Eine Gondel zieht die Mitarbeiter der Abrissfirma hinauf zur Spitze des Kamins, wo sie das Bauwerk Stück für Stück abtragen. Foto: Kauffmann

Maute-Areal: Mit der Gondel zur Spitze des Maute-Schornsteins / Ein Vor-Ort-Besuch

Von Alexander Kauffmann

Der Maute-Schornstein wird von Tag zu Tag kleiner: Die Baufirma Oettinger aus Malsch bei Karlsruhe rechnet mit fünf bis acht Metern pro Tag. Stück für Stück arbeiten die Bauarbeiter sich in der Gondel vor.

Bisingen. Die Gondel hat keine Tür. Wer den Maute-Kamin abreißt, zwängt sich durch das Eisengestänge. Ob man herausfallen kann? "Eigentlich nicht", meint Jochen Kirsch, der als Polier auf der Baustelle arbeitet und guter Dinge zu sein scheint. Während er das sagt, tönt der Motor des Autokrans. Es geht los. Mit Leichtigkeit schwebt die Gondel in die Höhe. "Sind Sie Seekrank?", fragt Kirsch. "Nein." Das frage er immer, wenn er mal Besucher mit nach oben nimmt. Kirsch: "Oben ist es noch windiger als hier unten." Eine Windböe drückt die Gondel auf halber Strecke zum Maute-Kamin, sodass man es fast anfassen könnte. Und wenn wir jetzt mit voller Wucht dagegen schlagen? "Das macht nichts, aber es kann schon sein, dass wir mal andocken", sagt Kirsch mit einer erstaunlichen Seelenruhe. Die Gondel wankt als sie steigt, dreht sich um die eigene Achse. Kirsch rät: "Halten Sie sich lieber fest." Mit der Kamera herumhantieren? Höchstens einhändig. Die andere Hand umklammert das Geländer. Oben angekommen, hat man einen atemberaubenden Ausblick über das Kirchspiel – und in den tiefen Schlund des hohen Schornsteins.

Zwei bis drei Wochen soll der Abbruch noch dauern, abhängig vom Wetter

Die Bauarbeiter arbeiten sich dort jeden Tag ein Stückchen weiter vor, im Idealfall schrumpft das Bauwerk um fünf bis acht Meter täglich, erklärt Bauleiter Stefan Heinzler. Inzwischen sind sie auf etwa 40 Metern Höhe angekommen (ursprünglich hatte das Bauwerk rund 54 Meter). In der Gondel hält Kirsch einen Ziegelstein, auf dem "1936" steht. Der war ganz oben, einer der ersten Steine, die herausgebrochen worden sind. Die Zahl zeigt das Baujahr. Was damit passiert? Zunächst soll ihn Bürgermeister Roman Waizenegger erhalten, hieß es beim presse-öffentlichen Vor-Ort-Termin, zu dem die Gemeinde eingeladen hatte.

Dort oben an der Spitze des Kamins bekommen Besucher eine Ahnung davon, wenn Kirsch erklärt, dass der Baufortschritt von Wind und Wetter abhängt. Damit die Pressevertreter Fotos machen können, packt er den Schornstein mit seiner rechten Hand. Erst dann schaukelt die Gondel nicht mehr so stark im Wind. Mit einem elektrischen Abbruchhammer lösen die Bauarbeiter dort oben die Steine und werfen sie hinab in den Schornstein. Die seitlich angebrachten Steigbügel flexen sie ab.

Wer vor Ort ist, sieht wie sich an einer Rampe beim Kesselhaus die zertrümmerten roten Steine häufen. Sie werden auf Schadstoffe geprüft und danach entsorgt. Asbest wird im Kamin aber nicht vermutet. Deshalb müssen die Mitarbeiter der Firma Oettinger auch keine entsprechende Schutzkleidung tragen, erklärt Thomas Schatz vom Tübinger Ingenieurbüro Berghof Analytik. Er hat das Vorkommen von Schadstoffen auf dem Maute-Areal im Auftrag der Gemeinde untersucht und kennt sich mit diesem Thema genaustens aus.

Wie es vor Ort heißt, seien die Mitarbeiter der Firma Oettinger eigens dafür ausgebildet, Asbest zu erkennen. Falls sie Asbest finden, werden die Arbeiten gestoppt, die Gondel fährt nach unten, wo die Mitarbeiter Schutzkleidung anlegen können. Vorhanden könnten im Kamin etwa Asbest-Schnüre sein, die in den 1930er-Jahren als Abdichtung verbaut wurden.

Bisher sei aber nichts dergleichen gefunden worden – und die Wahrscheinlichkeit, dass das im Falle des Kamins so bleibt, sei sehr hoch. Insbesondere im Keller sei die Asbestbelastung im Gegensatz dazu sehr hoch, erklärt Schatz. Auch im Ofen wurde das Material als Isolierung verbaut. Die Gemeinde geht in diesem Punkt auf Nummer sicher: Wer diese Bereiche betreten will, darf dies nur mit spezieller Schutzkleidung tun, dazu gehören unter anderem FFP3-Masken und Ganzkörper-Anzüge.

Dennoch kommt es immer wieder vor, dass Menschen das Maute-Areal betreten, die dafür weder eine Genehmigung, noch die Ausrüstung haben. Schon als die Firma Oettinger Anfang vergangener Woche Vorarbeiten erledigt worden sind, haben Randalierer eine Tür aufgebrochen. Wie Stefan Hauth vom Bauamt berichtet, bringe die Gemeinde die Vorfälle zur Anzeige. Auf dem Weg zum hohen Maute-Gebäude, direkt an der Bahnhofstraße, zeigt Hauth mit dem Finger auf einen Aufzugsschacht, der mit einer Sperrholzplatte verschlossen ist: "Wenn da jemand herunterfällt, findet man ihn nie mehr", sagt er warnend. Auf dem Dach des Maute-Gebäudes angekommen, kann man beobachten, wie die Bauarbeiter in die Gondel steigen und nach oben gezogen werden.

Eine Drohne macht Fotos. Gesteuert wird sie von Hartmut Pflumm, einem ambitionierten Hobbyfotografen aus Wessingen.

Vielleicht zwei bis drei Wochen hat er noch Zeit, die Bauarbeiten aus allen Perspektiven festzuhalten. Dann wird der Kamin endgültig dem Erdboden gleich sein.