Blick durch die Laserpistole am Donnerstagnachmittag: Auffallend viele Autofahrer waren in der Hohenheimer Straße mit den vorgeschriebenen 40 km/h unterwegs. Foto: Leif Piechowski

So brav ist in und um Stuttgart schon lange nicht mehr gefahren worden. Der angekündigte Blitzmarathon hat am Donnerstag Wirkung gezeigt: Autofahrer waren zurückhaltender unterwegs – nicht nur wegen Regenwetters.

Stuttgart - Der Taxifahrer schimpft. „Die Frau sagt, sie macht mir eine Anzeige, wenn sie das Flugzeug verpasst!“ Der 50-Jährige gehört zu den wenigen, die es erwischt hat beim Blitzmarathon. Am Donnerstag gegen 15.50 Uhr ist er in der Hohenheimer Straße in der Innenstadt mit 57 km/h bergwärts unterwegs, auf einer Strecke, auf der wegen Luftreinhaltung nur Tempo 40 gefahren werden darf. Jetzt ist dicke Luft im Taxi. Die Polizei, die ihn mit der Laserpistole erwischt hat, kontrolliert seine Papiere am Bopser. „Das machen wir doch wegen den Kunden“, grummelt der Taxler, „nicht für uns.“

Mit einem Großaufgebot an Personal und Gerätematerial sind Polizei und kommunale Verkehrsüberwacher auf den Straßen in Stuttgart und in den Landkreisen unterwegs. Geblitzt wird, was die Geräte hergeben. Nur: Es blitzt weniger als sonst. Die Ankündigung von Innenminister Reinhold Gall, dass flächendeckend in ganz Baden-Württemberg 24 Stunden von 6 bis 6 Uhr Temposünder ins Visier genommen werden, hat offenbar Wirkung gezeigt. Es gibt erheblich weniger Verstöße.

Gerade in der Hohenheimer Straße: Der Abschnitt der B 27 mit Tempolimit 40 ist ein Ort für notorische Temposünder. Zehn Prozent Sünderquote – das ist doppelt so hoch wie der Durchschnitt. Und am Donnerstag: Fast alle brav um die 40 unterwegs.

Patrick Ulmer von der Stuttgarter Verkehrspolizei, der den Einsatz an der Hohenheimer Straße leitet, wundert das nicht. Schon zuvor auf dem Weg zur Arbeit, auf der B 10 von Göppingen nach Stuttgart, war er in einem harmonischen Verkehrsfluss unterwegs. „Selbst an der Baustelle bei Esslingen haben sich überraschend alle brav ans Tempo 60 gehalten“, sagt Ulmer. Das sei bisher noch nie der Fall gewesen. Mit dem Regenwetter allein sei das nicht zu erklären. „Die Aktion hat sich doch bis in den hintersten Winkel herumgesprochen.“

In der Stresemannstraße auf dem Killesberg ist die Bilanz extrem

Die Kontrollen der Stuttgarter Polizei verlaufen verblüffend ereignislos. Bis 12 Uhr mittags vermeldet Polizeisprecher Thomas Geiger gerade mal fünf erwischte Temposünder bei 1115 anvisierten Autos. Bis zum Nachmittag erhöhen sich die Zahlen nicht wesentlich: elf Temposünder ins Netz gegangen, davon einer noch knapp unterm Fahrverbot – mit 29 km/h über dem Limit.

Auch Joachim Elser, Leiter der städtischen Verkehrsüberwachung im Amt für öffentliche Ordnung, hört Erstaunliches: „Alle vier Trupps melden übereinstimmend, dass es nur etwa 25 Prozent der üblichen Verstöße gegeben hat.“ In der Stresemannstraße auf dem Killesberg ist die Bilanz extrem: Der Überwacher, der sonst 40 bis 50 Temposünder blitzt, erwischt diesmal nur – drei. In der Remstalstraße in Bad Cannstatt, in der Lenbachstraße im Norden – nur noch 30 Prozent der Ausbeute. Freilich: Wo nicht mit Blitzern gerechnet wird, ist es aus mit der Zurückhaltung. Die kurze verkehrsberuhigte Jella-Lepman-Straße beim Marienplatz im Stuttgarter Süden zum Beispiel. Acht von zehn Autofahrern sind dort zu schnell.

Der Fernverkehr auf der Autobahn zeigt sich gezähmt. Selbst an der berüchtigten Messstelle an der A 8 nahe der Ausfahrt Leonberg-West haben Martin Strohm und Harry Bauer vom Autobahnpolizeirevier Stuttgart einen ruhigen Job. Dort, wo es binnen neun Tagen 500 Fahrverbote hagelte, werden die vorgeschriebenen 100 km/h Richtung München weitgehend eingehalten.

Der Schnellste ist mit 149 km/h unterwegs

Strohm blickt auf den Computer: Knapp 300 Beanstandungen innerhalb von fünf Stunden. „Normalerweise haben wir in der Zeit gut 1000 Verstöße“, sagt Strohm. Der Schnellste ist mit 149 km/h unterwegs. Ihn trifft ein Fahrverbot, wie insgesamt sechs Autofahrer bis zum Nachmittag.

Alles nur Abzocke an der Gefällstrecke? „Das Tempolimit ist nötig, weil sich der Fahrbahnbelag ablöst“, sagt Strohm. Am Donnerstag schießen die Fahrzeuge außerdem auf einen Stau zu, der sich wegen eines Pannen-Lkw gebildet hat. „Der linke Fahrstreifen ist bei Staus brandgefährlich.“

Zurück in die Hohenheimer Straße: Dort knallt es auch auf dem linken Fahrstreifen. Ein Mazda-Fahrer rammt auf Höhe der Kontrollstelle einen Salzburger Smart, dessen Fahrerin an der Fußgängerampel angehalten hat. Nein, die Blitzerfalle habe ihn nicht abgelenkt, sagt der Verursacher: „Ich habe einfach nur gepennt.“