Boris Palmer spricht bei der Kolpingsfamilie in Ergenzingen über Klimaschutz. Foto: Steinmetz

Klimaschutz kann wirtschaftlich sein. Tübingen ist ein Beispiel dafür: OB Boris Palmer berichtete im Adolph-Kolping-Saal in Ergenzingen vor rund 130 Besuchern, wie das funktioniert. Mancher wünscht sich auch in Rottenburg ein Umdenken.

Die Kolpingsfamilie hat Klimaschutz zu einem Schwerpunktthema gemacht. Der Vortragsabend am Dienstag mit dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer war die Auftaktveranstaltung. Welche machbaren Konzepte gibt es für den ländlichen Raum? Das war eine der Fragen, auf die sich Claudia Hofrichter, die rund 130 Besucher begrüßte, eine Antwort erhoffte.

Zug hat Verspätung

Palmer war etwas später gekommen – nicht seine Schuld. Der Zug war nicht pünktlich. Die zahlreichen Besucher warteten geduldig. Derweil mussten immer mehr Stühle aufgestellt werden. Klimaschutz interessiert. Oder lag es am populären Referenten? Jedenfalls wurden die zahlreichen Zuhörer nicht enttäuscht: Sie erwartete kein trockener Vortrag mit zu vielen langweiligen Zahlen oder Statistiken. Palmer stand vielmehr locker am Rednerpult, sprach ohne Vorlage die zeitlich vorgegebenen 40 Minuten höchst unterhaltsam. Patentrezepte, wie das Weltklima gerettet werden kann, hatte allerdings er nicht mitgebracht. Er erzählte stattdessen, „wie wir es in Tübingen machen“.

Die Erfolgsbilanz kann sich dort sehen lassen. Palmer hatte, wie er sagte, schon bei seiner Antrittsrede als OB den Klimaschutz an die erste Stelle gesetzt. 16 Jahre später sei der CO2-Ausstoß pro Kopf in der Stadt um mehr als 40 Prozent gesenkt worden. Bundesweit sei er in Angela Merkels Regierungszeit dagegen lediglich um acht Prozent zurückgegangen. Ein paar Seitenhiebe auf die Politik in Berlin konnte sich Palmer nicht verkneifen. Dass die Solaranlagen in Deutschland drastisch zurückgingen und damit eine Zukunftsindustrie aufgegeben wurde, schrieb er ebenfalls der Merkel-Regierung zu. „Ohne diese Bremsorgie hätten wir heute kein Problem mit dem russischen Gas“, fügte er hinzu.

Erneuerbare Energie

Der Anteil der erneuerbaren Energie in Tübingen lag 2011 gerade mal bei drei Prozent, heute sind es 75 Prozent. Das Ende der Fahnenstange ist damit noch lange nicht erreicht. 2028, so Palmer, soll die 100-Prozentmarke erreicht werden. Die Tübinger Stadtwerke hätten in der Region 15 Windrad-Projekte in der Planung, erklärte er, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Dass sich damit die Landschaft ändern wird, nimmt er in Kauf. „Wer ist dagegen“, fragte er in die Runde. Nur zwei Hände erhoben sich. In den 2030er-Jahren will Palmer sogar noch eine Schippe drauf legen, denn „wir brauchen auch Strom zum Heizen und Autofahren“.

Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien sei viel Kapital und Personal gebunden worden. „Wenn es Null auf Null aufgeht, muss ich es machen“, sagte Palmer. Es hat sich nun sogar aufgrund der hohen Strompreise ausgezahlt, während andere Werke in die Schieflage gerieten. Palmer: „Wenn man Geduld hat, ist Klimaschutz auch wirtschaftlich die richtige Entscheidung.“

Ausbau von Fernwärme

Um hier weiter voranzukommen, will Palmer in Tübingen die Fernwärme ausbauen. Auch da hat ein Umdenken stattgefunden. Handelte er sich noch Kritik ein, weil in Neubaugebieten Fernwärme vorgeschrieben wurde, so beschwerten sich inzwischen Leute, dass ihre Straße noch nicht ans Fernwärmenetz angebunden sei. Das Konzept sehe unter anderem vor, dass neben Solarthermie auch Wärme aus der Kläranlage gewonnen und ins Leitungsnetz eingespeist werde. Künftig solle ein Großteil der Kernstadt mit Fernwärme versorgt werden.

Was tun, damit auch in Rottenburg umgedacht werde?, fragte ein Zuhörer. Ideen gäbe es, beispielsweise Solaranlagen entlang der Autobahn zu bauen und dadurch gleichzeitig einen Lärmschutz zu installieren. Aber mit dieser Idee sei er bei seinen Anfragen in Stuttgart nicht gehört worden. Palmer, räumte ein, dass es ihm ähnlich ergangen sei. „Man kriegt nur Behördenquatsch auf den Tisch. Jeder schaut nach seinen eigenen Vorgaben“, ärgert er sich über die Bürokratie. Aber darüber wollte er nicht auch noch referieren.