Der ukrainische Außenminister ruft wegen der Schokoladenlieferungen von Ritter Sport nach Russland zum Boykott auf. Nun hat der Schokoladenhersteller reagiert.
Ritter Sport will die Gewinne aus dem laufenden Russlandgeschäft an humanitäre Hilfsorganisationen spenden. Das kündigte der Waldenbucher Schokoladenhersteller am Mittwoch in einer Mitteilung in den sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook an. Zur Begründung heißt es: „Wir stellen uns unserer Verantwortung, die wir für unsere Mitarbeitenden sowie ihre Familien haben und für die Menschen in der Ukraine empfinden. Uns ist Verantwortungsbewusstsein wichtiger als Gewinn.“
Einen Lieferstopp gibt es bislang nicht
Das Unternehmen stellte in dem Post aber gleichzeitig klar, dass man weiterhin Schokolade für die russische Bevölkerung liefern werde, jedoch sämtliche Investitionen und Werbung in Russland seit einigen Wochen gestoppt habe.
Die Weiterbelieferung provoziert seit Tagen vor allem in den sozialen Netzwerken Kritik – besonders auch vonseiten der Ukraine. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rief auf Twitter zum Boykott von Ritter Sport auf und schrieb: „Hören Sie auf, Kriegsverbrechen zu finanzieren, Ritter Sport.“ Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, twitterte mit Anspielung auf den Werbeslogan von Ritter Sport: „Quadratisch. Praktisch. Blut. Trotz der Aggression gegen die Ukraine bleibt Ritter Sport in Russland. Viel Glück noch.“
Ritter Sport wolle die Jobs der Kakaobauern sichern, heißt es
Dass das Unternehmen selbst nicht damit rechnet, die Wogen zu glätten, teilte Ritter in dem Post selbst mit. „Wir sind uns bewusst, dass wir hiermit niemanden umstimmen werden. Uns ist es aber wichtig, unsere Beweggründe mit Euch offen und ehrlich zu teilen.“ Zu den Gründen, sich nicht aus dem russischen Markt zurückzuziehen, gibt Ritter Sport die Sicherung von Arbeitsplätzen in Deutschland sowie der Kakaobauern an.
Unternehmenssprecher Thomas Seeger beklagte auf Anfrage unserer Zeitung die Anfeindungen gegen das Familienunternehmen in den sozialen Netzwerken. „Es brechen gerade alle Dämme – über uns wird viel Hass ausgeschüttet. Dass sich auch Politiker einschalten, ist eine neue Dimension.“
Ein Kurswechsel bei der Lieferung nach Russland ist nicht ausgeschlossen
Seeger betonte die „Verantwortung für die Kakaobauern“. Bei einem Lieferstopp für Russland könnten „Tausende Tonnen Rohkakao“ nicht eingekauft werden – „dann müssten wir aktuell die komplette Produktion aus Nicaragua oder Ghana streichen“. Der Sprecher betonte auch, dass Ritter Sport die Situation permanent neu bewerte. Es sei nicht auszuschließen, dass die aktuelle Entscheidung überdacht werde.
In dem Post heißt es, dass das Unternehmen „die grausame Aggression der russischen Armee in der Ukraine aufs Schärfste verurteilt“. Ob das Wort „Krieg“ oder „Angriffskrieg“ bewusst vermieden wurde, konnte Seeger nicht sagen. Den Text habe das Social-Media-Team verfasst. In Russland ist es Medien verboten, von einem „Krieg“ zu sprechen. Staatsmedien sprechen meist von einer „Militäroperation“ oder „Sonderoperation“.
Auch andere deutsche Unternehmen sind weiterhin in Russland aktiv – und zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, dass sie auf diese Weise Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine finanzieren. Nur wenige wie etwa der Baumarktriese Obi haben den vollständigen Rückzug angekündigt. Die meisten haben ihre Geschäfte nur vorläufig eingestellt. Andere wie etwa der Gesundheitsdienstleister Fresenius halten bewusst am Russlandgeschäft fest und begründen dies mit der medizinischen Versorgung.
Bis zum Ausbruch des Ukraine-Kriegs waren laut dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) rund 3650 deutsche Firmen in Russland aktiv.
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Umsatz in Russland ist zuletzt gestiegen
Umsatz
Ritter Sport aus Waldenbuch erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 505 Millionen Euro. Jeder zweite Euro wurde im Ausland erzielt. Das Unternehmen beschäftigt 1650 Mitarbeiter.
Russland
Vor allem in Russland war der Marktanteil im vergangenen Jahr gestiegen. Er lag bei sieben Prozent. Am Gesamtumsatz von Ritter Sport machten die Russlandgeschäfte etwa zehn Prozent aus.