Einzelne Schüler könnten beim Homeschooling durch das Raster fallen. (Symbolfoto) Foto: Pixabay

"Es ist ein beengendes Gefühl." Einzelne Schüler könnten beim Homeschooling durch das Raster fallen.

Blumberg - Wie erleben Lehrer die Corona-Zeit? Darüber sprachen wir mit zwei Realschullehrern, die mittlerweile Erfahrungen sammeln konnten.

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Herr Schulze, Herr Pulvermüller, was geht Ihnen bei dem Wort "Corona" als erstes durch den Kopf?

Philipp Pulvermüller: Mir geht die besondere Situation mit den ganzen drastischen Einschränkungen durch den Kopf, es ist ein beengendes Gefühl. Cedric Schulze: Ich denke an die Auswirkungen im privaten Bereich und an diejenigen in der Arbeitswelt. Vieles, was am Anfang außergewöhnlich war, ist inzwischen Normalität, zum Beispiel die Kontaktreduzierung, dass man sich privat mit weniger Leuten trifft. Im Schulischen haben wir Regeln, die wir beachten müssen, aber wir unterrichten weiterhin.

Haben Sie Angst vor dem Virus Covid-19, Angst davor, dass Sie selbst damit befallen werden können?

Cedric Schulze: Ich habe schon Sorge: die Sorge, dass ich das Virus auf jemand anderen übertragen könnte, auf Schüler und im Familienkreis. Erschreckend ist, dass Dokumentationen zeigen, dass auch Leute in unserem Alter bei einer Infektion mit Folgen rechnen müssen. Das alles ist schwer zu greifen. Philipp Pulvermüller: Die Bedrohung ist abstrakt, doch ich weiß, dass es auch Jüngere treffen kann. Um mich habe ich weniger Angst, aber um meine Familie mit einem kleinen Kind und Eltern, die schon älter sind.

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie in der Schule ständig eine Mund- und Nasenschutz-Maske tragen müssen? Inwieweit behindert Sie das, wie können Sie trotz Maske den Schülern klare Rückmeldungen geben?

Cedric Schulze: Ich bin froh, dass ich kein Brillenträger bin. Das habe ich im Chemieunterricht gemerkt, als ich eine Schutzbrille aufsetzen musste: Sie ist gleich beschlagen. Spannend finde ich, dass ich und die Schüler gelernt haben, vieles über die Augen zu kommunizieren und zu lesen. Die Gefühle werden anders transportiert. Mich stört die Maske nicht. Philipp Pulvermüller: Für mich ist die Maske das Störendste im Arbeitsalltag. Die Stimme ist das Werkzeug des Lehrers. Beim Vorlesen von Gedichten habe ich dies besonders gemerkt; auch Teile der Mimik fallen weg, was die Kommunikation erschwert. Und die Maske dämpft die Stimme, was gerade jene Schüler betrifft, die es nicht so gewohnt sind, ihre Stimme zu benutzen.

Was beschäftigt Sie am meisten? Die gesundheitliche Gefährdung oder die durch Corona veränderten Arbeitsbedingungen?

Philipp Pulvermüller: Sorge bereitet mir, dass einzelne Schüler beim Homeschooling durch das Raster zu fallen drohen. Gerade sie bräuchten den schulischen Halt. Die Gefahr beim Homeschooling besteht darin, dass die Schüler der schulischen Fürsorge entzogen sind. Cedric Schulze: Mir gefällt, dass die Schüler Verantwortung übernehmen, die die Gesellschaft ihnen überträgt. Die große Mehrheit hält sich daran, es ist eine Einsicht da. Es ist wichtig, mit ihnen darüber zu sprechen, weshalb die Einschränkungen nötig sind. Die Schüler sind sehr interessiert, dass merke ich im Fach Ethik, wenn wir über Begriffe wie Verantwortung oder Freiheit sprechen und sie ihr eigenes Handeln reflektieren.

Hat sich Ihr Verhältnis zu den Schülern und das Verhältnis der Schüler zu Ihnen seit Beginn der Pandemie verändert?

Philipp Pulvermüller: Ich habe nicht das Gefühl, dass die Interaktion zwischen Schüler und Lehrer gestört wird. Manches wird vielleicht sogar bewusster wahrgenommen. Cedric Schulze: Beim Lockdown im Frühjahr waren alle weg, jetzt ist ein Großteil der Schüler im Unterricht und ein kleiner Teil nicht. Mit diesen Schülern haben wir als Lehrer am meisten zusätzliche Arbeit, Arbeit, die nur schwierig zu bewältigen ist. Im Unterricht ergeben sich Situationen und Fragen, mit denen man so nicht rechnet.

Stichwort Digitalisierung: Wie viel des normalen Lernstoffs im Präsenzunterricht können Sie den Schülern digital vermitteln?

Cedric Schulze: Eigentlich wäre dann das Ziel, Wissen digital zu vermitteln. Das ist ein komplett anderes Lernen, da fehlen uns zum Teil die Qualifikationen, zum Teil fehlt auch die Ausrüstung. Unser engagiertes Kollegium hat mit der Erstellung eines umfangreichen Medienentwicklungsplans (MEP) hervorragende Arbeit geleistet, aktuell warten wir aber noch auf digitale Endgeräte, um den Plan umsetzen zu können. Außerdem arbeiten alle Lehrkräfte aktuell mit ihren selbst erworbenen digitalen Geräten, was ich nicht richtig finde. Hier schieben sich Kultusministerium und Schulträger die Verantwortung gegenseitig zu – Leidtragende sind dabei wir. Erst wenn die Hardware da ist, können wir Software zielgerichtet und schülerorientiert einsetzen. Philipp Pulvermüller: Die Digitalisierung hat durch Corona erst Fahrt aufgenommen. In Blumberg sind wir schon recht gut aufgestellt. Wir haben Beamer, WLAN, Mini-Laptops und erhalten noch Smartboards. Ideal wäre, wenn jeder Schüler von der Schule ein Endgerät erhielte, zum Beispiel ein Tablet. Was wir merken ist, dass das Zwischenmenschliche im Lernprozess eine große Rolle spielt und nicht ohne Weiteres durch technische Prozesse ersetzt werden kann. Das digitale Lernen setzt viel Selbstständigkeit voraus.   

Die Interview-Partner:

Cedric Schulze ist sei vier Jahren an der Realschule Blumberg. Er hat die Fächer Deutsch, Politik und Ethik studiert und unterrichtet auch noch die Fächer Sport, Chemie und Wirtschaft. Er ist Klassenlehrer der Klasse 9c, und er ist Präventionslehrer an der Schule sowie zusammen mit seinem Kollegen Philipp Pulvermüller im neuen, sechsköpfigen Medienteam.

Philipp Pulvermüller ist seit gut zwei Jahren an der Realschule. Er hat die Fächer Deutsch, Geschichte und Ethik studiert, zurzeit unterrichtet er auch noch die Fächer Gemeinschaftskunde/WBS (Wirtschaft, Beruf und Studienorientierung) und Geografie. Er ist Klassenlehrer der Klasse 7b.