Irrwitziges Pendeln zwischen totaler Souveränität und totaler Überforderung: Cate Blanchett als mittellose Ex-Reiche in „Blue Jasmine, hinten Sally Hawkins. Foto: Warner

Cate Blanchett als mehrfach gespaltenes Luxusweib nach der Pleite: Woody Allen lässt in dem Drama „Blue Jasmine“ gesellschaftliche Gegensätze kollidieren.

Filmkritik und Trailer zum Kinofilm "Blue Jasmine"

 

Cate Blanchett hat die Statur einer Königin, das hat sie in „Elizabeth“ (als Queen Elizabeth I.) und „Der Herr der Ringe“ (als Elbenfürstin Galadriel) gezeigt; nun spielt sie eine gefallene Monarchin der Neuzeit, die ihr Herrschaftsinstrument verloren hat: das Geld ihres Mannes. Dabei wächst sie über sich hinaus unter der Regie von Woody Allen, der erstmals seit seinem grandiosen Krimi „Match Point“ (2005) keine Komödie gemacht hat, sondern ein handfestes Drama. Freilich eines, das nie deprimierend oder anstrengend wird, denn Allen erzählt auch im Ernst in leichtem Ton und gewitzten Dialogen; so hat er schon manche Verwerfung des Lebens elegant auf die Leinwand gebracht.

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Blanchett ist Jasmine, eine gepflegte, teuer gekleidete Frau im besten Alter, die von New York zu ihrer Adoptiv-Schwester nach San Francisco reist – und im Flugzeug vor einer befremdeten Dame ihr Schietern ausbreitet. Die Engländerin Sally Hawkins („Happy Go Lucky“) ist als Schwester Ginger zu sehen, die in greller Unterschichtkluft ein kleines Dasein als Supermarktangestellte fristet – flankiert von einfachen Männern wie ihrem Ex Augie (Andrew Dice Clay) und dem tättowierten Riesenbaby Chili ( Bobby Cannavale). Doch nicht nur die gesellschaftliche Kluft steht zwischen beiden – Jasmines Mann, der Finanzinvestor Hal, hat auch Augies Ersparnisse mit verzockt.

Cate Blanchett spielt nun nicht nur eine Figur, sondern drei, die einander überlagern. Sie ist die gebeutelte Pleitefrau, deren Mann sich in der Zelle erhängt hat, nachdem er aufgeflogen war, die mit Pillen und Alkohol die Depression abzuwehren versucht, die nun arbeiten muss und sich als Sprechstundenhilfe eines zudringlichen Zahnarztes (Michael Stuhlbarg) erwehrt. Sie ist auch die Frau von Welt, die alle bewundern, die auf einer Party zielsicher den aufstrebenden Politiker aus gutem Hause abfischt (Peter Sarsgaard) und sich als perfekte Partie präsentiert. Und sie ist die Entrückte, die unvermittel mit sich selbst zu sprechen beginnt und der die Realität zu entgleiten droht.

So fulminant ist Blanchetts Auftritt, dass neben ihr wenig Raum bleibt. Allen und sein Cast füllen ihn präzise: Hawkins ist anrührend als verführbare Kleinbürgerin, der Comedian Clay herrlich grobschlächtig als bauernschlauer Handwerker Augie, Cannavale bemitleidenswert als ungeschickter Polterer mit dem Herzen auf der Zunge, Saarsgard schön befremdlich als blasierter Karrierist ohne Tiefe, Alec Baldwin grandios minimalistisch als gnadenlos berechnender Charismatiker Hal.

In Rückblenden sind Jasmine und Hal zu sehen, er Macher und sie Dekoration, im New Yorker Luxusdomizil, vor Meereskulisse im Wochenendhaus in den Hamptons. Mal betreiben sie mit betuchten Freunden belanglosen Konsum-Smalltalk, mal empfangen sie angestrengt Ginger und Augie, die beim Metropolen-Besuch gar nicht anders können, als sich wie peinliche Landeier zu wirken. Das strahlende Lebensideal freilich bröckelt wie Jasmines Identität, je näher die Erinnerung an die Gegenwart heranrückt.

Woody Allen, der nach wie vor jedes Jahr einen Film macht, ist mit 78 Jahren noch einmal ein Geniestreich gelungen. Und auf Cate Blanchett wartet ein Oscar.

Diese Rezension bezieht sich auf das englischsprachige Original. Dessen Qualität kann sich von der deutschen Synchronfassung unterscheiden.

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