Norbert Unterricker ist Schriftführer des OGV Thanheim: Beim Vor-Ort-Termin zeigt er das handschriftliche Protokoll der Gründungsversammlung, das er in seinem Archiv stehen hat.Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder Bote

Gemeinsinn: "Viele Gründungsmitglieder hatten keine Ahnung vom Bäume-Schneiden" / Jubiläum des OGV Thanheim

Der OGV Thanheim wollte dieses Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiern. Eine Feier, die wegen der Corona-Bestimmungen abgesagt werden musste. Wir haben den Schriftführer besucht. Er berichtet aus der Geschichte des Vereins.

 

Bisingen-Thanheim. Norbert Unterricker ist ein Schriftführer, wie er im Lehrbuch beschrieben sein könnte. In seinem Arbeitszimmer hat er in etlichen Ordnern scheinbar alles dokumentiert, was der OGV seit Bestehen gemacht hat. Unterricker: "Wenn mich jemand fragt, wie viele Handsägen wir haben", jetzt er blättert kurz in seinem "Geräteordner", um darauf zu antworten: "Wir haben im Moment fünf Stück." Der Schriftführer weiter: "Und wenn mich jemand fragt, wie viele Astscheren wir haben, das sind aktuell auch fünf."

Wie viele Seiten er da schon zusammengeschrieben hat? "1000 vielleicht", sagt er achselzuckend, als er das vielleicht wichtigste Büchlein aus dem Regal zieht, das er über den OGV hat: Seinen handschriftlichen Mitschrieb der Gründungsversammlung vom 29. Januar 2010. Er hat zwar alles mit seinem Computer abgetippt, aber die Schreibschrift, die im Übrigen einwandfrei lesbar und nach so vielen Jahren kaum verblichen ist, habe eben doch einen ganz besonderen Charme.

Ja, Unterricker ist ein begnadeter Sammler und Sortierer. Auf seinem PC sind die Bilder von Festen, Teilnahmen an Märkten und Baumschnitt-Aktionen enthalten, geordnet nach Jahr und Tag. Unterricker ist so etwas wie das Gedächtnis des Thanheimer OGVs.

Ein Höhepunkt in der Vereinsgeschichte: die Sanierung des Schafstalls

Er erinnert sich noch, als wäre es gestern gewesen: Die Bäume der Obstwiesen am Ebersberg und im Greut waren damals in einem verwahrlosten Zustand. Und in Thanheim bestand eben Interesse, diese Bäume zu pflegen.

Anders als es der Vereinsname erwarten lässt, hat der OGV keinen eigenen Lehrgarten. Warum heißt er dennoch so? Ganz genau weiß er es auch nicht. Aber Vereine, die sich um Grünschnitt kümmerten, heißen halt so. 60 Mitglieder haben sich damals gefunden. Unterricker: "Das waren überraschend viele." Und weiter: "Viele der Gründungsmitglieder hatten keine Ahnung vom Bäume-Schneiden" – auch Unterricker nicht. Das Interesse, das sie verband war jedoch genau das: Bäume zu schneiden.

Die Bereitschaft, das zu lernen, war bei allen Mitgliedern vorhanden, und so hat die Gemeinde ihnen die Bäume in Thanheim überlassen. "Der Grundgedanke war, dass wir so viele Bäume nicht verkommen lassen können", erzählt Unterricker.

Einer der ersten Arbeitseinsätze fand unter professioneller Anleitung von Heinz Hertler, Jürgen Behring und Georg Dehner statt. Sie haben den übrigen Mitgliedern das Schneiden nach und nach beigebracht. Unterricker, der sich inzwischen selbst gut auskennt, erklärt: Für jeden Baum sind dabei drei bis vier Personen abgestellt. Einer schneidet die Äste oben von der Leiter aus, der Zweite die Äste, die man vom Boden aus erreicht und der Dritte sammelt die herabgefallenen Äste auf. Damit seien die Teams so durchmischt, dass einer vom anderen lernen kann. Dann berichtet Unterricker, der beim Vor-Ort-Termin unglaublich viel über den OGV Thanheim zu erzählen weiß, von den Werkzeugen, von Astscheren und Teleskop-Handsägen, die eigens angeschafft worden sind. Außerdem habe der Verein inzwischen etwas mehr als 150 Mitglieder. Woher der Erfolg? Unterricker: "Thanheim ist ein kleiner Flecken, in dem Vereinstätigkeit und Miteinander hochstarrt", so drückt er es aus. Das Engagement für das Gemeinwesen – unter anderem für die Bäume –, das sei einfach die "Thanheimer Mentalität". Das Ziel des Vereins: Jedes Jahr 50 Bäume zurecht zu schneiden.

Wenn er so an die vergangenen zehn Jahre denkt: Was war der Höhepunkt? Die Schafstall-Sanierung. Und die Auszeichnung des Vereins mit dem Kulturlandschaftspreis des Schwäbischen Heimatbundes 2013. Er war verantwortlich, die Unterlagen zusammenzustellen, in denen auch die Sanierung des Schafstalls beschrieben wird. Da sehe man erst einmal, was der Verein schon während der ersten drei Jahre seines Bestehens auf die Beine gestellt habe. Die Sanierung des Schafstalls, auch so ein Höhepunkt, der Unterricker und wohl vielen anderen Mitgliedern in lebhafter Erinnerung ist. In zahlreichen Arbeitsstunden haben die Mitglieder des OGV die Hütte wieder in Schuss gebracht.

Auf dem PC zeigt er Bilder von den Arbeiten damals, die er in seinem perfekt sortierten Archiv auch sofort findet. Akten und Fakten zum Thanheimer OGV sind jedoch nicht die einzigen Gegenstände, die er sammelt. In einem an der Wand aufgehängten Glaskasten hat er etwa Polizeiautos säuberlich aufgereiht. Er deutet mit dem Finger auf einen Bereich und sagt: "Das sind bayerische." Aber er hat auch Autos aus der DDR, der Bundesrepublik, den USA und des Bundesgrenzschutzes. Darüber hängt seine Sammlung von Polizeiwappen der Bundesländer. Daneben stehen Behälter mit Dias – die noch mit der analogen Kamera entstanden sind. Wenn jemand Unterricker etwas fragen würde – er hat die Antwort bestimmt in seinem Archiv.

Gegründet wurde der Obst- und Gartenbauverein Thanheim am 29. Januar 2010 von 60 Gründungsmitgliedern. Sie sind für den Schnitt von 200 Bäumen verantwortlich. Das Schafstallfest des OGV, bei dem auch das zehnjährige Bestehen des Vereins gefeiert worden wäre, findet nicht statt. Weil nicht absehbar ist, wie lange die Coronakrise dauert und wie die Zeit danach aussieht, hat sich die Vereinsführung darauf geeinigt, das Schafstallfest in diesem Jahr ausfallen zu lassen. Geplant war das Fest für Sonntag, 14. Juni.