Längst hat die Lehrerin die Strafarbeit wegen eines Gesprächs auf Türkisch zurückgezogen, doch der Fall schlägt weiter hohe Wellen. Auch Juristen sind eingeschaltet. Foto: Gollnow

Jurist der Schulbehörde prüft Lehrerverhalten. Anwalt der Familie will notfalls vor Gericht gehen.

Blumberg - Der Fall der Blumberger Drittklässlerin, die einen Aufsatz schreiben musste, weil sie im Schulhof mit einer Freundin Türkisch sprach, geht weiter.

"Der zuständige Jurist der Schulaufsicht bearbeitet den Widerspruch der Eltern durch deren Anwalt und prüft, ob ein rechtswidriges Verhalten der Lehrkraft vorliegt", teilte das Regierungspräsidium Freiburg auf Anfrage mit. Der Heidelberger Anwalt Yalcin Tekinoglu, der die Familie vertritt, sagte auf Anfrage: "Wenn der Widerspruch keinen Erfolg haben sollte, sind wir gewillt, die Sache vor dem Verwaltungsgericht Freiburg klären zu lassen."

Gibt es die Regel, Deutsch zu sprechen?

Der Vorfall hatte sich am 8. Juli in der Blumberger Eichbergschule ereignet. Die Schulbehörde beim Regierungspräsidium Freiburg hatte vorige Woche zusammen mit dem Staatlichen Schulamt Donaueschingen mitgeteilt, dass an der Grundschule vereinbart wurde, Deutsch zu sprechen, weil 43 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund hätten. Dies, so hieß es, sei keine Vorschrift, sondern eine Regel, die jedes Schuljahr zwischen den Lehrern und und Schülern vereinbart würde. Und diese Regel werde auch an Elternabenden vorgestellt und erklärt. Die Lehrerin habe bereits einen Tag nach dem Vorfall in einem Telefonat mit der Mutter auf die Strafarbeit verzichtet.

Auf die Frage, ob das Mädchen auch einen Aufsatz schreiben müsse, wenn es mit seiner Freundin Englisch gesprochen hätte, lautete die Antwort Ja, weil die Klassenregel besage, "Wir sprechen Deutsch in der Schule".

Der Anwalt will sich damit nicht zufrieden geben. Die Stellungnahme der Schulbehörde, die ihm noch gar nicht vorliege, sei nach Aussagen der Eltern unrichtig. Die Eltern seien an den Elternabenden, bei denen die Regeln nach Aussage der Schulbehörde angesprochen und erklärt wurden, dabei gewesen. An der Schule gebe es Regeln wie, man dürfe nicht schreiben oder schimpfen, aber keine Regel, wonach man Deutsch sprechen müsse. Vom Elternbeirat habe er die Information, dass die Aussage der Schulbehörde "so nicht stimmt". Wenn es so wäre, dass man an der Schule Deutsch spreche, "müsste es einen Beschluss der Schulkonferenz geben". Bisher sei ihm ein solcher Beschluss nicht vorgelegt worden.

Eichbergschule kein Einzelfall

Für den Anwalt ist das Verhalten der Lehrerin, die der Drittklässlerin den Aufsatz vorgegeben hat, grundgesetzwidrig. Dafür sei ein Parlamentsbeschluss nötig, sagt er. Wobei Anwalt Yalcin Tekinoglu unterscheidet zwischen dem schulisch-erzieherischen Bereich, in dem Deutsch gesprochen werden sollte, und dem privaten Bereich, in dem ein Kind auch seine Muttersprache sprechen dürfe, so Tekinoglu. Bestärkt in seiner Auffassung sieht sich der Anwalt durch eine Antwort des Kultusministeriums der Stuttgarter Landesregierung von 2017 auf eine Anfrage der AfD-Fraktion. Dem Ministerium, so heißt es, sei keine Schule in Baden-Württemberg bekannt, an der Deutsch als Umgangssprache vorgeschrieben werde. Und das Ministerium habe auch nicht die Absicht, den Schulen dies zu empfehlen. Die Begründung lautet: "Eine differenzierte Sprachbeherrschung des Deutschen wird durch den schulischen Unterricht sowohl für Muttersprachler als auch für Kinder und Jugendliche, die eine andere Herkunftssprache mitbringen, verwirklicht."

Wie sieht es an den anderen Grundschulen in der Gesamtstadt aus, wie erlebt die Gesamtelternbeiratsvorsitzende die Situation? Bei einer Umfrage unter Schulen zeigte sich, dass die Blumberger Eichbergschule kein Einzelfall ist. Auch an anderen drei Grundschulen in den Stadtteilen Riedböhringen, Riedöschingen und Fützen wird das mit Deutsch als Umgangssprache so gehandhabt, teilte Rektorin Angelika Sitte mit, die derzeit noch alle drei Schulen leitet.

Rektorin von Vorfall erstaunt

"Wir verlangen von den Kindern, dass sie Deutsch sprechen, damit sie Deutsch lernen, und haben das auch mit den Eltern ganz klar abgesprochen", sagte Angelika Sitte auf Anfrage. Und sie fügte hinzu: "Die Eltern sehen das auch ein und stehen hinter uns." Und "dazu gehören auch der Pausenhof und die Pause dazu." Den Eltern sei es wichtig, dass die Kinder hier Deutsch lernen, nur so gelinge Integration. In Riedöschingen hätten sieben von 48 der Jungen und Mädchen einen Migrationshintergrund.

Der Vorfall an der Eichbergschule hat die Rektorin nach eigenen Aussagen erstaunt. Es sei nicht wünschenswert, "dass man gleich mit dem Anwalt kommt." Da wünsche man sich eine andere Art der Kommunikation.

Der Elternbeiratsvorsitzende der Eichbergschule, Marcus Reifenstahl, teilte auf Anfrage mit: Er habe keinen Kontakt zum Anwalt der Familie gehabt. Der ganze Vorgang sei bisher auch sonst von keiner Seite an den Elternbeirat herangetragen worden. Zu dem Thema selbst wolle er sich daher nicht äußern.

Die Blumberger Gesamtelternbeiratsvorsitzende Petra Wölfle kennt die Regeln mit dem Deutsch sprechen an der Eichbergschule schon aus der Zeit, als ihre mittlerweile bald erwachsenen Kinder noch die Grundschule besucht hätten. Im Normalfall, so erklärt sie auf Anfrage, würden sich Eltern, deren Kind Probleme mit einem Lehrer habe, an den Klassenelternbeirat wenden. Helfe dies nicht weiter, "wende ich mich an den Elternbeiratsvorsitzenden", und wenn dann immer noch etwas zu klären sei, wende man sich an den oder an die Gesamtelternbeiratsvorsitzenden. Sie selbst, so erklärt Petra Wölfle, habe von dem Vorfall erst aus der Zeitung erfahren.