Weil Personalkostenzuschüsse wegfallen, können die Bonus-Märkte wie hier in Sonnenberg an vielen Standorten in Stuttgart nicht mehr rentabel arbeiten. Foto: Leif Piechowski

Manfred Kaul, Geschäftsführer der Bonus-Märkte, funkt SOS. Die Reformen der Arbeitsmarktpolitik höhlen das Konzept seiner Läden aus. Vor allem die kleinen Märkte sind kaum noch zu halten. Eine neue Aktion soll nun ein Ladensterben verhindern: Kunden sollen den Rechnungsbetrag aufrunden.

Stuttgart - Es ist keine zehn Wochen her, da feierten die Bonus-Märkte in ihrer ersten Stuttgarter Filiale in Münster ihr zehnjähriges Bestehen. Kämmerer Michael Föll spendete dabei warme Worte. Oberbürgermeister Fritz Kuhn („Es geht darum, dass die Versorgung mit Lebensmitteln auch ohne Auto möglich ist“) lobte das Konzept schon vorher über den Klee. Und Bonus-Initiator Manfred Kaul genoss die Aufmerksamkeit rund um den Festtag sichtlich.

 

Inzwischen hat sich die Feierlaune bei Kaul gelegt. Den Chef der Gemeinnützigen Gesellschaft für Schulung und berufliche Reintegration (SBR) und damit der Tochter Bonus plagen große Sorgen.

Die 31 Märkte, zwölf davon in Stuttgart, kämpfen ums Überleben.

Denn seit dem Jahr 2011 muss Kaul mit gravierenden Kürzungen bei den Eingliederungsmitteln für langzeitarbeitslose Menschen leben. „Seit im Mai 2012 auch noch die Instrumentenreform des Bundes in Kraft getreten ist, gab es nochmals Kürzungen und den Wegfall von Förderprogrammen der Arbeitsmarktpolitik, die bei Bonus eingesetzt waren“, sagt Kaul. Erschwerend hinzu kämen immens gestiegene Energiekosten.

Grundversorgung für Senioren und Mütter mit Kinderwagen

Sollte den Bonus-Märkten tatsächlich die Luft ausgehen, wären davon vor allem ältere Menschen in den jeweiligen Stadtteilen betroffen. Denn sie sind in der Regel nicht mehr in der Lage, zu Fuß weite Wege zum nächsten Discounter zu machen. Sie sind auf den kleinen Bonus-Markt um die Ecke angewiesen. „Für Ältere, aber auch die Mutter mit dem Kinderwagen ist nur so eine Grundversorgung möglich“, sagt Werner Schüle vom städtischen Seniorenrat. Kaul ergänzt: „Die wegbrechende Nahversorgung wäre vielerorts ein Riesenproblem. Allerdings fehlt es auch außerhalb der Arbeitsmarktpolitik an tragfähigen Konzepten der Kommune, dem entgegenzuwirken.“

Was er meint, wäre für Stuttgart fast eine Revolution. Nämlich, dass die Kommune die Nahversorgung als Teil ihrer Verantwortung in der Daseinsvorsorge ansieht. Also die Bonus-Märkte mit Mitteln aus dem Stadthaushalt subventioniert. Noch ist das für die Verwaltung undenkbar. Aber angesichts der demografischen Entwicklung dürfte sich diese Frage immer brennender stellen.

Ganz abgesehen von der gesellschaftlichen Tragweite. Für den Bonus-Geschäftsführer erfüllen die Märkte schon jetzt einen Doppelnutzen: die Sicherung der Nahversorgung an privatwirtschaftlich unrentablen Standorten und Beschäftigung von Menschen, die am Arbeitsmarkt kaum eine Chance haben. Gerade diese benachteiligte Personengruppe könnte dank Bonus wieder ihre Vermittlungschancen auf dem ersten Arbeitsmarkt verbessern. Kaul: „Jetzt kämpfen wir halt für den Erhalt der Standorte. Aber ohne zusätzliche Unterstützung ist das dauerhaft nicht möglich.“

„Wir bitten unsere Kunden um Mikrospenden, in dem sie den Rechnungsbetrag aufrunden“

Denn gerade kleine Standorte wie der in Sonnenberg oder in Birkach seien besonders schwer zu führen, so Kaul. „Der Organisationsaufwand für Vertrieb und Verwaltung ist nur unwesentlich geringer als bei großen Märkten, gleichzeitig haben wir aber nur schmale Budgets für Personal.“ Gerade in Sonnenberg lässt sich dies anschaulich durchrechnen. Also einem Ort, aus dem sich der traditionelle Handel aus Gründen der mangelnden Rentabilität längst zurückgezogen hat.

Im Schnitt kann ein Lebensmittelmarkt nur dann gewinnbringend arbeiten, wenn er einen jährlichen Mindestumsatz zwischen 800 000 und 1,5 Millionen Euro macht. In Sonnenberg liegt der Umsatz weit unter diesen Zahlen. Diesen Markt kann Kaul daher nur durch Quersubventionen aus Mitteln besser laufender Märkte am Leben halten. „Wir sprechen hier von einem jährlichen Delta in Höhe von 20 000 Euro. In Sonnenberg verbiegen wir uns regelrecht“, klagt Kaul. Wenn dann auch noch ein Kühlaggregat ausfalle, reiße das ein riesiges Loch in das Budget so eines kleinen Marktes.

Dennoch legt Manfred Kaul nicht die Hände in den Schoß. Sein Motto lautet: „Hilf dir selbst!“ Er will nicht warten, bis Politik oder Verwaltung ihm zur Seite springen. Er hat das Konzept „Mach’s rund für Bonus“ ersonnen. „Wir bitten unsere Kunden um Mikrospenden, in dem sie den Rechnungsbetrag aufrunden“, erklärt Kaul. Kostet der Einkauf beispielsweise 48 Euro, kann der Kunde auf 50 Euro aufrunden. Der Obolus geht dann direkt in den Erhalt der Standorte. „Zudem bieten wir unseren Lieferanten eine Premiumpartnerschaft an, deren Erlöse daraus ebenfalls in den Erhalt der Standorte fließen“, sagt Kaul, räumt aber ein: „Das Ganze läuft schleppend an, weil wir eben weder über Ressourcen noch über Mittel verfügen, diese Aktion öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen.“