Bei der kirchlichen Sozialstation Blumberg reichen die Atemschutzmasken für diese Woche noch aus. Und dann? Markus ­Leichenauer, der Geschäftsführer des ambulanten Pflegedienstes, sowie die Pflegerinnen Sandra Kindler und Frauke Cebandt (rechts) hoffen auf die Unterstützung von Handwerksbetrieben.Foto: Niederberger Foto: Schwarzwälder Bote

Coronavirus: Wer hilft den Helfern der Sozialstation? / Wie der Pflegedienst mit der Krise umgeht

Für Sandra Kindler und Frauke Cebandt ist es in der Corona-Krise keine Option, einfach zu Hause zu bleiben. Home-Office funktioniert bei ihnen nicht.

Blumberg (hon). Die beiden Mitarbeiterinnen der kirchlichen Sozialstation Blumberg versorgen mit ihren rund 60 Kolleginnen mehr als 200 Menschen in deren Wohnungen. Sie waschen sie, geben Insulin, wechseln Verbände, helfen beim Toilettengang und beim Anziehen. Sie kommen dabei genau mit jenen Menschen in Kontakt, die in der Corona-Krise am stärksten gefährdet sind.

Denn bei den Kunden der Sozialstation handelt es sich durchweg um ältere Menschen, viele davon mit Vorerkrankungen und einem geschwächten Immunsystem. "Wir unternehmen alles, was in unserer Macht steht, um unsere Patienten wie gewohnt zu versorgen", sagt Markus Leichenauer, der Geschäftsführer der Sozialstation. Er ist der Einzige, der bei der Sozialstation von Zuhause aus arbeiten könnte.

So weit ist es aber noch nicht, doch alle Vorbereitungen dafür sind getroffen. Für Fremde ist die Zentrale der Sozialstation an der Kantstraße längst tabu. Schließlich will sie nicht das Schicksal der Nachsorgeklinik Tannheim teilen. Die musste komplett schließen, weil der Vater eines jungen Patienten seinen Corona-Befund verschwiegen hatte.

Pflegerinnen fehlen

Eines der größten Probleme für Leichenauer in diesen Coronavirus-Tagen: Es mangelt an Atem- oder Mundschutzmasken und Desinfektionsmitteln. Gleichzeitig fehlen einige Pflegerinnen. Zwei Fachkräfte befinden sich in amtlich angeordneter Quarantäne. Diese beiden Frauen sind zwar nicht positiv auf Covid 19 getestet worden, sind aber sogenannte Kontaktpersonen. Eine Frau hatte Kontakt zu einem Mitglied der Blumberger Skiausfahrtgruppe, die noch am 7. März dem Schnee- und Après-Ski-Spaß in Ischgl frönte. Bei der anderen Pflegerin ist ein Familienmitglied infiziert. Drei weitere Mitarbeiterinnen sind in freiwilliger häuslicher Quarantäne. Und vier weitere Kolleginnen haben sich mit Grippesymptomen krank gemeldet. Vorboten des Coronavirus?

Aufgrund dieser Situation hat die Sozialstation ihre Patienten angeschrieben und angekündigt, ihre Leistungen für die nächste Zeit zurückzufahren: Wenn möglich, wird nur noch einmal wöchentlich geduscht oder eine kleine Körperpflege vorgenommen. Außerdem werden Grundreinigungen verschoben und nur die notwendigsten hauswirtschaftlichen Maßnahmen erbracht. Gleichzeitig bittet die Einrichtung ihre Kunden zu überprüfen, welche Leistungen vorübergehend von Angehörigen übernommen werden könnten. Das alles führt dazu, dass die Sozialstation nur noch fünf statt wie bisher sechs Routen fährt und einige Patienten jetzt von einer anderen Schwester versorgt werden und sich auch die Betreuungszeiten ändern können.

