Museum in Frankfurt würdigt Paul Bonatz und den Stuttgarter Hauptbahnhof.

Frankfurt - "Wir haben einfach Glück gehabt", sagt Peter Cachola Schmal. Der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt hatte "bei der Planung der Schau im Jahr 2006 fürwahr nicht damit gerechnet", mit einem umfassenden Blick auf das Werk von Paul Bonatz so viel Aufmerksamkeit zu erregen.

Ganz nebenbei, im Schatten der prächtigen Architekturmodelle und großformatigen Zeichnungen an den Wänden, von vielen Besuchern wohl unbeachtet, steht ein eher kleinformatiges Holzmodell. Es zeigt den Entwurf, den Christoph Ingenhoven für das Verkehrs- und Städtebauprojekt Stuttgart 21 gemacht hat, zeigt den Umbau des jetzigen Kopfbahnhofs in Stuttgart in einen Durchgangsbahnhof, zeigt den 1928 eröffneten Stuttgarter Hauptbahnhof von Paul Bonatz ohne seine Seitenflügel. Das Modell stammt nicht aus dem Büro Ingenhoven, es ist nachgebaut wie die meisten anderen Modelle in der Frankfurter Ausstellung. Es ist ein stiller Kommentar zur gegenwärtigen Stuttgarter Kontroverse, in die sich die Ausstellung nicht weiter einmischen will.

Stuttgarter Hauptbahnhof nimmt großen Teil der Ausstellung ein

Mit einem Augenzwinkern mag man das gleichfalls gezeigte Märklin-Modell Spur 0 aus dem Jahr 1930 wiederum als Kommentar zu Ingenhoven sehen. Ihm fehlen auch die Seitenflügel. Hat sich Ingenhoven an dem erstaunlich detaillierten Blechmodell orientiert? Natürlich nimmt der Stuttgarter Hauptbahnhof in der großen Paul-Bonatz-Ausstellung, die in Zusammenarbeit des Deutschen Architekturmuseums mit der Kunsthalle Tübingen entstanden ist, einen wichtigen Platz ein, ist er doch das Hauptwerk des 1877 in der Nähe von Metz zur Welt gekommenen Architekten. Mit ihm und an ihm hat er sich und seine Architektur entwickelt. Seine traditionalistischen Wurzeln, sein Faible für den Orient und seine mehr rationale, weniger emotionale Hinwendung zur Architektur der Moderne sind in die vom Wettbewerb 1910 bis zur Fertigstellung 1928 Arbeit daran eingeflossen.

Es ist wohl die Monumentalität des Entwurfs (von dem auch eine frühere "Babylon-Variante" zu sehen ist), die den Zugang zu Bonatz lange Jahre versperrt hat, ein Rekurs auf bauhistorische Vorbilder, wie er in dieser Deutlichkeit von den anderen Architekten an der Schwelle zur Moderne wie Hans Poelzig, Martin Elsaesser oder Peter Behrens, konsequenter abgelegt wurde. Und es war die gleichfalls zögerliche Haltung dem Nationalsozialismus gegenüber. Gerne hätte er damals Großes gebaut; sein Entwurf für das Oberkommando der Marine stand den Arbeiten Speers in nichts nach. Doch nahm man ihm übel, was man Mies van der Rohe nie nachtrug. Nicht auszudenken, wenn Mies mit seinen Bauvorschlägen bei den Nationalsozialisten Akzeptanz gefunden hätte und beauftragt worden wäre - die Baugeschichte hätte einen anderen Verlauf genommen. Immerhin, Bonatz verkämpfte sich für seinen jüdischen Assistenten, und er zog es vor, 1943 in der Türkei tätig zu werden.

Im Grund genommen verfolgte er mit seiner Arbeit in den späten 1930er Jahren die NS-Baudoktrin, die drei "Stilrichtungen" vorsah: monumentalen Klassizismus für Staats- und Parteibauten, traditionalistischen "Heimatstil" für Wohnungs- und Eigenheimbau sowie funktionalistische Moderne für Industrie- und Verkehrsbauten. Auch Letzteres beherrschte Paul Bonatz hervorragend. Brücken, Staustufen, ein Verwaltungsgebäude für Fichtel & Sachse, auch das Stuttgarter Inselbad entstanden in diesem Geist.

Bonatz hatte großen Einfluss auf Ingenieurbau

Dieser weniger bekannte "moderne Bonatz" ist in der Schau kaum weniger präsent als der Traditionalist. Bonatz' Autobahnbrücken in Köln oder am Drachensteiner Hang hatten großen Einfluss auf den Ingenieurbau. Und wenn die Ausstellung und der kenntnisreiche und üppig illustrierte Katalog der spannenden Rezeptionsgeschichte des Architekten nachspüren, dann erfährt man, dass der Hauptbahnhof sogar den Sakralbau inspirierte, denn einige Kirchen von Dominikus Böhm zeigen verblüffende formale Anklänge.

Was nicht in Büchern zu erleben ist, sind die Zeichnungen von des Meisters Hand, opulente, großformatige Blätter in wunderbarer Technik, wie sie sonst nur von Hans Poelzig oder Wilhelm Kreis bekannt sind. Gar an Piranesi wird man erinnert bei einem Entwurf zu einem "Rundbau" von 1937, einer Art Kolosseum, das er ungefragt als Alternative zu Speers Deutschem Stadion in Nürnberg vorlegte und das er nicht als Kritik, sondern als "Spiel" verstanden wissen wollte, "und ein Versuch, dem ich nicht widerstehen konnte".

Veranschaulicht werden Bonatz' Entwürfe durch eindrucksvolle Holzmodelle, die von Studenten der Universität Stuttgart (Lehrstuhl Arno Lederer) und der Universität Hannover (Lehrstuhl Zvonko Turkali) akribisch nachgebaut wurden, darunter das Wohnhaus Porsche in Stuttgart (in dessen Garage der Prototyp des Käfers entstand), der Zeppelinbau in Stuttgart (1928-31), das Kunstmuseum Basel (1931-36), eine Beamtensiedlung und die Staatsoper in Ankara (1946-48) oder die Brücken und Staustufen aus den 1920er und 1930er Jahren.

Mit der Schau, die zwar kein neues Licht auf den Architekten wirft, aber ein differenzierteres Bild ergibt, eröffnet das Deutsche Architekturmuseum nach einer umfassenden achtmonatigen Renovierung wieder seine Räume. Formal wieder zurückgeführt auf den Entwurf von Oswald Mathias Ungers und bau- und brandschutztechnisch auf der Höhe der Zeit.