Das Gebiet Wegscheide – die Zukunft für Häuslebauer in Villingendorf. Foto: Pfannes

Mag für Außenstehende das Prickeln fehlen, ist es für die Entscheidungsträger jedoch eine spannende Sache, das Aufstellen eines Flächennutzungsplans. Schließlich geht es darin um die Zukunft einer Gemeinde. Wie darf diese aussehen? Für Einwohner (Bauplätze) und für Betriebe (Gewerbegebiete).

Das Wörtchen „darf“ in oben stehender Zeile ist mit Bedacht gewählt. Denn über die Flächen der Zukunft entscheidet nicht die Gemeinde – im Fall des Gemeindeverwaltungsverbands Villingendorf die Gemeinden Villingendorf und Bösingen (mit Herrenzimmern) –, sondern gewisse Vorgaben aus Stuttgart, die dazwischengeschaltete Behörden wie Regierungspräsidium Freiburg und Landratsamt Rottweil umzusetzen haben.

 

So beschäftigt sich die Verbandsversammlung im Vorentwurf für die frühzeitige Beteiligung mit den Flächen für Bösingen und Villingendorf im Flächennutzungsplan 2037. Beide Gemeinden haben in der jüngeren Vergangenheit zusammen mit Ludger Große Schaumann (Ingenieur Landespflege, Waldenbuch) das Spannungsfeld zwischen Wunsch und Wirklichkeit ausgelotet.

Der ländliche Raum

Da beide Gemeinden bekannt dafür sind, dass sie der Wirklichkeit ins Auge blicken, wird nicht wie bei so manchen Kartenspielern das eigene Blatt überreizt, sondern die Verantwortlichen haben sich bemüht, mit realistischen Vorstellungen ins Rennen zu gehen.

Ein Schwerpunkt für Wohnbau in Bösingen soll in „Reutewiesen“ liegen. Foto: Pfannes

Dies ist einerseits deshalb zu erwähnen, da es zwar Vorschriften gibt, diese jedoch unterschiedlich streng ausgelegt werden können. Und andererseits ländliche Gemeinden, der ländliche Raum, für seine Weiterentwicklung – nicht nur gefühlt – einen Nachteil im Vergleich zu den Zentren des Landes haben.

Diverse Berechnungen

Um zu ermitteln, wie viele Hektar Land künftig Bau- oder Gewerbegebiet sein dürfen, hat der Planer – im Zusammenspiel mit Verwaltungsspitze und Gemeinderatsmitgliedern – diverse Berechnungen angestellt. Eine gewichtige Grundlage ist die Bevölkerungsentwicklung. Hier wurden die Jahre von 2012 bis 2022 unter die Lupe genommen und Entwicklungen weitergerechnet.

Sonderfall Gefängnis

Zu den sogenannten natürlichen Bewegungen (Geburten und Sterbefälle) kommen Wanderungsbewegungen. Seien es wegen der Attraktivität einer Gemeinde Zuzüge, seien es Asylsuchende oder Flüchtlinge, seien es Sonderfälle wie die Justizvollzugsanstalt Rottweil. Hier wird statistisch damit gerechnet, dass sich 70 Prozent des Personals in Rottweil nebst Ortsteile ansiedeln werden, jedoch jeweils 15 Prozent in Villingendorf und Bösingen.

Ja, die Enkelgrundstücke

Da das Land peinlich darauf bedacht zu sein scheint, sparsam mit der Ausweisung von künftigen Wohngebieten am Ortsrand umzugehen, dass vielmehr vermehrt Wert gelegt wird, sogenannte Baulücken innerorts zu schließen, diese jedoch als sogenannte Enkelgrundstücke (in Bösingen sind 65, in Herrenzimmern 34 registriert) selten einer Gemeinde zur Verfügung stehen, muss der eine oder andere Spagat gemeistert werden. (Nebenbei: Grün innerorts muss nicht verkehrt sein, wenn als Alternative größere Vierecke, „angepasst“ an die Umgebungsbebauung, eine Ortsmitte „zieren“).

Im „Büscheck“ bietet es sich an, den Ort trefflich mit Häusern abzurunden. Foto: Pfannes

Lange Rede, kurzer Sinn: Die Verbandsversammlung beschließt einstimmig, den Flächennutzungsplan 2037 aufzustellen nebst der frühzeitigen Beteiligung der Öffentlichkeit und der Träger öffentlicher Belange. Bürger und Behörden können also demnächst ihre Einwände und Anregungen platzieren.

Wo Wohnbau geplant ist

Während beim Wohnbau in Villingendorf das Gebiet Wegscheide (5,37 Hektar) Priorität genießt nebst drei Abrundungen im Nordosten (Baurain 2,34 Hektar, Hahnenburg 1,25 Hektar und Haldenäcker III 0,94 Hektar), sind es in Herrenzimmern Büscheck (2,65 Hektar), Laubteile Nord (2,53 Hektar) und Hochheim (1,0 Hektar) sowie in Bösingen Reutewiesen (2,2 Hektar) und prinzipiell, je nach Grunderwerb, Berg VI (3,04 Hektar), also das Premiumareal mitten im Ort.

Hektar und Einwohner

Insgesamt haben die Fachleute einen ermittelten Bauflächenbedarf von 10,88 Hektar in der Gemeinde Bösingen unter den Strich hingeschrieben, in Villingendorf sind es 11,42 Hektar. Dies deshalb, da ein Bevölkerungswachstum aus natürlichen Bewegungen und Wanderungen prognostiziert wird – von 6806 Personen (Ende 2022) auf 7299 (Ende 2037). Beide Gemeinden sind ja etwa gleich groß (3394 in Bösingen, 3412 in Villingendorf Ende 2022).

Flächen für Gewerbe

Beim Gewerbe will sich Bösingen auf das „Pfarrbrühl“ konzentrieren. Zu den bereits rechtswirksamen 3,31 Hektar sind im Flächennutzungsplanentwurf 2037 2,08 Hektar eingezeichnet. Hinzu kommen Reserveflächen in Bestandsgebieten in beiden Ortsteilen von 3,09 Hektar.

In Villingendorf steht das Gewerbegebiet Wasen im Zentrum. Zu „Wasen – 1. Erweiterung“ (bereits zum großen Teil rechtskräftig und 4,03 Hektar groß) kommt nun „Wasen – 2. Erweiterung“ 3,59 Hektar. Jenes liegt südlich der Autobahn, also auf der anderen Seite. Hinzu kommen Reserveflächen von 0,75 Hektar in „Wasen – 1. Erweiterung“.

Zwei Spezialfälle

Als Besonderheit sind außerdem zwei Sonderbauflächen registriert: eben erst behandelt 0,44 Hektar für ein Feuerwehrgerätehaus sowie aus der guten alten Zeit (als die derzeit sich im Gespräch befindlichen Anlagen mit einer Gesamthöhe von 260 Metern noch kein Thema waren, da nicht wirtschaftlich) die „Windenergieanlage am Hülbberg“ mit 1,11 Hektar.

Faktenbasierter Austausch

Nicht nur Verbandsvorsitzender Marcus Türk, Bürgermeister von Villingendorf, sondern explizit sein Stellvertreter, Peter Schuster, Bürgermeister von Bösingen, freut sich nach eigenen Worten auf einen „faktenbasierten Austausch mit übergeordneten Personen“. Und die interessierte Öffentlichkeit zeitnah auf Ergebnisse sowie entsprechende Reaktionen in der Verbandsversammlung.