Die Dienstpläne muss Leichenauer täglich neu schreiben. Außerdem hat die Sozialstation ihre Patienten eine Unbedenklichkeitsbescheinigung unterschreiben lassen. Darin versichern diese unter anderem, dass sie keinen Kontakt mit einem am Coronavirus infizierten Menschen hatten, dass sie unnötige Kontakte strikt meiden und die gebotenen Hygieneregeln einhalten. Auch den Mitarbeiterinnen wurde eine ganz ähnliche Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt.

Wirtschaftliches Problem

Leichenauer berichtet, direkt nach der Fastnacht seinen Lieferanten für Hygieneartikel angeschrieben zu haben. Von dem werde er bis heute vertröstet. Von anderen Lieferanten erhielt er die Nachricht, dass keine Neukunden aufgenommen werden. Zuletzt konnte ihm Renate Bausch von der Einhorn-Apotheke mit 250 einfachen Vliesmasken aushelfen. Über sie ist er auch an zehn Liter Ethanol gekommen, das abgefüllt in 100 Milliliter-Behältnisse als Hand-Desinfektionsmittel zum Einsatz kommen wird. Bausch verfüge über private Kontakte zu einer Brauerei im Schwarzwald, von da stamme das Ethanol. Leichenauer weiß von Pflegeeinrichtungen, die bei Brennereien anklopften, um aus dem beim Brennen anfallenden Vorlauf ein Desinfektionsmittel zu machen. Der Geschäftsführer kann aber auch auf die Eigeninitiative seiner Kolleginnen setzen. Eine Mitarbeiterin habe den Prototyp eines Mundschutzes genäht. "Jetzt brauchen wir noch das Material dafür." Leichenauer will vorbereitet sein, falls es mit der Ankündigung des Sozialministeriums, Hygieneartikel zentral einzukaufen und dann auf alle Pflegeeinrichtungen im Land zu verteilen, nichts werden sollte.

Für die ambulanten Pflegedienste ist die Corona-Krise aber auch ein wirtschaftliches Problem. Nur Leistungen, die tatsächlich erbracht wurden, können abgerechnet werden. Wenn Patienten aus Angst vor dem Virus absagen oder auch, weil jetzt Familienangehörige die Pflege übernehmen, brechen Einnahmen weg, während die Fixkosten bleiben. Gleichzeitig musste auch die Tagespflege für Demenzpatienten im Haus Eichberg dicht machen. Und zwar mindestens bis zum 15. Mai. Die Pflegekassen, so Leichenauer, hätten zwar angekündigt, 75 Prozent des Tagessatzes 14 Tage lang zu erstatten. Doch was passiert nach dieser Frist? Außerdem hofft der Geschäftsführer auf eine 100-prozentige Erstattung des Tagessatzes.

Auf Leichenauer wartet noch eine weitere Herausforderung: der Neubau der Sozialstation in direkter Nachbarschaft der aktuellen Einsatzzentrale. Noch läge man im Zeitplan, der Umzug ist auf den 1. August terminiert. Doch wie geht es weiter, wenn Handwerksbetriebe die noch ausstehenden Gewerke wegen der Coronaviren-Pandemie nicht vollenden können? Fragen über Fragen.

Bei allen auftauchenden Hiobsbotschaften: Leichenauer stimmt optimistisch, dass er sich auf seine Mannschaft, die in diesem Fall eine Frauschaft ist, verlassen kann: "Die Schwestern, die da sind, geben alles. Es ist schön zu sehen, wie alle zusammenhalten."

Die Sozialstation bittet Handwerksbetriebe, ihr mit Atemschutzmasken auszuhelfen, da die eigenen Vorräte knapp werden. Die Masken müssen verpackt sein. Ein erster Spender hat sich schon aufgetan: die Firma Voigtländer mit Sitz im Riedböhringer Gewerbegebiet, die auf den Vertrieb von Polizei- und Kriminaltechnik spezialisiert ist. Kontakt Sozialstation: Telefon 07702/92 54