Keine Ruhe an der Abwasserfront. Jetzt stellte sich heraus, dass die Verwaltung Widerspruchsverfahren mit Erstattungen und Nachzahlungen finanziell abwickelte, die schon seit Jahren vom Landratsamt eingestellt waren. Foto: Limberger-Andris Foto: Schwarzwälder-Bote

Erstattungen und Nachzahlungen beim Abwasser ohne Grundlage / Verfahren waren schon seit Jahren eingestellt

Von Achim Stiller

Blumberg. Die Stadt Blumberg hat Abwassergebühren erstattet beziehungsweise nachgefordert in Widerspruchsverfahren, die seit Jahren eingestellt waren.

Es geht um ein Volumen von rund 60 000 Euro an bereits geleisteten Erstattungen an Bürger, beziehungsweise Nachzahlungen von Bürgern an die Stadt. Diese, so Bürgermeister Markus Keller gegenüber dem Schwarzwälder Boten, sollen nun rückabgewickelt werden. Die betroffenen Bürger würden demnächst Post von der Verwaltung erhalten. Das heißt im Klartext, dass jene, die nachgezahlt haben, ihr Geld zurückerhalten. Von jenen, die von der Stadt Erstattungen erhalten haben, soll das Geld zurückgefordert werden.

Die Vorgeschichte: Am 19. Februar hatten wir an gleicher Stelle darüber berichtet, dass etliche Bürger Post von der Stadtverwaltung erhalten hatten. Es waren Widersprecher in Sachen Abwasser aus den Jahren 1994 bis 2009. Auslöser war ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim, nachdem die Abwassergebühren getrennt nach Schmutzwasser und Niederschlagswasser erhoben werden müssen. Wer gegen seine Abwassergebühren in Widerspruch gegen die Stadt gegangen war, hatte somit recht. Folglich erarbeitete die Stadt eine neue Satzung (gesplittete Abwassergebühr) und musste natürlich auch die anhängigen Widerspruchsverfahren abschließen. Das bedeutete, die Fälle auf der Grundlage der neuen Satzung berechnen, immerhin hunderte. Das konnte laut Verwaltungsschreiben Erstattung bedeuten, aber auch Nachzahlung.

Die betroffenen Bürger hatten die Wahl: Widersprüche einstellen oder weiterführen? Sie konnten sich vor einer Entscheidung aber auch im Rathaus ausrechnen lassen, ob sie etwas bekommen, oder zahlen müssten. Etliche nahmen ihre Widersprüche zurück. Wer etwas erstattet bekam, war meist zufrieden. Wer nachzahlen sollte, tat’s oder monierte dies. Allen voran der Kritiker Dietrich Kuntz, der keine Rechtsgrundlage dafür sah.

Rechtsaufsicht des Kreises meldete sich

Seitens der Verwaltung hatte es hingegen geheißen, dieses Vorgehen sei rechtlich geprüft und abgesichert. Offenbar nicht, denn im Dezember 2007 waren Widerspruchsverfahren für die Jahre 1996 bis 2000 sowie im August 2008 für die Jahre 2001 bis 2004, in denen die Stadt Blumberg die Verfahrensherrschaft an das Landratsamt abgegeben hatte, von der Kreisbehörde eingestellt worden. Für Rückerstattungen oder Nachzahlungsforderungen gab es also tatsächlich keine Rechtsgrundlage mehr.

Der Fall sei ärgerlich hoch zehn, sagt Bürgermeister Markus Keller, zumal die Sache ohnehin schon verworren sei. Er verteidigt die städtische Vorgehensweise. Man nach dem damaligen Kenntnisstand gehandelt. Warum die schon vor Jahren erfolgte Einstellung von hunderten Verfahren in Blumberg nicht aktenkundig war, ist ihm nicht bekannt. Die Rechtsaufsicht des Landratsamtes habe der Stadt kürzlich auf die längst erfolgten Verfahrenseinstellungen hingewiesen.

Die Kreisbehörde wiederum war von Dietrich Kuntz von der Blumberger Situation informiert worden. Entsprechend irritiert reagiert Bürgermeister Keller. Die Widersprecher seien doch anwaltlich vertreten. Es verwundere ihn daher schon, dass die Stadt von dieser Seite nicht auf die Verfahrenseinstellungen hingewiesen worden sei. Dies wäre doch wohl ein Gebot der Fairness gewesen. Dietrich Kuntz kontert. Es habe seit Oktober des vergangenen Jahres zehn Hinweise an die Stadt gegeben in Abwassergebührenfragen, ohne Reaktion der Verwaltung. Vielmehr sei im April eine Mitteilung der Stadt gekommen, dass Schreiben, e-Mail und Anfragen im Auftrag des Rechtanwaltsbüros nicht mehr angenommen würden.

Ausgestanden ist die Sache offenbar noch lange nicht, zumal Dietrich Kuntz Zweifel hegt, ob die von Bürgermeister Keller angekündigte Rückabwicklung der Erstattungen und Nachzahlungen rechtlich überhaupt zulässig ist.

Kommentar

Von Achim Stiller

Die Stadtverwaltung berechnet hunderte Widersprüche zu Abwassergebühren neu und stellt darauf Erstattungen oder Nachzahlungsforderungen auf, ohne zu merken, dass diese Verfahren schon seit Jahren eingestellt sind. Unglaublich! Wer hat da gepennt? Wenn sich Dietrich Kuntz jetzt aber darüber die Hände reibt, obwohl er die Verfahrenseinstellungen schon seit Jahren kennt, die Verwaltung jedoch nicht darauf hinweist, weil die Kommunikation beider Parteien miteinander gestört ist, kann man das wohl kaum als fair bezeichnen. Jede Seite nennt das Recht des Bürgers als Grundlage ihres Handelns. Dabei ist doch gerade er der Gelackmeierte. Auch, weil die juristischen Runden mächtig Geld kosten, das die Stadt ohnehin nicht hat. Die Blumberger haben daher weder Verständnis für peinlichen Behördenschlaf noch für das Taktieren eines Kritikers.