Gespanntes Horchen, anmutiges Spiel: Dem Geschichts- und Kulturverein Herrenzimmern wird das Vergnügen zuteil, in Ettenheimmünster einem kleinen Orgelkonzert zu lauschen. Fotos: Pfannes Foto: Schwarzwälder Bote

Kultur: Sinfonien unterschiedlicher Art begleiten Abordnung des Geschichtsvereins bei Jahresausflug

Eine heitere Attitude verleiht dem Jahresausflug des Geschichts- und Kulturvereins Herrenzimmern etwas Schwebendes, als Haslach, Ettenheimmünster und Gengenbach ansteuert werden. Immer auf der Suche nach Spuren derer von Zimmern.

Bösingen-Herrenzimmern. Als die gesamte Gruppe in den Bänken in St. Landelin in Ettenheimmünster Platz genommen hat, ahnen die wenigsten in diesem Moment, welch außergewöhnlicher Kunstgenuss auf sie wartet.

Eingestimmt sind beide, die Damen und Herren aus Herrenzimmern, Rottweil, Villingendorf und Umgebung sowie die Silbermann-Orgel, auf die folgenden Momente, die viel zu schnell vergehen. Peter Auginski, Organist und Leiter des Kirchenchors Herrenzimmern, gibt ein kleines Konzert und lässt die Anwesenden auf bezaubernde Art in eine andere Epoche eintauchen. Silbermann-Orgel: Gottfried Silbermann gilt als bedeutender Orgelbauer der Barockzeit. Das Instrument in St. Landelin sei die einzige auf rechtsrheinischer Seite, die noch im Originalzustand erhalten sei, sagt Auginski. Linksrheinisch sei die Auswahl eine größere. Silbermann-Orgeln seien genau dem Kirchenraum angepasst, nicht zu laut, nicht zu leise, schwärmt der Fachmann. Und der Laie erfreut sich – am Klang, am Künstler und an der Auswahl der Stücke. Orgelkonzert: Die Zeit des Sonnenkönigs, Ludwig XIV. von Frankreich (1643-1715), gilt als klassische Epoche der französischen Orgelkunst. Auginski spielt sieben Kostproben aus dem "Livre d’orgue" (1710) von Louis-Nicolas Clérambault. Jede einige Minuten lang, doch zusammen gerade einmal das Ende einer Vesper. Damals, so erfahren die Zuhörer, haben Gottesdienste und Messen zwei, drei Stunden gedauert. Es existierte ein anderes Zeitverständnis, aber auch die Vorstellung, dass Christen während des Gottesdienstes nicht altern würden, merkte Karl Kimmich, Spiritus Rector des Geschichts- und Kulturvereins, federführend für die akribisch geplanten Fahrten mit wissenschaftlicher Note, an. Charakteristik: Die in der liturgischen Orgelmusik vorkommenden stilisierten Modetänze der damaligen Zeit könnten in heutiger Zeit Befremden auslösen, merkt Peter Auginski an. Doch die Menschen dachten einst anders. Sie folgten der seit dem Mittelalter herrschenden Vorstellung, dass die Engel im Himmel vor Gott musizieren und dort oben die beste Musik vortragen, die es gebe. Und jene sei nun mal im Zeitalter des Sonnenkönigs die Musik am Hofe von Versailles gewesen. Deshalb bei Clérambault Anklänge an Menuett, Sarabande oder Gigue.

Beim Vertiefen in die Klänge fällt es nicht schwer zu verstehen, dass Musik, einst einem freien Menschen würdig, seit der Antike zu den Septem artes liberales, den sieben freien Künsten, gehörte. Ein mindest gleich großes Vergnügen bereitet es, sich vorzustellen, wie schick gewandete Mitglieder des Vorstands des Herrenzimmerner Kulturvereins in Samthosen und Seidenstrümpfen sich anmutig und elegant zu Klängen eines Cembalos (ja, natürlich, ein Stilbruch, wenn eine Silbermann-Orgel den Kirchenraum füllt) zum Plaisir bewegen. Manieren: In heutigen Zeiten sind womöglich Tischmanieren übrig geblieben. Damals, in der Blütezeit der französischen Kultur, verschönerten Manieren Kleidung und Musik. Das Verschnörkelte war eben auf vielerlei Ebenen anzutreffen, wirft Peter Auginski einen Blick retour. Schönheiten: Eine anders geartete Sinfonie, eine ausschließlich in Dur hält die Natur parat – bei der Fahrt zu den Ausflugszielen. Eine Sinfonie in Grün und Gelb, mit Einsprengseln und Nuancen all der Farben, die ein sonniger Maientag so freigiebig verschenkt. Und an dem sich das wiederkäuende Fleckvieh gleichfalls, mit Abstand zur Straße, hie und da erfreut, unter Bäumen im Schatten liegend, Klee und Gras rupfend und malmend. Literarisches: Karl Kimmich hat in der Zimmerischen Chronik gelesen und studiert. Er weist darauf hin, dass nicht alle Passagen einer wissenschaftlichen Überprüfung standhalten würden. Deshalb die Unterscheidung in einen literarischen und einen geschichtlichen Teil. Ersterer sei immer wieder anzutreffen. Diese "Fake news" aus dem 16. Jahrhundert dienten wohl dem Zwecke, zu zeigen, dass die Herren von Zimmern – seit Heinrich III. (1046-1056) – allzeit auf der Seite des jeweiligen Kaisers standen. Kultur: Die Betonung liegt bei diesem Ausflug eindeutig auf dem Begriff Kultur. Geschichte bietet dieses Jahr den Rahmen, Gesang setzt das I-Tüpfelchen. Als vier Dutzend Stimmen Heinz Seifried, jahrelang federführender Mundschenk im Burgstüble, ein Geburtstagsständchen singen.