Das IBM-Schulungszentrum ist im Gespräch als Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Foto: Schilling Foto: Schwarzwälder-Bote

Aufnahmestelle im IBM-Schulungszentrum: Herrenberg hat Forderungen / Land verhandelt mit Mieter und Eigentümer

Herrenberg. Noch ist nicht sicher, ob das IBM-Schulungszentrum in Herrenberg zur Landesaufnahmestelle (LEA) für Flüchtlinge wird. Vorsorglich sucht die Stadtverwaltung schon im Vorfeld das Gespräch mit dem Land. Unter gewissen Bedingungen wäre die Stadt aber grundsätzlich für die Einrichtung bereit.

Noch ist keine Entscheidungen gefallen über eine LEA vor den Toren der Gäustadt, etwas außerhalb in Richtung Nufringen. Die Verhandlungen zwischen dem Land, der IBM und dem Eigentümer der Liegenschaft, der Schweizer Fonds Real MGT, haben begonnen.

"Der Ausgang ist ungewiss", schreibt die Kommune in einer Pressemitteilung. Bei den Verhandlungen geht es um den Kauf oder um eine Mietnutzung. Die IBM hat einen laufenden Mietvertrag und nutzt den Komplex noch für Büros. Klar ist, dass für die Flüchtlingsunterbringung der Trakt umgebaut werden müsste. Es wäre die Aufgabe des Landes Baden-Württemberg, aus den Büros und Schulungsräumen Unterkünfte zu machen. Allerdings verfügt das IBM-Schulungszentrum, das 1983 eröffnet wurde, über eine großzügige Infrastruktur: In guten Zeiten hatten 1000 Mitarbeiter ihre Büros dort, bis zum Jahr 1994 konnten Besucher im eigenen Hotel übernachten und sich im dazugehörigen Hallenbad fit halten. Die Großküche samt Kantine war für bis zu 1200 Personen ausgelegt. Der Mietvertrag für die IBM soll noch bis zum Jahr 2016 laufen.

Gespräche für eine Folgenutzung in den vergangenen Monaten hätten gezeigt, so Herrenbergs Erster Bürgermeister Tobias Meigel, dass es eine große Herausforderung sei, für ein Gebäude in diesen Dimensionen einen Nutzer zu finden. "Der Wegzug des Unternehmens mit hochwertigen Arbeitsplätzen ist ein schmerzlicher Verlust für die Stadt", so Meigel.

Oberbürgermeister Thomas Sprißler betont: "Eine große Zahl von Flüchtlingen in einer Stadt unterzubringen, ist eine große Herausforderung, selbst für eine weltoffene und tolerante Stadt wie Herrenberg, die sich ihrer Verantwortung stellt. Es kommt vor allem darauf an, die Bedürfnisse, Sorgen, Nöte und Ängste beider Seiten zu hören und zu berücksichtigen – die der Flüchtlinge ebenso wie die der Bevölkerung. Wir möchten in Herrenberg die Chance ergreifen, die Rahmenbedingungen für diese große gesamtgesellschaftliche Aufgabe bei uns vor Ort mitzugestalten. Bereits heute wohnen in unserer Stadt 267 Flüchtlinge und werden oftmals erfolgreich integriert."

Gegenüber dem Land hat die Stadt erklärt, dass eine Flüchtlingsunterbringung dieser Größenordnung nur gemeinsam zu gestalten sei. Nur so wäre ein verträgliches Miteinander von Flüchtlingen und Bevölkerung zu erreichen.

Im Interesse der Menschen in Herrenberg und vor dem Hintergrund der Erfahrungen anderer LEA-Standorte hat die Stadt ihre Erwartungen in einem Brief auch an Integrationsministerin Bilkay Öney formuliert. Wichtigster Punkt hierbei ist die Größe der Einrichtung: 1000 Flüchtlinge – wie an anderen Standorten auch – soll dauerhaft die Größenordnung für die Regelbelegung sein, so die zentrale Forderung der Kommune und von Gemeinderat an das Land.

Die Belastung für Herrenberg mit seinen 30 000 Einwohnern müsse sich in einem Rahmen halten, der von der Stadt und der Bevölkerung verkraftet werden könne. So sei ein Sicherheitskonzept notwendig, das nicht nur auf die LEA begrenzt sei, sondern sich auf das gesamte Stadtgebiet erstrecken müsse.

In dem Schreiben an Ministerin Öney hat die Kommune einen Forderungskatalog aufgelistet. So soll die Nutzungsdauer ab Inbetriebnahme drei Jahre betragen, bei einer Verlängerung müsse mit der Stadt neu verhandelt werden.

Derzeit bleiben die Flüchtlingen vier bis sechs Wochen in einer LEA, dies soll auch für Herrenberg gelten. Außerdem entfalle mit der Einrichtung der LEA die Verpflichtung der Stadt weitere, zusätzliche Asylbewerber aufzunehmen. Auch soll die Zahl der untergebrachten Menschen auf die Unterbringungsquote des Landkreises Böblingen angerechnet werden.

Eine Landeserstaufnahmeeinrichtung in Herrenberg müsse ein Mindestmaß an Integration ermöglichen und das Land müsse dies durch ein entsprechendes Konzept sicherstellen. Dazu gehörten die organisatorischen Regelungen innerhalb der Einrichtung und die Vernetzung mit der Stadt.

Außerdem fordert die Stadt die Bildung eines Lenkungskreises mit allen Beteiligten und Betroffenen. Auch müsse vor Ort eine gute medizinische und psychologische Versorgung vorhanden sein, Bildungs- und Beschäftigungsangebote müssten gewährleistet sein und auch der Aufbau eines Netzwerks aus haupt- und ehrenamtlichen Unterstützern. Zusätzliche Sach- und Personalkosten in der Stadtverwaltung müssten vom Land übernommen werden.