Nadia Kailouli (links) und Jonas Schreijäg aus Bisingen haben einen Dokumentarfilm über das Schiff "SeaWatch3" und Kapitänin Carola Rackete gemacht Foto: Schreijäg

Nadia Kailouli und Bisinger Jonas Schreijäg erzählen hautnah vom Leben auf Seenotrettungs-Schiff.

Bisingen/Tübingen - Dramatische Szenen haben sich auf der "Sea-Watch 3" abgespielt. Das Schiff hat unter dem Kommando von Carola Rackete Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet. Nadia Kailouli und der Bisinger-Filmemacher Jonas Schreijäg haben im Auftrag des Norddeutschen Rundfunks einen Dokumentarfilm darüber gedreht.

Dieser wird in Deutschland in drei Kino-Previews gezeigt, bevor er im NDR läuft. Neben Berlin und Hamburg gibt es die Vorpremiere auch in Tübingen zu sehen: am 3. Oktober, 20 Uhr, im Arsenal-Kino. Neben den Filmemachern Kailouli und Schreijäg wird auch das Sea-Watch-Crew-Mitglied Oscar Schaible vor Ort sein.

"Du Komplizin von Menschenhändlern! Schäm dich!", schreien ihr Menschen am Pier entgegen. Als Carola Rackete im Hafen von Lampedusa unter Buhrufen und Jubel abgeführt wird, richten sich alle Kameras auf sie. Die deutsche Kapitänin hat die "Sea-Watch 3" mit Geflüchteten an Bord ohne behördliche Erlaubnis in den italienischen Hafen gesteuert und wird vorläufig festgenommen. Ihre Verhaftung ist das spektakuläre Ende einer wochenlangen Odyssee auf hoher See.

Wie kam es so weit? Was ist in den drei Wochen auf See passiert? In dem Dokumentarfilm "SeaWatch3" können die Zuschauer hautnah miterleben, was später weltweit für Schlagzeilen gesorgt hat.

Die Filmemacher Nadia Kailouli und Jonas Schreijäg haben die 21 Tage an Bord der "Sea-Watch 3" dokumentiert. Vom Auslaufen bis zur Verhaftung. Sie filmen, als die Freiwilligen der Sea-Watch-Crew 53 Menschen aus einem Schlauchboot im offenen Meer retten. Sie filmen, als um zwei Uhr morgens plötzlich die italienische Polizei an Bord kommt und eine persönliche Warnung vom amtierenden Innenminister Matteo Salvini überbringt. Sie hören die Geschichten der Geretteten, die ihnen nach und nach vom Horror Libyens erzählen.

"Sie haben Menschen die Kehle durchgeschnitten. Sie haben Menschen vor unseren Augen verbrannt", erzählt eine junge Frau, die ihren Peinigern irgendwann entkommen konnte. "Lieber ertrinken wir im Meer, als dass auch uns die Kehle durchgeschnitten wird."

Die Filmemacher dokumentieren, wie Kapitänin Rackete unermüdlich mit den Behörden verhandelt. Über Wochen will kein europäischer Staat die Geflüchteten aufnehmen. Salvini lässt die Häfen schließen und poltert, die "Sea-Watch" könne bis Weihnachten auf See bleiben. Und so fährt das Rettungsschiff wochenlang im Zickzack-Kurs an Europas Außengrenze entlang – dabei ist Lampedusa so nah.

Der Film dokumentiert ein dramatisches Stück Zeitgeschichte

Tagein, tagaus: Hoffnung und Verzweiflung an Bord. Die 53 geretteten Menschen teilen sich den harten Schiffsboden. Dort essen und schlafen sie – und erzählen: Alles ist besser, als in Libyen zu sein.

Als Kailouli und Schreijäg für diesen Film aufbrachen, hatte sich lange Zeit kaum jemand mehr für die Situation auf dem Mittelmeer interessiert. Die staatliche Seenotrettung war eingestellt, viele private Rettungsschiffe waren beschlagnahmt. Das Sterben war aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwunden und hatte doch nie aufgehört.

Ihr Film dokumentiert ein dramatisches Stück Zeitgeschichte. Es ist ein außergewöhnlich ehrliches Protokoll einer Rettungsmission, deren Kapitänin unfreiwillige Berühmtheit erlangt, als sie 53 Menschen rettet, Salvini die Stirn bietet und so den Kurs der gesamten EU-Migrationspolitik in Frage stellt, heißt es in der Ankündigung.

Viele Städte in Deutschland – darunter auch Rottenburg – haben das Bündnis "Städte Sicherer Häfen" gegründet. Es ist eine Initiative der internationalen Bewegung "Seebrücke", die eine Perspektive für aus dem Mittelmeer gerettete Flüchtlinge bieten will.