der wandernden Regenbogenflagge im Pride-Month haben wir uns bereits mit dem Thema auseinandergesetzt", so die Beffendorferin.

Eine Farce

Apropos Regenbogenflagge: Was sagt sie dazu, dass die deutsche Nationalmannschaft bei der WM in Katar nun nicht mit der Regenbogen-Kapitänsbinde, die für die "LGBTQI+"-Gemeinschaft steht, auflaufen wird? Für Yvonne Hägle ist das Ganze eine Farce und sehr problematisch, wie sie sagt. Im Sommer hätten Hunderte von deutschen Unternehmen ihre Firmenlogos in Regenbogenfarben getaucht, unter anderem auch der DFB. Auch Manuel Neuer habe die Regenbogenbinde getragen. "Und jetzt kuschen sie wieder vor der FIFA und Katar. Da frage ich mich, wie ernst man solche Zeichen überhaupt noch nehmen kann", findet Hägle.

Veraltet und falsch

Was nun die ZDF-Dokumentation angeht, so ist der FDG-Gruppe noch etwas Anderes sauer aufgestoßen: der Vergleich von Frauen mit Süßigkeiten, als es im Zusammenhang mit der Dokumentation um die Vollverschleierung ging. Das habe viele FDG-Mitglieder beschäftigt, sagt Hägle. "Wir verstehen nicht, wie solch veraltete und vor allem, objektiv betrachtet, falsche Aussagen wie Frau als Süßigkeit anstatt als Mensch mit Würde und fundamentalen Menschenrechten heute noch geäußert werden können und Gehör finden", drückt die Gruppe Unverständnis aus.

"Die Vision von FDG ist eine Welt, in der überall Respekt herrscht und in der die Wertschätzung von Vielfalt und die Teilhabe aller Menschen selbstverständlich sind", sagt sie. Umso wütender habe sie die Aussage des WM-Botschafters gemacht. "Doch obwohl wir wütend sind, ist es uns wichtig klarzustellen, dass wir diese Wut nicht gegen die Menschen in Katar oder gegen den Islam richten. Hier soll keine Verallgemeinerung stattfinden."

Boykottieren?

Was heißt das in der Folge? Sollte die WM in Katar boykottiert werden? "Das Statement von Salman und die Farce des FIFA-Weltverbands hat so viele Menschen, Freunde und Freundinnen zutiefst verletzt. So sehr ich den Sport und das Gemeinschaftsgefühl liebe, verzichte ich in diesem Jahr gerne darauf", sagt Yvonne Hägle dazu.