Frauen lernen Selbstverteidigung im Kurs Foto: Verein

Selbstverteidigung in extremen Situationen. Thema nach Übergriffen in Silvesternacht. Techniken gegen einen oder mehrere Gegner.

Blumberg - Krav Maga - das hört sich ein wenig nach einem osteuropäischen Kleinlaster an, ist aber eine Kampftechnik, die auch unter dem Namen "israelische Selbstverteidigung" bekannt ist.

 

Auf jeden Fall ist Krav Maga seit den bundesweiten Übergriffen in der Silvesternacht bei den Frauen in der Region Blumberg ein Thema: Ein Kurs, den der Blumberger Krav Maga-Verein für diesem Sonntag ausgeschrieben hat, war ruckzuck ausgebucht. Vier Trainer werden in der Sporthalle der Scheffelschule 40 Frauen zeigen, wie sie sich durch einfache und gleichzeitig effektive Techniken gegen einen oder mehrere Gegner zur Wehr setzen können.

Krav Maga-Trainer Daniel Balukcic (Foto oben rechts) mimt einen Angreifer, der sein Opfer mit einem Baseball-Schläger angreift. Am Sonntag bringt er mit drei Trainerkollegen 40 Frauen bei, wie sie sich aus dieser oder vergleichbaren Gefahrensituationen retten können. Bei Krav Maga, so der Blumberger Daniel Balukcic, gehe es nicht primär darum, einen Angreifer zu besiegen. Vielmehr sei es oberstes Ziel, die Flucht zu ermöglichen.

Reine Selbstverteidigung statt eleganter Kampfsport

Als Balukcic von den massiven sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln und anderen Städten hörte, stand für ihn sofort fest, etwas zu unternehmen – als Ehemann und Vater einer Tochter muss nach der Motivation dafür nicht lange gefragt werden. Er griff zum Telefon, rief seinen Freund und Trainerkollegen Herbert Klein an und der war sofort bereit, mitzumachen. Anruf Nummer zwei ging ans Rathaus, das die Scheffelschul-Turnhalle für den Selbstverteidigungskurs reservierte.

Krav Maga ist nach dem Selbstverständnis der Ausbilder kein Kampfsport, sondern reine Selbstverteidigung. "Bei uns geht es nicht darum, einen eleganten Fußtritt zu beherrschen", erklärt Balukcic, "wir zeigen den Frauen zum Beispiel wie sie ihre Handtasche, das Deospray, das Handy oder den Schlüsselbund als Waffe einsetzen können." Und wie man die ganz normale Schlaghemmung im Ernstfall überwindet. Dazu panzert sich der Master Instruktor (das ist der höchste Trainergrad, den der deutsche Krav Maga-Verband kennt) mit einem Ganzkörper-Schutzanzug, bis er wie ein Michelinmännchen vor den Frauen steht, die dann lernen, mit aller Kraft zuzuschlagen und auch zu treten.

"Auf der Straße gibt es keine Regeln"

Weshalb eignen sich so bekannte Kampfsportarten wie Thai-Boxen, Judo oder Karate nicht so gut zur Selbstverteidigung wie Krav Maga? Balukcic hat selbst 16 Jahre lang diese Sportarten betrieben. Aber: "Bei einem Wettkampfsport wie beispielsweise Thai-Boxen gibt es Regeln, die ein Schiedsrichter überwacht und der Verstöße gegens Reglement ahndet. Auf der Straße gibt es keine Regeln und keinen Schiedsrichter."

Von Pfefferspray hält der der Blumberger nicht viel, weil es in der Anwendung kompliziert sei und für das Opfer selbst die Gefahr bestünde, Reizgas in die Augen zu bekommen. Und spätestens dann sei an eine Flucht nicht mehr zu denken. Aber ist es für Frauen überhaupt ratsam, sich zu wehren? Provozieren sie nicht so erst recht den oder die Täter? Balukcic verweist auf Studien, die die Polizei veröffentlicht habe. Danach liege die Abbruchrate bei Gewaltdelikten besonders gegen Frauen bei massiver Gegenwehr und lautem Schreien bei 80 bis 90 Prozent.

Kampfsport-Vereine müssen sich häufig mit dem Klischee auseinandersetzen, potenzielle Schläger auszubilden. Diese Klientel habe in Blumberg keine Chance, Krav Maga zu erlernen, stellt Balukcic klar. Zunächst werde am Telefon abgeklärt, ob jemand zum vierwöchigen Probetraining kommen dürfe. In Blumberg kenne man sich, die soziale Kontrolle funktioniere, man kenne seine Pappenheimer, so Balukcic. Nach dem Probetraining sei einer Person auch schon verweigert worden, sich dem Verein anzuschließen. "Der hat nicht zu uns gepasst, wir haben das im Team entschieden", sagt Balukcic.

Beim Kurs am Sonntag klären die Trainer über die rechtlichen Grundlagen der Selbstverteidigung auf, dann geht es um Verteidigungs- und Fluchtstrategien, Hilfsmittel und empfindliche Körperregionen (Angriffsziele). Zum Schluss lernen die Teilnehmer, sich gegen eine Gruppe zur Wehr zu setzen.

"Rechtlich gesehen in einer extrem extremen Situation"

Bei diesen Angriffen gebe es keine Verhältnismäßigkeit, schreibt Balukcic in einem Handout. "Sie sind rechtlich gesehen in einer extrem gefährlichen Situation, sodass Sie nicht bestraft werden, egal wie schlimm Sie einen Angreifer verletzen." Ein Merksatz im Krav Maga bringt es auf den Punkt: "Lieber von einem verurteilt, als von vier zu Grabe getragen."

Der Name Krav Maga stammt aus dem Hebräischen und bedeutet Überlebenskampf. Juden in Bratislava haben diese Technik vor dem Zweiten Weltkrieg gegen antisemitische Gewalt entwickelt. Die israelische Armee nutzt sie bis heute.

Krav Maga setzt natürliche und instinktive Reaktionen bei der Selbstverteidigung ein, Verhalten unter Stress wird intensiv trainiert. Militärstrategen glauben, dass Krav Maga ideal ist für den Nahkampf gegen Palästinenser ist. Auch die Bundeswehr hat es adaptiert, mittlerweile wird es weltweit praktiziert.

Am 1. Januar 2010 wurde der Blumberger Krav Maga-Verein ins Vereinsregister eingetragen. Initiatoren waren Daniel Balukcic und Herbert Klein. Es fanden sich fünf weitere Mitstreiter, darunter die CDU-Gemeinderätin Anne Kleiser, mittlerweile auch Übungsleiterin. Heute zählt der Verein 45 erwachsene Mitglieder, knapp 40 Kinder besuchen das Training.

Erwachsene trainieren mittwochs von 18.30 bis 20 Uhr im Gymnastikraum der Scheffelschule und samstags, von 18.30 bis 20 Uhr, in der Sporthalle der Scheffelschule. Kinder und Jugendliche sind samstags, von 17 bis 18.30 Uhr, in der Sporthalle der Scheffelschule an der Reihe.

Daniel Balukcic und Herbert Klein wollen den Verein in eine Kampfsportschule überführen. In der Schweiz betreiben sie bereits zwei. Die beiden Trainer planen, sich in Blumberg im Vereinsheim des Serbischen Kulturvereins einzumieten, das im Bereich des Sportzentrums entsteht. Für die aktuellen Mitglieder sollen sich die Konditionen nicht verändern.