Windkraft – ja oder nein: Wer eine umweltfreundliche Energie haben will, kommt ohne sie auf Dauer nicht aus. Foto: Rumpenhorst Foto: Schwarzwälder Bote

Energie-Dialog: Welche Behauptungen der Bürgerinitiativen gegen Windkraft zutreffen und was davon eher fragwürdig ist

Die Zahlen und Fakten jagten quer durch den Sitzungssaal des Bitzer Rathauses, als sich Vertreter der FDP-Fraktion des Landtages mit Aktionsgemeinschaften gegen Windkraft trafen. Was davon trifft tatsächlich zu? Der Schwarzwälder Bote hat den Faktencheck gemacht.

Bitz. Zwei Stunden lang haben Vertreter mehrerer Bürgerinitiativen in der vergangenen Woche im Bitzer Rathaus Mitgliedern der FDP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag Argumente gegen Windkraft in der Region genannt, die es lohnt, genauer zu prüfen:  Stimmt es, dass Deutschland nur 2,3 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen produziere und es daher dem Weltklima "ziemlich wurscht" sei, was Deutschland verändere, wie FDP-Fraktionsmitglied Andreas Glück und mehrere andere Redner behaupteten?

Fakt ist: Trotz dieses scheinbar geringen Prozentsatzes liegt Deutschland auf Platz sechs der weltweit größten Kohlendioxid-Emittenten.

Laut einer Studie der internationalen Energieagentur erzeugen nur Japan, Russland, Indien, die USA und China mehr Treibhausgase als die Bundesrepublik. Zum Vergleich: Die Industrienation Frankreich verursacht 1,1 Prozent des weltweiten Ausstoßes und belegt damit Platz 19. Bemerkenswert: Mit 58 betriebsfähigen Kernkraft-Reaktoren sichert Frankreich seine Energieversorgung, während in Deutschland seit dem 6. August 2011 schrittweise die noch betriebenen Atommeiler vom Netz genommen werden. Damit steigt der Anteil des in Kohlekraftwerken erzeugten Stroms – einer der Hauptgründe für Deutschlands schlechte CO2-Bilanz.

Zwar wuchs der Gesamtanteil der erneuerbaren Energien am erzeugten Strom von 6,6 Prozent im Jahr 2000 auf 29 Prozent im Jahr 2016. Allerdings sanken die CO2-Emissionen im gleichen Zeitraum nur um 6,5 Prozent, wie Daten des Umweltbundesamtes belegen. Die erneuerbaren Energien ersetzen rechnerisch also die wegfallenden Atomkraftwerke und nicht die umweltschädlichen Kohlekraftwerke. Trotzdem lässt sich eine positive Entwicklung beobachten: 2017 wurde 37 Prozent des Bruttostroms aus Kohle gewonnen. 1990 waren es noch 57 Prozent, so das Statistische Bundesamt.  Der Bitzer Bürgermeister Hubert Schiele argumentierte dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) "viele Technologien marktfähig gemacht hat und in vielen Ländern kopiert worden ist".

Fakt ist: Laut dem Netzwerk für erneuerbare Energien ist es wahr, dass mehr als 65 Länder Prinzipien und Grundlagen aus dem EEG übernommen haben.

Höhe der Vergütung ist nicht mehr vorgegeben

Beispielsweise haben China und Japan ähnliche Einspeisetarife und Vorrangreglungen eingeführt, wie sie bisher im EEG zu finden waren. Aufgrund der Kosten, die für Verbraucher dadurch stiegen, wurde das EEG in Deutschland inzwischen geändert: Die Höhe der Vergütung ist nicht mehr staatlich vorgegeben, sondern wird über Ausschreibungen bestimmt.  Herbert Bitsch von der Interessengemeinschaft Fachberg Riedern forderte, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bei jedem Windrad Pflicht werden sollte. War das bisher nicht der Fall?

Fakt ist: Tatsächlich ist eine UVP nur dann nötig, wenn eine Windfarm mit 20 oder mehr Anlagen geplant ist. Bei Windfarmen mit drei bis fünf Anlagen – für den Standort zwischen Winterlingen und Bitz sind bisher vier Windkraftanlagen genehmigt – ist lediglich eine zweistufige standortbezogene Vorprüfung nötig. Diese entscheidet, ob eine tatsächliche UVP anzuordnen ist oder nicht.  Eine Lösung für die Energie- und CO2-Problematik sehen unter anderem Michael Thorwart, Professor der Theoretischen Physik, und Rudolf Seuffer aus Reutlingen in der Kernenergie: Laut Seuffer produziert ein Kernkraftwerk "so gut wie kein CO2".

Fakt ist: In der Tat erzeugen Atomkraftwerke im Betrieb keine CO2-Emissionen, allerdings sind der Stromproduktion aus Kernkraft Treibhausgasemissionen vor- und nachgelagert, wie bei anderen Energieerzeugern auch. Eine Untersuchung des Öko-Institutes kam zum Schluss, dass Atomkraftwerke deutlich weniger CO2 verursachen als Kohlekraftwerke, aber mehr als erneuerbare Energien.  Moderne Kernkraftwerke könnten radioaktiven Abfall unschädlich machen, behauptet Seuffer. Gefahren wie eine Kernschmelze und ein Gau – ein "größter anzunehmender Unfall", dessen Folgen technisch noch beherrschbar seien – seien daher ausgeschlossen.Fakt ist: Durch so genannte "schnelle Brüter" – ein bestimmter Reaktor-Typ – kann das Problem der Endlagerung von radioaktiven Abfällen tatsächlich deutlich verringert werden. Allerdings weisen solche Reaktoren auch deutlich höhere Sicherheitsrisiken auf. Unter anderem weil statt Wasser flüssiges Natrium als Kühlmittel für Brutreaktoren dient, wie die unabhängige Informationsplattform RP-Energie-Lexikon beschreibt. Bei Kontakt mit Wasser reagiert Natrium heftig, und es bildet sich Wasserstoff, was zu starken Explosionen führen kann.