Die Handels-App der Börse Stuttgart erfährt nach der Insolvenz von FTX wachsenden Zuspruch. Digitalchef Ulli Spankowski erklärt, warum.
Die Börse Stuttgart hat trotz des Dramas um die Krypto-Börse FTX neue Kunden für ihre Krypto-Handels-App Bison gewonnen. „Wir haben die höchsten Zuwachszahlen seit April, weil das Angebot von Bison und der Börse Stuttgart Digital Exchange auf Vertrauen stößt. Die Probleme bei FTX haben uns tatsächlich Wachstum beschert“, sagte Ulli Spankowski, der Digitalchef der Gruppe Börse Stuttgart, unserer Zeitung. Konkrete Zahlen nannte er nicht, nach Angaben der Börse kamen seit Bekanntwerden der Probleme von FTX aber doppelt so viele Neukunden wie im späten Frühling.
Die Krypto-Börse FTX, die am 11. November Insolvenz anmeldete, ist auf den Bahamas registriert. Nach ihrer Pleite wurde bekannt, dass Kundengelder verschwunden sind – ob durch einen Hacker-Angriff, Veruntreuung durch die Betreiber oder beides, ist noch nicht ganz klar. Ähnliche Fälle hat es seit der Erfindung der ältesten Krypto-Währung Bitcoin immer wieder gegeben, angefangen mit der Pleite der ersten Krypto-Börse Mount Gox im Jahr 2014.
Die Ereignisse bei FTX, deren engster Führungszirkel um den 30-jährigen Gründer Sam Bankman-Fried die Geschäfte aus einer gemeinsamen Luxuswohnung auf den Bahamas geleitet haben soll, werfen ein Schlaglicht auf die Wildwest-Mentalität in Teilen der Branche.
In der EU werden Krypto-Dienstleister reguliert
„Die Idee von Krypto und Blockchain ist eine gute, aber Marktteilnehmer wie FTX machen das zunichte“, ärgert sich Spankowski. Man muss seine positive Grundeinschätzung nicht teilen: Krypto-Währungen sind allein schon wegen der heftigen Kursschwankungen eine hochriskante Anlageform. Besonders das Bitcoin-Netzwerk, die Blockchain, ist außerdem wegen seines hohen Energieverbrauchs heftig umstritten. Die EU-Kommission kündigte unlängst an, sie werde bis 2025 verschiedene Optionen prüfen, wie „die negativen Auswirkungen von Technologien im Krypto-Markt für das Klima gelindert“ werden könnten.
Auf der anderen Seite gibt es bereits energieeffizientere Weiterentwicklungen der Blockchain. Zahlreiche Unternehmen testen diese bereits für vollautomatische Abrechnungsprozesse, beispielsweise die Bezahlung von Waren unmittelbar nach der Lieferung. Wegen dieser Innovationspotenziale setzt die EU daher nicht auf Handelsverbote – wie sie in China erlassen wurden – sondern auf eine Regulierung des Krypto-Markts.
Börse Stuttgart legt Bestände gegenüber der Bafin offen
Schon heute benötigen in der EU Unternehmen, die für ihre Kunden Bitcoins und andere Krypto-Vermögenswerte verwahren – wie beispielsweise die Börse Stuttgart – eine Erlaubnis der Finanzaufsicht, in Deutschland ist das die Bafin.
Ihr melde die Börse Stuttgart „in regelmäßigen Abständen unterjährig unsere Bestände an verwahrten Krypto-Assets“, erläutert Spankowski. „Wenn Kundengelder an ein Schwesterunternehmen verschoben würden, wie das bei FTX geschehen ist, fiele das also frühzeitig auf.“ Zudem würden bei der hauseigenen Krypto-Verwahrgesellschaft Blocknox im Rahmen der Jahresabschlussprüfung die treuhänderisch verwahrten Krypto-Währungen geprüft.
Kampf gegen Geldwäsche
Krypto-Plattformen in der EU sind auch zu gewissen Vorkehrungen gegen Geldwäsche verpflichtet. Das schließt beispielsweise Geschäfte mit Kunden aus Ländern, die schwere Defizite bei der Bekämpfung von Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung aufweisen, aus. In ihrem jüngsten Rundschreiben zu diesem Thema verweist die Bafin auch auf die Finanzsanktionen, die gegen zahlreiche Unternehmen und Einzelpersonen in Russland verhängt wurden. Anders als bei Überweisungen über die Bitcoin-Blockchain, bei denen die persönliche Identität von Sender und Empfänger meistens unbekannt ist, müssen sich die Nutzer von Bison und Kunden anderer Krypto-Dienstleister in der EU bei der Registrierung ausweisen.
Darüber hinaus prüft die Börse Stuttgart auch die Herkunft der Coins, die über Bison gehandelt werden. Der Weg jeder virtuellen Münze lässt sich dank der auf der Blockchain gespeicherten Transaktionsgeschichte nämlich nachvollziehen. Insofern sei die Geldwäscheprävention hier einfacher als bei Bargeld, hebt Spankowski hervor: „Wenn Sie in Frankfurt am Bahnhof Wechselgeld für ihr Brötchen bekommen, weiß niemand, durch welche Hände das vorher gegangen ist im Bahnhofsviertel.“ Bei Blockchain-Zahlungen dagegen lassen sich beispielsweise anhand bestimmter Transaktionsmuster Geldwäsche-Verdachtsfälle identifizieren.
Ermittler melden Erfolge
Tatsächlich kommt die Strafverfolgung voran. So wurde im Februar in New York ein Hacker-Paar festgenommen, das 2016 fast 120 000 virtuelle Münzen von der Krypto-Börse Bitfinex gestohlen haben soll. Ihr Gesamtwert belief sich im Februar auf rund fünf Milliarden Dollar. Ein spektakulärer Ermittlungserfolg also – andererseits wäre diese Art von Verbrechen in Vor-Krypto-Zeiten gar nicht möglich gewesen.