Windkradft - wie gefährlich ist sie wirklich? Foto: Solarcomplex

Interview mit Arzt Michael Walter schlägt Wellen. Solarcomplex widerspricht. Ministerium meldet sich zu Wort.

Blumberg - Der Mediziner Michael Walter aus Riedböhringen hat in einem Interview vom 28. März in unserer Zeitung vor dem Hintergrund der geplanten Windkraftanlagen Auf der Länge vor Infraschall und deren gesundheitliche Folgen gewarnt. Walter berief sich dabei unter anderem auf Erkenntnisse der Gruppe "Ärzte für Immissionsschutz".

Für die Firma Solarcomplex aus Singen nimmt Vorstandsmitglied Bene Müller hierzu nun Stellung. Das Thema Infraschall werde von Windkraftgegnern bewusst genutzt, um Menschen zu verunsichern, schreibt Bene Müller. Die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg stelle zu den diversen Behauptungen gezielte Recherchen an und veröffentliche diese auch. Wer an einer "verantwortungsbewussten Betrachtung" des Themas, so drückt Müller es aus, interessiert sei, könne und dürfe dies nicht übersehen.

Unternehmen spricht von Falschaussagen

"Herr Walter ignoriert die dort veröffentlichten Erkenntnisse und so finden sich im Interview eine ganze Reihe längst widerlegter Falschaussagen", heißt es in der Stellungnahme. Es sei mitnichten so, dass in Großbritannien ein Mindestabstand von 3000 Metern zwischen Windkraftanlagen und Wohngebäuden gelte. Es gebe dort überhaupt keinen gesetzlich fixierten Mindestabstand.

Es sei falsch, dass in Dänemark Nerze durch Windkraft gestorben oder aggressiv geworden seien. Ein deutscher Zeitungsartikel, der dies im Jahr 2015 behauptet habe, "wurde vom dänischen Kompetenzzentrum Landwirtschaft und Pelztiere ebenso klar dementiert wie von der dänischen Botschaft in Berlin." Es gebe dort überhaupt keine Erkenntnisse über negative Auswirkungen auf die Nerzzucht.

Keine Belege für negative Auswirkungen?

Ebenso sei es falsch, dass in Dänemark aufgrund von Infraschall-Bedenken der Windkraftausbau eingestellt werde. Das dänische Ministerium für Klima, Energie und Bau sage klar, dass es keine Belege für negative Auswirkungen von Infraschall gebe, und dass der Ausbau während der langfristig angelegten Studie zum Thema weitergehe. In einem Ausbauplan der Windenergie bis in das Jahr 2020 lasse Dänemark keinen Zweifel daran, "dass das Land die energiepolitische Zukunft in der Windenergie sieht".

Es gebe keine Windturbinen-Krankheit oder ein Windturbinen-Syndrom. Die "Studie", die eine Amerikanerin aufgrund von 23 telefonischen Befragungen erstellt habe, werde in der Fachwelt nicht anerkannt. "Sie wurde ohne medizinische Untersuchungen oder Schallmessungen in die Welt gesetzt" und genüge keinerlei wissenschaftlichen Anforderungen.

Dennoch werde sie seit mehr als einem Jahrzehnt von interessierten Kreisen immer wieder aus der Schublade geholt. Hier werde wider besseres Wissen Angst geschürt. "Luftdruckschwankungen unterhalb der Hörschwelle sind etwas völlig Normales, was uns auch in unserem Alltag umgibt" von Autos oder Kühlschränken. Infraschall gebe es auch in der Meeresbrandung – wäre Infraschall derart schädlich, wie es Teile der Windkraftgegner behaupteten, müssten Millionen von Menschen an Meeresküsten längst irre geworden sein.

Weitere Informationen: www.lubw.baden-wuerttemberg.de/erneuerbare-energien/faq-fragen-und-antworten

Gefahren der Windkraft: Das meint das Ministerium

Blumberg - Das Interview mit dem Blumberger Mediziner Michael Walter zum Thema Windpark Länge schlägt Wellen bis nach Stuttgart.

Aus der Pressestelle des Landesumweltministeriums meldete sich Frank Lorho mit Informationen, die das Ministerium auf seiner Homepage veröffentlicht hat. Auf die Frage, ob Infraschallemissionen der Windkraftanlagen die Gesundheit gefährden können, steht dort zunächst, dass Windenergieanlagen wie auch Klimaanlagen, der Straßenverkehr, aber auch Wellengang oder Gewitter Infraschall erzeugten. Dafür seien besonders die am Ende der Rotorblätter verursachten Wirbelablösungen sowie weitere Verwirbelungen an Kanten, Spalten und Verstrebungen verantwortlich.

Aussagen des Mediziners bestätigt

Dann bestätigt das Ministerium Aussagen des Mediziners Michael Walter über negative Auswirkungen: "Laboruntersuchungen über Einwirkungen durch Infraschall weisen nach, dass hohe Intensitäten oberhalb der Wahrnehmungsschwelle ermüdend und konzentrationsmindernd wirken und die Leistungsfähigkeit beeinflussen können." Auch das Gleichgewicht könne beeinträchtigt werden.

Der Arzt Michael Walter hatte auch den tieferen Schallbereich von acht bis 20 Hertz sowie den nicht mehr unmittelbar wahrzunehmenden Infraschall unterhalb von acht Hertz als problematisch genannt. Auf der Internetseite des Ministeriums heißt es hierzu: Bei tieffrequentem Schall seien solche Wirkungen jedoch weit entfernt. Infraschall oberhalb der Wahrnehmungsschwelle des Menschen kann zu Störungen und Belästigungen führen und ist unzulässig. Liegen die Pegel des Infraschalls unterhalb der Wahrnehmungsschwelle, sind Belästigungseffekte nicht zu erwarten.

Für sonstige Effekte, über die gelegentlich berichtet werde, gebe es bislang keine wissenschaftlichen Belege.

Mit zunehmender Entfernung nimmt der Infraschall an Stärke ab. Messungen – wie beispielsweise von der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg im Projekt "Tieffrequente Geräusche und Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen" – zeigen, dass die Wahrnehmungsschwelle bereits in der Umgebung von Windenergieanlagen unterschritten wird. Fazit: "Nach heutigem Stand der Wissenschaft sind schädliche Wirkungen durch Infraschall bei Windenergieanlagen nicht zu erwarten."

Betroffene sehen das meist anders

Unmittelbar betroffene Menschen erleben dies offenbar anders. Als Mitglieder des Petitionsausschusses am 12. März in Donaueschingen tagten, meldete sich auch Stefan Wiethaler aus Pfullendorf zu Wort. Er wohne im Teilort Hilpensberg, wo im Frühjahr 2017 ein Windpark mit drei Windkraftanlagen in Betrieb ging. Wiethaler sprach von massiven gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Was ihm vor allem zu schaffen mache: Das Ganze sei nicht "fassbar".

Die 2000 gegründete Solarcomplex AG in Singen verfolgt nach eigenen Angaben das Ziel, die Bodenseeregion zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Im Mai 2017 nahm die Firma bei Tengen mit dem Windpark Verenfohren die ersten drei Anlagen im Landkreis Konstanz ans Netz. Auf der Länge will Solarcomplex auf Hüfinger und Donaueschinger Gemarkung sieben Windräder bauen. Dafür wurden 8,9 Hektar gerodet, davon 7,5 Hektar dauerhaft und 1,4 Hektar temporär, die 1,4 Hektar hiervon müssen innerhalb von drei Jahren wieder aufgeforstet werden.