Am Amtsgericht Hechingen ist es um eine Schlägerei gegangen, die sich bereits vor mehr als zwei Jahren auf dem Bisinger Marktplatz zugetragen hat. Foto: Archiv

Zeugen erscheinen nicht. Verfahren muss eingestellt werden. Angeklagte bezahlen insgesamt 1500 Euro.

Bisingen - Diese Verhandlung zeigt einmal mehr wie sehr die Justiz auf den guten Willen von Zeugen angewiesen sein kann: Obwohl zugesagt, sind mehrere nicht gekommen, sodass ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung eingestellt werden muss.

Es ist kurz nach vier Uhr, als auf dem Marktplatz die Fäuste fliegen. Darin verwickelt: Ein Balinger und ein Bisinger, die zwei weitere Personen getreten und ins Gesicht geschlagen haben sollen. Auf Fotos, die der Richter bei der Hauptverhandlung am Amtsgericht gezeigt hat, sind die Geschwister mit geschwollenen Augen und geröteten Prellungen im Gesicht zu sehen. Kein schöner Anblick.

Drei Zeugen sind nicht erschienen

Die Schlägerei ereignete sich bereits im April 2017. Wie hat es so weit kommen können? Diese Frage ist bis zuletzt unbeantwortet geblieben, weil drei Zeugen nicht zur Verhandlung erschienen sind, obwohl Tag und Uhrzeit mit ihnen abgeklärt worden waren. Die Schwester eines der beiden Angeklagten wollte gar nicht erst aussagen. Daher stehen nun verschiedene Versionen des Geschehens im Raum.

Einer der beiden Angeklagten, der damals in der Nähe des Marktplatzes gewohnt hat, habe Schreie gehört. "Hilfe", soll da jemand gerufen haben. Zusammen mit dem Mitangeklagten sei er, nur mit Boxershorts bekleidet, hastig hinausgerannt. Die Situation stellte sich für die Angeklagten so dar: Als sie vor Ort sind, sehen sie - so geht ihre Darstellung - einen Mann, der sich über eine Frau beugt. Die beiden Männer wollen diesen Mann von der Frau wegreißen, um sie zu schützen. Danach eskalierte die Situation. "Es war ein Chaos", sagt einer der Angeklagten aus. Danach wurden Tritte und Schläge verteilt, vulgäre Beschimpfungen tönten im Morgengrauen über den Marktplatz.

Die Version der Opfer hörte sich freilich drastisch anders an. Die heute 25-Jährige aus Hechingen ist Hörbehindert, braucht ein Hörgerät. Mit ihrem ebenfalls schwerhörigen Bruder habe sie das Kegelstüble gerade verlassen, um zum Auto zu gehen.

Verfahren wird gegen Geldauflage eingestellt

Im Zeugenstand sagt sie: "Wir haben sehr laut gesprochen, nicht gestritten." Sie wollten nach Hause fahren, um neue Batterien für’s Hörgerät zu besorgen. Ohne solches Gerät ist die Zeugin fast taub. Deshalb das laute Gespräch, das die Angeklagten dem Anschein nach als lautstarken Konflikt interpretierten. Ihr Bruder, das zweite Opfer, sagte aus: "Ich konnte es selbst nicht fassen, dass man mich so zugerichtet hat." Ernüchternd: An die Geschehnisse könne er sich nicht mehr erinnern.

Nun wären die Aussagen der drei weiteren Zeugen notwendig gewesen. Doch diese sind nicht erschienen. Die Anwälte stellten daher den Antrag, das Verfahren gegen eine Auflage einzustellen. Ihre Mandanten verfolgten schließlich "ehrenwerte Ziele", indem sie einer scheinbar in Not geratenen Person helfen wollten. Außerdem seien die Folgen der Verletzungen "relativ gering".

Der Richter wendete ein, dass man ein Verfahren wegen "schwerer Körperverletzung" nicht einfach einstellt. Außerdem sind die Opfer ja doch von den Angeklagten verletzt worden. Deshalb wird ein Angeklagter 1000 Euro Strafe bezahlen und der andere 500 Euro. Die Beträge richten sich nach dem monatlichen Nettoeinkommen. Der Richter zu dieser Strafe: "Damit kommen sie sehr gut weg." Auch wenn in diesem Fall viele Fragen offen sind und das Urteil für schwere Körperverletzung gering ausfällt, einen Gewinner gibt es: die Lebenshilfe Zollernalb. Sie erhält die insgesamt 1500 Euro in mehreren Raten.