Mittelgewichtler Felix Sturm gewinnt den WM-Kampf in Stuttgart gegen Darren Barker dank seiner Schlagkraft – und gibt sich danach gewohnt großspurig.
Mittelgewichtler Felix Sturm gewinnt den WM-Kampf in Stuttgart gegen Darren Barker dank seiner Schlagkraft – und gibt sich danach gewohnt großspurig.
Stuttgart - Es war 1.13 Uhr in der Nacht zum Sonntag. In den Katakomben der Stuttgarter Porsche-Arena saß Felix Sturm (34) in der Pressekonferenz. Die Fragen prasselten auf ihn ein, als er sein Handy nahm, leicht ungläubig mit dem Kopf schüttelte und den glänzenden Gürtel fotografierte, der vor ihm auf dem Tisch lag. Es sah aus, als könnte der Mann mit den bosnischen Wurzeln, der einst Adnan Catic hieß, es selbst nicht glauben, dass er Geschichte geschrieben hat: Als erster deutscher Boxer ist er zum vierten Mal Weltmeister geworden. Doch diese fast kindliche Freude währte nur einen kurzen Moment. Dann schaltete Sturm wieder um auf den Angriffsmodus.
Der K.-o.-Sieg in der zweiten Runde über Darren Barker bot ihm eine willkommene Gelegenheit, um mit den Kritikern abzurechnen, die ihn nach etlichen Schwächen nicht mehr in der Weltklasse gesehen und ihm ein schnelles Ende der Karriere prophezeit hatten. „Es gibt in Deutschland ja viele Menschen, die sich für Boxexperten halten und mich schon abgeschrieben haben. Deshalb ist dieser Sieg für mich eine unglaubliche Genugtuung“, meinte Sturm, dem es an Selbstbewusstsein noch nie gefehlt hat. Das zeigte auch der Vergleich, den er danach noch zog: „Schmeling, Ali, Tyson – jeder große Champion hat in seiner Karriere mal eine schwierige Phase durchgemacht.“ Der Weltmeister der Worte schlägt wieder zu.
Allerdings gab es einen Unterschied zu früheren Auftritten. „Felix hat seinen großen Worten diesmal große Taten folgen lassen“, sagte Trainer Fritz Sdunek, für den es der 100. Sieg in einem WM-Kampf war. Tatsächlich gab es wohl selten zuvor einen Sturm in körperlich besserer Verfassung. „So explosiv, schlagstark und aggressiv war er noch nie“, meinte Sdunek, „und er hätte dieses Tempo zwölf Runden gehen können.“
Musste er aber nicht. Der Kampf, der bei Sat.1 auf 2,62 Millionen Zuschauer kam, war schon nach 5:09 Minuten vorbei. Nach zwei Niederschlägen in der zweiten Runde warf Barkers Coach Tony Sims das Handtuch. Der Engländer, von 500 Landsleuten in der rappelvollen Porsche-Arena stimmgewaltig unterstützt, konnte sich nicht mehr verteidigen. Wohl beim ersten Sturz auf den Boden war eine alte Hüftverletzung aufgebrochen. Barker (31) wurde sofort ins Krankenhaus gebracht. Diagnose: Der Titelverteidiger, der eine Börse in Höhe von 1,18 Millionen Euro kassierte, hat sich die Hüfte ausgerenkt. Bereits 2010 und 2011 musste er sich zwei Hüftoperationen unterziehen. „Ein Desaster. Ich glaube nicht, dass er noch einmal in den Ring zurückkehrt“, meinte Barkers Trainer Tony Sims. Und Promoter Eddie Hearn erklärte: „Er hat die Hüfte eines 75-Jährigen, doch das soll die Leistung von Felix Sturm nicht schmälern. Er wäre nur sehr schwer zu besiegen gewesen.“
Unwahrscheinlich ist, dass es zum Rückkampf in London kommen wird, den sich Barker für den Fall einer Niederlage hatte garantieren lassen – er muss zunächst wieder auf die Beine kommen. Weshalb sich die Frage stellt, wie es bei Sturm weitergeht? Erst mal ohne den Jojo-Effekt früherer Tage. Es bleibt bei Punchingball statt Pizza und Sparring statt Schokolade. „Die Niederlage gegen Soliman im Februar war der schlechteste Kampf meiner Karriere. Danach hat es Klick gemacht“, sagte Sturm, „ich habe mich körperlich, menschlich und mental total verändert. So wie ich mich jetzt fühle, liegen noch ein paar gute Jahre vor mir.“
Folglich müsste nun ja der optimale Zeitpunkt sein, um es mit den Top-Stars des Mittelgewichts aufzunehmen. Doch von einem Duell gegen den kasachischen WBA-Weltmeister Gennady Golowkin, der in Stuttgart lebt, oder WBC-Champion Sergio Martinez (Argentinien) will Sturm nichts wissen – trotz der Selbsteinschätzung, zu den Größten zu gehören. „Ich habe noch mit zwei, drei Kämpfern eine Rechnung offen, gegen die ich nicht gebracht habe, was ich bringen kann“, sagte er, um gewohnt großspurig anzufügen: „Ein Felix Sturm schreibt seine eigene Geschichte.“ Die Kapitel Golowkin und Martinez kommen darin nicht vor.