Marco Reus sitzt frustriert auf dem Boden. Mit der Leistung seiner Mannschaft ist er alles anders als zufrieden. Foto: dpa/Jan Woitas

Der Dortmunder Kapitän ärgert sich gewaltig über das 1:2 bei RB Leipzig und stellt die taktische Ausrichtung des Trainers Marco Rose infrage. Nach zwei bitteren Niederlagen hofft der Coach darauf, dass sich die Verletztenmisere bis zum Spiel gegen den VfB Stuttgart etwas entspannt.

Stuttgart - Der Fußballer Marco Reus ist bekannt dafür, dass seine Zündschnur nicht die längste ist. Also herrschte nach der bitteren 1:2-Niederlage seiner Dortmunder bei RB Leipzig mal wieder Explosionsgefahr. Den Treffer, den er erzielte, kommentierte der Offensivmann genervt mit dem Wort „scheißegal“. „Mich juckt das jetzt gar nicht“, meinte Reus, „mich regt einfach vielmehr auf, dass wir das Spiel verloren haben“.

Die etwas ungehaltene Art des Kapitäns spiegelt durchaus wider, wie sie sich gerade fühlen in Dortmund. Die Niederlage in Leipzig hat dazu geführt, dass die Gelb-Schwarzen im Titelkampf den Anschluss an den gegen Freiburg siegreichen FC Bayern verloren haben. Vier Punkte Rückstand haben die Dortmunder jetzt auf die Münchner. Und nichts lief so, wie es sich Reus gewünscht hatte. „Wir wussten vorher, dass Leipzig noch aggressiver ist als unter ihrem Ex-Trainer Julian Nagelsmann. Und wir haben es gar nicht angenommen. Das ärgert mich am meisten“, poltere Reus munter weiter, eingehüllt in eine dicke Winterjacke.

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Die fröstelnde Jahreszeit, sie hat begonnen – und mit ihr das große Wehklagen beim BVB. Sie haben Verletzte, wohin das Auge reicht. Am 20. November empfängt der Revierclub den ebenso dezimierten und vom Verletzungspech gebeutelten VfB Stuttgart. Das wird wohl ein Treffen zweier mit zahlreichen B-Spielern ausgestatteten Mannschaften werden. Über Sieg und Niederlage könnte entscheiden, welcher Trainer sich als der bessere Improvisationskünstler erweist: Marco Rose oder Pellegrino Matarazzo.

Wie für den VfB kommt auch für Borussia Dortmund die Länderspielpause wie gerufen. Erst das 1:3 in der Champions League gegen Ajax Amsterdam, jetzt das 1:2 in Leipzig – es ist ganz wichtig, dass Trainer und Mannschaft mal zur Ruhe kommen und innehalten. Zumindest könnte die Pause die Dortmunder vor einer weiteren absteigenden Tendenz bewahren. „Ich glaube, dass die Pause uns guttut. Ich weiß, an was wir gemessen werden“, sagte der Trainer Marco Rose mit Blick auf die hohen Erwartungen, die an ihn und seine Mannschaft gestellt werden. Über nichts anderes wird in der Reviermetropole zurzeit geredet als über die beiden Niederlagen in Folge. Dortmund sollte um den Titel kämpfen und mindestens die Gruppenphase im europäischen Wettbewerb überstehen. Alles andere ist nicht der Anspruch.

Haaland wird vermisst

Es sind neun Spieler, die Trainer Rose schmerzlich vermisst dieser Tage. Am schwersten wiegt der Ausfall des Sturmbrechers Erling Haaland, den zurzeit eine fiese Hüftbeugerverletzung zum Stammgast auf der Massagebank des Physiotherapeuten macht. Für ihn steht zwar Donyell Malen im Angriff, doch bei dem 30-Millionen-Mann ist in Dortmund der Knoten noch nicht geplatzt. Auf der anderen Seite zeigten die Leipziger Angreifer Christopher Nkunku und Yussuf Poulsen, wie man den Ball im Tor versenkt. Trocken, kaltschnäuzig, ausgebufft.

Dass sich die Dortmunder damit zurzeit schwertun, ist nicht allein auf die Verletztenmisere zurückzuführen, die weder Rose noch Reus als Entschuldigung gelten lassen wollen. Vielmehr hadert vor allem der Kapitän mit dem System, das der Coach seinen Männern verordnet hat. Mit vier Verteidigern spiele der BVB besser, so Reus, die Truppe sei dann in der Offensive aktiver und habe einen Mann mehr im Zentrum als mit der Fünferkette. Mit ihr käme die Mannschaft nicht wirklich klar, kritisierte der Angreifer die taktische Anordnung des Trainers. Als nach dem Seitenwechsel von Fünfer- auf Viererkette umgestellt wurde, lief es bei Dortmund tatsächlich runder. „Es ist keine Frage des Systems, die Diskussion erübrigt sich“, wiegelte der Trainer die Kritik seines wichtigsten Mannes lässig ab.

Unterirdische erste Hälfte

Warum der BVB in Leipzig eine unterirdische erste Halbzeit bot und erst nach der Umstellung im Spiel war, konnte allerdings auch Rose nicht erklären. Auf der anderen Seite feierte Leipzig endlich einen Sieg gegen einen großen Gegner – und nahm Trainer Jesse Marsch damit aus der Schusslinie. „Das war ein Befreiungsschlag. Wir haben uns endlich für die harte Arbeit belohnt“, sagte RB-Mittelfeldstratege Emil Forsberg.

Marco Reus hat da derweil bei seinem Club eine blitzsaubere Taktikdebatte entfacht. Vielleicht hilft ja die Pause, um die Dinge intern zu regeln und sich neu aufzustellen. Und es besteht die Hoffnung, dass sich der eine oder andere Rekonvaleszent wieder fit für einen Einsatz gegen Stuttgart fühlt. Neben Haaland waren in Leipzig unter anderem Leistungsträger wie Raphael Guerreiro, Emre Can, Giovanni Reyna und Mahmoud Dahoud nicht dabei. „Das spielt keine Rolle bei mir, denn sonst kann ich mir jede Woche etwas anderes suchen“, sagte Rose. Dass es derweil defensiv hakt bei den Dortmundern, lässt sich nicht von der Hand weisen. Mit 17 Gegentoren hat der BVB so viele wie kein anderes Spitzenteam kassiert, was nicht nur an den drei fehlenden Linksverteidigern liegen dürfte.

So war Marco Roses Besuch in seiner Geburtsstadt Leipzig letztendlich einer zum Vergessen – auch wenn sich das der Dortmunder Trainer bei Weitem nicht so anmerken ließ wie der manchmal doch sehr explosive Marco Reus.