Geschichte: Thanheimer 1821 von Unwetter überrascht / Gedenkfeier in Neckargerach
Bisingen-Thanheim. Der 16-jährige Thanheimer Musikant Johann Dehner wurde am 13. September 1821 während eines Gewitters bei Neckargerach "augenblicklich getötet". Eine Gedenkveranstaltung mit der Musikkapelle Thanheim findet am 11. September am Unglücksort statt.
Johann Dehner war Mitglied einer sechsköpfigen Musikantengruppe aus Thanheim, die sich wegen eines Engagements auf der nahe gelegenen Burg Zwingenberg aufhielt. Eingeladen von den Schlossherren, den badischen Markgrafen Wilhelm und Maximilian von Baden, hatten sie zu Tisch und bei der Jagd aufgespielt. Die Reisemusikanten waren mit einer Ausnahme junge Männer, manche beinahe noch Kinder.
Geleitet wurden sie vom 49-jährigen Fidel Dehner, der neben seinen Söhnen, dem 16-jährigen Johann und dem 13-jährigen Friedrich drei weitere Jungen mit sich führte: den 18-jährigen Jacob Hauth und dessen 14-jährigen Bruder Hermann aus Steinhofen sowie einen 14-jährigen Musikanten mit dem ungewöhnlichen Namen Ferdinand von Ritterburg.
Am 13. September, einem Donnerstag, waren die fünf jungen Musikanten von der Burg Zwingenberg aus ins nahe Neckargerach gegangen, um sich nebenbei etwas zu verdienen. Fidelis Dehner war im Schloss geblieben. Auf dem Rückweg überraschte sie nachmittags gegen halb vier ein starkes Gewitter.
Blitz reißt 16-Jährigen aus dem Leben
Als sie Schutz unter einem Birnbaum suchten, wurden sie von einem fürchterlichen Blitz getroffen. Stamm und Geäst zersplitterten, der 16-jährige Johann Dehner war sofort tot. Er wurde tags darauf auf dem Friedhof vom Ortspfarrer Anton Kiefer in Neckargerach begraben.
Drei der übrigen Musiker wurden schwer, einer leicht verletzt; ihre Kleidung war zerfetzt. Man brachte die Verunglückten auf das Schloss, von wo aus man das Unwetter beobachtet hatte. Bis Samstag, 2. September 1821, pflegte man sie auf Zwingenberg, bevor die jungen Musici in ein Heidelberger Hospital verlegt wurden. Die Schlossherren, übernahmen die Kosten der Pflege.
1848 wurde zur Erinnerung an das schreckliche Ereignis zwischen Neckargerach und Zwingenberg ein Gedenkstein errichtet. Auf ihm ist zu lesen: "Am 13ten September 1821 wurden hier unter einem Birnbaum vom Blitz getroffen: Fidel Dehner, Vater Johann Dehner, Sohn Friedrich Dehner, Sohn Jakob Hauth Hermann Hauth Ferdinand von Ritterburg reisende Musiker aus Thanheim im Hechingenschen und Johann Dehner Sohn augenblicklich getödtet. Nicht sowohl, um an diesen schauderhaften Vorfall zu erinnern, als vielmehr, um Andere zu warnen, sich nicht einer ähnlichen Gefahr auszusetzen und bei einem Ungewitter unter Bäumen Zuflucht zu suchen, ist dieser Denkstein errichtet worden."
Warum zogen Thanheimer Musikanten durch die Lande? Die wirtschaftliche Lage ihrer Heimat war prekär. Das Ländchen Hohenzollern war ökonomisch zurückgeblieben und hoch verschuldet. Viele Bewohner der Region kehrten ihrer Heimat den Rücken und wanderten nach Osteuropa oder Amerika aus – wer es sich leisten konnte. In Thanheim beschritt man bereits seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert den Weg der Reisemusik.
Mit Musik gegen Hunger und Armut ankämpfen
Die Thanheimer Musikanten zogen in Gruppen durchs Land. Durch Verwandtschaften und Patenschaften waren sie eng miteinander verbunden, kannten sich gut und konnten sich aufeinander verlassen. Bei den jährlichen Touren spielten von den frühen Anfängen im ausgehenden 18. Jahrhundert an Musiker mit dem Namen Dehner eine führende Rolle. Vielleicht verweist der Name ja auf ein dieser Familie eigentümliches musikalisches Talent, wenn man den Namen als "Töner" deutet. Solche Übertragungen kennen wir aus Namen wie Müller, Bäcker oder Schneider.
Wir kennen die späteren Auftritte der Thanheimer Musikanten, die als "Buckenmayersche Musikgesellschaft", als "Münchner Metallharmonie" und unter Leitung Felix Dehners als Reservistenkapelle des preußischen Infanterie-Regiments Nr. 69 ins Elsass, die Schweiz, Österreich und mehrmals selbst an den bayerischen Königshof Ludwigs II. führten, sie sogar in Kontakt mit Richard Wagner und der Wiener Strauß-Familie brachten. Damit verglichen wissen wir noch immer wenig über den ersten quellenmäßig gesicherten Auftritt der Thanheimer aus dem Jahr 1821.
Vermutlich spielten sie auf Zwingenberg mit Streichinstrumenten, vielleicht aber führten sie auch schon einfache Blasinstrumente mit sich, etwa ventillose Hörner, falls sie die Herren auf der Jagd begleiteten. Möglicherweise haben sie aber auch gesungen.
Wenn wir die wenigen Anmerkungen zu dem Ereignis lesen, fällt auf, dass bis heute der ominöse Ferdinand von Ritterburg einfach übergangen wurde. Man sah diesen Adelsnamen auf dem Gedenkstein, konnte ihn aber nicht einordnen. Tatsächlich wissen wir erst jetzt nach der Durchmusterung archivalischer Quellen auf Schloss Zwingenberg, dass der 14-Jährige aus Grosselfingen stammte und Sohn eines in England verstorbenen Offiziers war.
Vor einiger Zeit wurde der Gedenkstein beschädigt. Die Musikkapelle hat sich um die Restaurierung gekümmert und nimmt am Samstag, 11. September, an einer von der Gemeinde Neckargerach organisierten Gedenkfeier teil.