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Umwelt: Neues Baurecht greift im Baugebiet Kirchberg II / Häuslebauer sollen auch an Natur denken

Da wächst kein Gras mehr: Schotterflächen, auch Gärten des Grauens genannt, kommen immer mehr in Verruf. Jetzt kocht das Thema in Blumberg hoch und schlägt Wellen.

Blumberg (hon). Kirchberg II in Hondingen wird das erste Baugebiet in der Raumschaft sein, in dem ein neuer Paragraf der Landesbauordnung greift. Danach werden Schottergärten auf den 15 Baugrundstücken verboten sein.

Als der Gemeinderat im September vergangenen Jahres den Bebauungsplanentwurf diskutierte, da konnte sich das Gremium nicht dazu durchringen, eigene Regeln aufzustellen, um Steinwüsten in Vorgärten zu verhindern.

Doch bei der sogenannten Offenlage, einem wichtigen Verfahrensschritt beim Aufstellen des Regelwerks, fiel dem Baurechts- und Naturschutzamt des Landkreises auf, dass entsprechende Paragrafen fehlen. Das wurde jetzt im überarbeiteten Bebauungsplanentwurf nachgeholt, den der Gemeinderat bei seiner jüngsten Sitzung auch so verabschiedet hat. Danach müssen 40 Prozent der nicht überbauten Flächen Grünanlagen sein.

Ausdrücklich wird festgelegt: "Schotter- und Steingartenflächen sind unzulässig." Daneben wird vorgeschrieben, die Freiflächen mit heimischen Bäumen und Sträuchern zu bepflanzen. So soll der Verlust an Vegetationsflächen im Baugebiet kompensiert werden. Und je Privatgrundstück ist pro angefangener 500 Quadratmeter Grundstücksgröße mindestens ein großkroniger Laubbaum zu pflanzen "und dauerhaft zu erhalten".

Was sagen die Blumberger Parteien zu der neuen Rechtslage? Freie Liste, FDP und SPD begrüßen sie, die CDU äußerte sich eher skeptisch (siehe Zitate). Stadtbaumeister Uwe Veith hat in den städtischen Neubaugebieten und denen in den Ortsteilen bislang kaum Schottergärten entdeckt, wie er auf Nachfrage sagt. Selig erkundigte sich in der jüngsten Ratssitzung bei Bürgermeister Markus Keller, ob die Stadt die Möglichkeit habe, die neuen grünordnerischen Regeln zu umgehen. Er antwortete mit einem klaren "Nein" – denn höherrangiges Recht (Landesbauordnung) bricht niederrangiges Recht (Bebauungsplan).

Gerhard Bronner, Landeschef des Nabu (Naturschutzbund) Baden Württemberg und in der Region vor allem als Chef des Umweltbüros Donaueschingen bekannt, hat zu dem Thema eine klare Meinung: "Trotz der breiten gesellschaftlichen Diskussionen um den Klimawandel und dem Rückgang der Insekten fehlt in vielen Kommunen noch der Handlungswille, ganz konkret gegen die Verschotterung der Vorgärten vorzugehen. Wir erwarten von den Städten und Gemeinden die Beachtung und Durchsetzung der Landesbauordnung, nach der Schottergärten nicht zulässig sind."

Die große Beliebtheit der Schottergärten liegt unter anderem daran, dass viele Menschen glauben, der Pflegeaufwand sei gering. Aber: Unerwünschte Unkräuter wachsen nicht vom Erdmittelpunkt an die Oberfläche, sondern versamen und breiten sich beispielsweise über die Luft aus. Außerdem sammeln sich Blütenstaub, Laub und anderes organisches Material im Laufe der Zeit zwischen den Steinen an. Die mit dem Wind oder von Vögeln transportierten Samen können zwischen den Steinen ungestört keimen und sich entwickeln. Die intensive Pflege mit viel Jätarbeit beginnt ein paar Jahre, nachdem der Schottergarten angelegt wurde. Das Jäten auf Schotterflächen gilt als sehr mühsam, und in Privatgärten dürfen Unkrautvernichtungsmittel (Herbiziden) nicht eingesetzt werden.

Wichtige Lebensräume

Gegen Schottergärten spricht außerdem, dass Gärten für viele Wildtiere, darunter Vögel, Schmetterlinge, Igel, Bienen und Hummeln, wichtige Lebensräume sind. Denn sie bieten – im Idealfall – Nahrung und Unterschlupf. Deshalb sind laut Nabu naturnahe, strukturreiche Gärten besonders wichtig. Steingärten bieten höchstens Mauerasseln einen Unterschlupf. Hinzu kommt, dass Schottergärten sich im Sommer stärker aufheizen als naturnahe Gärten. Die in den Steinen gespeicherte Wärme wird über Nacht abgegeben und wirkt so der erfrischenden Abkühlung entgegen. Der Boden kann kein Wasser speichern und es fehlen große Pflanzen, die Schatten spenden.

Müssen die Bauherren in Hondingen damit rechnen, von Mitarbeitern des Landratsamts kontrolliert zu werden, sobald ihr Eigenheim fertiggestellt ist? Zumal die Baurechtsbehörde den Neubau ja auch abnimmt? Und welche Sanktionsmöglichkeiten hat die Kreisverwaltung, wenn gegen die "grünordnerischen" Regeln verstoßen wird? Diese Fragen konnte das Landratsamt gestern nicht beantworten, die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit war in Sachen Coronavirus voll ausgelastet.

Doch die Erfahrung zeigt: Wo kein Kläger, da kein Angeklagter. Sprich: In der Regel ist es so, dass eine Behörde erst dann aktiv wird, wenn sie von einem Dritten auf einen Missstand hingewiesen wurde. Für flächendeckene und regelmäßigen Kontrollen dürfte es der Kreisverwaltung auch an Mitarbeitern fehlen.