Prozesse: Angeklagte macht übles Verhalten ihres Ex-Mannes als Grund geltend

Bisingen/Hechingen. Nicht immer kann das Recht wirkliche Gerechtigkeit schaffen. Mit dem Urteil gegen eine 52-Jährige aus Bisingen, die ihren Mann aufs Auge geschlagen hat, taten sich Richterin und Staatsanwältin vor dem Amtsgericht Hechingen jedenfalls sichtlich schwer.

Der Tatbestand schien klar. Die Frau hat eingeräumt, ihrem damaligen Mann – beide sind mittlerweile geschieden – einen Faustschlag verpasst zu haben, so dass dieser eine rote Stelle über dem Auge davon trug. 90 Tagessätze – ein Tagessatz entspricht dem täglichen Einkommen – ist eine übliche Strafe für so etwas. Und das bedeutet auch einen Eintrag ins Strafregister.

Gerecht? Nicht, wenn man die Version der Frau hört. 22 Jahre war das Paar verheiratet, lebte mit drei Kindern in der Wohnung zusammen. Bis der Mann länger in seiner Heimat verschwand und bei der Rückkehr offenbarte, er habe jetzt eine neue Freundin, die einziehen wolle. Die Ehefrau solle gehen, die Kinder bleiben im Haus. Als die Frau nicht auszog, habe er angefangen sie zu erniedrigen, zu beleidigen, und er habe sie immer wieder geschubst. Aus so einer Aktion heraus habe sie ihn dann wohl mit der Faust getroffen.

Über den Anwalt noch Schadensersatzforderung geltend gemacht

Hatte der Mann genau auf so e ine Reaktion spekuliert? Jedenfalls ging er sofort zur Polizei uns zeigte seine Frau an, erreichte damit, dass sie zu seinem Schutz ausziehen musste – dabei ist er 184 Zentimeter groß, sie lediglich 145 Zentimeter. Sie zog zu ihren Eltern. Direkt darauf machte er über seinen Anwalt noch eine Schadensersatzforderung geltend.

Die auch emotional sehr engagiert für ihre Mandantin eintretende Anwältin machte geltend, dass der Mann die Frau über sehr lange Zeit psychisch angegriffen habe, am Ende habe die Frau sogar psychologische Behandlung benötigt. Und diese Vorgeschichte sei bei der im Strafbefehl festgesetzen Höhe der Tagessätze nicht berücksichtigt worden. Die Empörung, wie ihrer Mandantin von ihrem Ex-Mann mitgespielt wurde, war ihr in jedem Satz anzumerken.

Die Schilderungen machten auf Richterin und Staatsanwältin durchaus Eindruck, und beide signalisierten im Lauf der Verhandlung, dass die Zahl der Tagessätze angesichts dieser Ausgangslage durchaus gesenkt werden könnte. Allerdings hat die Angeklagte mittlerweile eine Arbeit aufgenommen, damit erhöht sich in ihrem Fall die Höhe der Tagessätze. Die Geldsumme hätte dann sogar höher ausfallen können als zuvor.

Dem Vorschlag der Anwältin, in diesem Fall praktisch gar keine Strafe zu verhängen, wollten und konnten weder Staatsanwältin noch Richterin folgen. Ein Faustschlag aufs Auge müsse bestraft werden, hielten sie fest. So sei das Gesetz. Die Staatsanwältin ging in ihrem Antrag aber auf 50 Tagessätze runter, die Richterin zeigte noch mehr Milde und setzte 40 Tagessätze fest. Die Strafhöhe ist damit in etwa gleich geblieben.

Trotzdem wirkte die Angeklagte am Ende auch erleichtert, bedankte sich bei den Prozessbeteiligten. Ihr Unglück zu schildern, durchaus auch Verständnis für ihre Kränkung gefunden zu haben, tat ihr sichtlich gut. Und durch die geringere Zahl von Tagessätzen steht nun auch nichts in ihrem Strafregister.

"Ich fühle mich nicht schuldig, ich war immer brav, ich habe noch nie jemand geschlagen", beteuerte sie in ihrem Schlusswort. "Ich will nicht, dass das in meinen Papieren steht."