Historie: Blick in die 200-jährige Geschichte einer Bösinger Institution / Sogar einst Akt des Widerstands

Bösingen (hh). Die Heimatforscher und Hobbyhistoriker Karl Kimmich und Burkhart Schlesiger haben sich um die Aufarbeitung der Geschichte des Bösinger Kirchenchors, der 200 Jahre alt ist und derzeit 45 Mitglieder hat, verdient gemacht. Chorsprecher Matthias Maier blickte beim Festakt zurück.

Eine Helena im Jahre 1818

Die früheste Aufzeichnung über einen kirchlichen Chor in Bösingen findet sich in einem unveröffentlichten Manuskript des Oberlehrers Karl Schneider. Er schreibt über den Schulprovisor Martin Müller (1818 bis 1822): "Auch führte er den Volksgesang ein und errichtete einen Sängerchor." Fortan wurden in den Zeugnislisten unter der Spalte Bemerkungen die Zugehörigkeit zum Chor vermerkt. Erstmals bei einer Helena Schmee im Jahre 1818. Bei der Kirchenweihe am 24. Juni 1819 gab es einen Chor, der gesungen hat. Möglicherweise ist der Bau der Kirche, der 1817 begann, Anlass für die Chorgründung.

Der Cäcilienverband verzeichnet 1888: in Bösingen an Festtagen lateinische Messen und Vespern mit Hymnen und Antiphonen.

Da es nur wenige Vereine gab, war der Kirchenchor für viele eine Gelegenheit, abends fortzugehen und sich mit Leuten zu treffen, abseits der Feldarbeit. Zudem war es eine Ehre, im Kirchenchor singen zu dürfen, und die Leute baten, aufgenommen zu werden. Aus heutiger Sicht eine kaum vorstellbare Situation.

Lehrer leiten Chor

Auch im Krieg konnten die Festtage weiter mit dem Chor gesungen werden. Der Wegfall der Schulaufsicht des Pfarrers 1918 machte den Lehrer weniger angreifbar, doch immer noch übernahm der Lehrer die Leitung des Chors. Die Kirchenfeindlichkeit der NS-Ideologie kam nach und nach in den 30er-Jahren zum Vorschein; bald wurden die Gläubigen gegängelt und das Singen im Kirchenchor fast zum Akt des Widerstandes. Dennoch konnte während des Dritten Reiches der Kirchenchor fortbestehen, es war immer ein Lehrer bereit, die Leitung zu übernehmen.

Kein eingetragener Verein

Außerdem war der Kirchenchor, da er kein im Registergericht eingetragener Verein war und ist, nie von Gleichschaltung, Verbot oder anderen Zwangsmaßnahmen betroffen, er bestand einfach immer fort. Nach dem Krieg kamen die Lehrer weg, und somit war auch kein Dirigent mehr da. In diese Lücke sprang ein ortsansässiges musikalisches Multitalent, Wendelin Banholzer. Er leitete den Chor, bis ein weiterer Autodidakt aus dem Ort, Anton Bauer, den Stab übernahm. Nach Bauer kamen Richter, Frank, Gaus und Musikstudenten. Sie hatten teilweise einen anderen Anspruch an den Chor.

Doch es gab immer wieder große Ereignisse. So wurden neben den Festgottesdiensten gelegentlich Konzerte veranstaltet. Nicht zu vergessen: die Kirchenweihe 1983. Damals hatte noch keiner gedacht, dass nur fünf Jahre später mit der Marienkapelle nochmals eine Kirchenweihe in Bösingen sein sollte.

Dirigent gesucht

So erfolgreich diese Zeit war, für den Chor und vor allem für den Vorstand war es anstrengend, denn in diesen Jahren waren viele Dirigenten am Werk. In schneller Folge wechselten die Taktgeber, und die Hauptarbeit des Vorstands bestand darin, einen Dirigenten zu finden und zu halten. In dieser Situation kam der Rücktritt des ganzen Vorstands im Sommer 1987 ungelegen. So saßen nach der Verkündigung einige Leute aus dem Chor mit dem Präses, Pfarrer Lorenz Vescey, zusammen. Inge Löhle übernahm übergangsweise den Vorsitz, den sie heute noch inne hat.

Inge Löhle wird fündig

Sie zog durchs Dorf und suchte nach Sängern und vor allem jungen Sängerinnen, die den Chor stimmlich attraktiver machen sollten. Inge Löhle suchte nicht nur nach neuen Chormitgliedern, sondern nach einem ständigen Chorleiter.

Schließlich fragte sie einen jungen Rottweiler, also einen begabten Musiker. Es war Manfred Mink, der ein Jahr zuvor den Gesangsverein im Ort übernommen hatte. Er konnte sich vorstellen, übergangsweise den Verein auf das 175. Jubiläum vorzubereiten...