22. Juni 1938 im Yankee Stadium in New York: Joe Louis (re.) schlägt Max Schmeling in der ersten Runde k.o. Foto: Getty

Sein Weltrekord von 25 Titelverteidigungen hat bis heute Bestand. Und die Würdigungen zum Ehrentag von Joe Louis belegen: In der Erinnerung lebt der frühere Kontrahent von Max Schmeling weiter.

Sein Weltrekord von 25 Titelverteidigungen hat bis heute bestand. Und die Würdigungen zum Ehrentag von Joe Louis belegen: In der Erinnerung lebt der frühere Kontrahent von Max Schmeling weiter.

Frankfurt/Main - Welche Ironie der schändlichen Rassengeschichte im Schwergewichtsboxen: Als in Jack Johnson anno 1908 der erste Schwarze Champion wurde, war das weiße Amerika entsetzt. Blanker Hass schlug dem „Galveston Giant“ entgegen. Der Hüne aus Texas hatte in Sydney den Weltmeister Tommy Burns aus Kanada 14 Runden lang verprügelt und verhöhnt, bis die Polizei einschritt und den Kampf abbrach.

Der Schriftsteller Jack London formulierte am Ring für den „New York Herald“ den historischen Slogan von der „Weißen Hoffnung“, die diesem Nigger das Grinsen aus dem Gesicht schlägt. In den USA kam es zu Rassenkrawallen. 23 schwarze und zwei weiße Bürger kamen ums Leben.

Schwarzer stieg zum Liebling der Massen auf

Als 30 Jahre später Joe Louis als zweiter schwarzer Boxweltmeister aller Klassen den deutschen Herausforderer Max Schmeling aus dem Reich des Rassenwahns in der ersten Runde k.o. schlug, wurde „The Brown Bomber“ als Held des ganzen Amerika gefeiert. Ein Schwarzer stieg zum Liebling der Massen auf, auch der weißen, nach Jahrzehnten, in denen Idole wie Jack Dempsey oder Gene Tunney erklärt hatten, nie gegen einen „Neger“ als Herausforderer anzutreten.

Joe Louis war der erste „American Hero“ schwarzer Hautfarbe überhaupt und fand seine letzte Ruhestätte auch standesgemäß auf dem Nationalfriedhof in Virginia, dort, wo auch John F. Kennedy begraben liegt. „Mister President, ich bedanke mich, dass Sie Joe Louis in Arlington einen ehrenvollen Platz gegeben haben“, sagte Max Schmeling zu Ronald Reagan bei dessen Deutschland-Besuch 1982. Die Inschrift des massiven Grabsteins: „Joe Louis (Barrow) Technical Sergeant U.S. Army May 13. 1914 – April 12. 1981“. Auf den 13. Mai fällt also der 100.Geburtstag der ersten afroamerikanischen Ikone der Vereinigten Staaten.

Mit allen militärischen Ehren ließ Präsident Reagan den Boxchampion auf dem Heldenfriedhof bestatten. Louis hatte von 1941 bis Kriegsende in der Army als Symbolfigur gedient, über zwei Millionen Soldaten zwischen Truppeneinsätzen 96 Schaukämpfe geboten, über 100 000 Dollar den Hilfsfonds der Army und Navy gespendet und war im Rang eines Sergeant entlassen worden.

Dem „von der Politik am meisten vereinnahmten Boxkampf der Geschichte“, wie die englische Qualitätszeitung „The Guardian“ im Nachruf zum Tod Max Schmelings 2005 schrieb, verdankt Joe Louis seinen Heldenstatus in einer von Rassismus zerrissenen amerikanischen Gesellschaft. Es ging um weitaus mehr als um die Revanche des Amerikaners, der zwei Jahre zuvor von dem Deutschen sensationell in der zwölften Runde k. o. geschlagen worden war.

Kampf zum Kampf der Ideologien hochstilisiert

Das zweite Duell am 22. Juni 1938 vor 70 000 Zuschauern im New Yorker Yankee Stadium und 100 Millionen Zuhörern am Radio beiderseits des Atlantiks wurde am Vorabend des Zweiten Weltkriegs zum Kampf zweier Mächte hochstilisiert, zweier Ideologien: freies Amerika gegen Nazi-Deutschland. In der einen Ecke stand trotz der Rassendiskriminierung die Demokratie. Schwarze waren vom Nationalsport Baseball noch immer ausgeschlossen.

In der anderen Ecke standen Hitler-Diktatur und Judenverfolgung, obwohl Schmeling kein Nazi war. Während der Pogrome in Berlin versteckte er zwei jüdische Jungen in seiner Hotelsuite. An seinem jüdischen Manager Joe Jacobs hielt er fest. Dennoch wurde Schmeling von der NS-Propaganda vereinnahmt.

Wie auch Joe Louis von der amerikanischen. Präsident Franklin D. Roosevelt empfing den „Braunen Bomber“ im Weißen Haus, befühlte dessen Bizeps und schwadronierte: „Joe, wir brauchen Muskeln wie deine, um die Deutschen zu besiegen.“ Nach dem K.-o.-Sieg gegen Schmeling wurde Louis zum Vorzeige-Patrioten schlechthin, für Schwarze und Weiße gleichermaßen. Wendell Wilkie, der Kandidat der Republikaner, holte Joe Louis 1940 zum Wahlkampf gegen Präsident Roosevelt in sein Team.

Es braucht nicht den 100. Geburtstag, um diese Legende den Amerikanern in Erinnerung zu rufen. Die Viertelmeile auf der 7th Avenue zwischen der 32. und 33. Straße vor dem Madison Square Garden heißt Joe Louis Plaza. Das NHL-Eishockey-Team Detroit Red Wings spielt in der 1979 fertiggestellten Joe Louis Arena. Eine Bronzestatue des Namengebers in Boxkampfstellung erinnert daran, dass der in Alabama geborene Champion in der Autostadt aufgewachsen war und hier als Amateur und Golden-Gloves-Gewinner seine Karriere begonnen hatte.

Louis wurde am 22. Juni 1937 durch einen K.-o.-Sieg über James J. Braddock Weltmeister. Sein Weltrekord von 25 Titelverteidigungen hat noch heute bestand. Vor seinem Rücktritt als Weltmeister 1949 hatte ihn nur einer in seiner Karriere von 69 Kämpfen besiegt: Max Schmeling, in einem Nichttitelkampf. Beide wurden nach dem Krieg Freunde. Louis’ Comeback scheiterte zweimal.

1950 verlor er gegen Ezzard Charles nach Punkten, 1951 ging der mittlerweile 37 Jahre alte Ex-Champion gegen Rocky Marciano k.o. Obwohl Joe Louis nach Angaben der Box-Enzyklopädie „The Ring“ 4,4 Millionen Dollar eingenommen hatte, starb er verarmt mit 66 Jahren an einem Herzinfarkt.

Nur wer vergessen wird, ist tot, heißt es. Die Würdigungen zum 100. Geburtstag belegen: In der Erinnerung lebt Joe Louis weiter.