Der Prozess wurde am Amtsgericht in Hechingen geführt. (Symbolbild) Foto: Archiv

Kritik an Strafe für Heranwachsenden, der Retterin mit dem Tod bedroht hat. Was die Richterin sagt.

Bisingen/Hechingen - Wegen Bedrohung einer Rettungsassistentin wird ein Heranwachsender vergangene Woche verurteilt: zu 20 Arbeitsstunden. Mehrere Facebook-Nutzer empfinden dieses Urteil als zu gering. Ist es das? Wir haben die Richterin gefragt.

"20 Stunden! Unglaublich", echauffiert sich ein Facebook-User auf unserer Seite. Ein anderer meint: "Lächerlich, das Urteil, 20 Stunden und die Prozesskosten muss er auch nicht zahlen." Und: "Typisch deutsche Justiz."

Die User scheinen sich einig zu sein: Das Urteil über den Syrer ist ihnen zu gering. Ein Kommentator setzt gar einen Link zu einem Zeitungsartikel über einen Eritreer, der in der Schweiz laut dem Bericht zu einer "Geldstrafe von 295 Tagessätzen zu 50 Franken und einer Buße von 3000 Franken" verurteilt wurde – ob dieser Fall mit dem von vergangener Woche in Hechingen vergleichbar ist, steht gleichwohl auf einem anderen Blatt.

Wer seine Tat abstreitet, zeigt auch keine Reue

Weil zahlreiche Rückmeldungen über den zu 20 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilten Syrer bei uns angekommen sind, haben wir bei der Richterin nachgefragt, wie sie zu ihrem Urteil gekommen ist.

Sie sagt: "Man muss jeden Einzelfall ganz genau betrachten." Im Gespräch macht die Richterin deutlich, dass sie nicht alle Angeklagten über einen Kamm schere, sondern jeden einzelnen Fall zunächst individuell und eingehend prüfe.

An der Hauptstraße in Bisingen hat der Angeklagte Mitte September 2019 einen Krankenwagen herbeigerufen, weil sein Bruder verletzt gewesen ist. Der Heranwachsende hat darauf eine Rettungsassistentin des Roten Kreuzes mit dem Tod bedroht, wenn sie seinem Bruder nicht helfe.

Richterin Irene Schilling: "Es handelt sich um eine Sondersituation, es war ja kein Gaffer, der die Rettungskräfte behindert oder bedroht hat", erklärt sie das Urteil und fügt an: "Der Angeklagte war bisher nicht mit dem Gesetz in Konflikt gekommen." Mit dem "eher milden Urteil" habe die Richterin auf die Tat des Angeklagten in ihrer "speziellen Ausprägung" reagiert. Der junge Mann "befand sich in einer Ausnahmesituation durch die Sorge um seinen stark blutenden Bruder" (siehe Infokasten).

Auf das "ungebührliche Verhalten des Angeklagten" während der Verhandlung habe "ich mit meiner Verhandlungsführung reagiert und ihn klar und streng in seine Schranken verwiesen". Beobachter, die die Verhandlung von den Zuschauerrängen mitverfolgt haben, können dies bestätigen.

Und doch zeigt sich der Angeklagte bis zuletzt uneinsichtig. Deshalb ist das Verfahren auch nicht eingestellt worden. Die Richterin dazu: "Jemand, der seine Tat abstreitet, kann schlecht dafür vor Gericht Reue zeigen." Ganz allgemein sagt sie: "Man muss Vorurteile gegen Ausländer ablegen, Fehlverhalten aber mit Klarheit entgegentreten."