Am Standort des ehemaligen Gasthauses Goldener Stern, an dem heute ein Kindergarten steht, soll die Gedenktafel aufgestellt werden. Foto: Frank/Wahl Foto: Schwarzwälder Bote

Gedenken: Enthüllung der Gedenktafel kommende Woche / Auch Vertreter der Sinti und Roma dabei

Steinhofen galt vor dem Dritten Reich als großes "Zigeunerdorf". 1938 wurde das fahrende Volk vertrieben. Daran soll eine Gedenktafel erinnern. Inzwischen steht auch der Enthüllungs-Termin fest.

Bisingen-Steinhofen. Eine Gedenktafel für die 1938 vertriebenen Sinti und Roma aufzustellen, hat der Bisinger Gemeinderat bereits Mitte Juni beschlossen.

  Initiative Die Initiative für die Gedenktafel ging von Professor Paul Münch aus Wessingen aus: Während einer Gemeinderatssitzung teilte er sein Vorhaben der Gemeinde mit. Während der Enthüllung wird auch ein Vertreter des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland zu Gast sein.

  Geschichte aufgearbeitet Münch hat in Archiven recherchiert und die Geschichte der Zigeuner genannten Völker in Deutschland aufgearbeitet. Der Zollernalbkreis war bis ins Dritte Reich hinein ein beliebter Aufenthaltsort von "Zigeunern", die man heute politisch, aber nicht historisch korrekt "Sinti und Roma" nennt. Der Kreis Hechingen war geradezu ein "zigeunerisches" Eldorado, weil die nahe württembergische Landesgrenze bequeme Fluchtwege vor dem Zugriff der Polizei ermöglichte. Burladingen und Steinhofen beherbergten größere, teilweise fest ansässige "Zigeuner"-Gruppen.

Verfolgung in Steinhofen Mittels bis dahin unveröffentlichten Quellen (auch Bildern) stellte der Referent damals die Ausgrenzungs- und Verfolgungsgeschichte der Steinhofener "Zigeuner" während der 30er-Jahre dar. Dabei kamen auch Hilfsaktionen zur Sprache, die aber gegen die rassistische Verfolgung der Nationalsozialisten keine Chance hatten. Steinhofen galt neben Burladingen als das größte "Zigeunerdorf" in der Region. Etwa drei Jahrzehnte hatten sie in Steinhofen teils feste Wohnsitze und betrachteten sich als ansässige Bürger.

Lager außerorts   Jedes Jahr, zumeist in der wärmeren Jahreszeit, kamen die Sinti und Roma von Westen her in die Kirchspielgemeinden Bisingen, Steinhofen und auch nach Wessingen. Sie zogen mit ihren planbedeckten vierrädrigen Wagen, davor gespannt ein zumeist schon älteres Pferd, durch das Dorf und durften dann einige Nächte anfangs noch innerhalb, später außerhalb des Ortes lagern. Ein so genanntes Lagerrecht bestand auf dem Schulhof in Steinhofens Ortsmitte, aber auch hinter der Steinhofener Kirche, in Bisingen im Gewann Hölzle, an der Zufahrt zum KZ-Ehrenfriedhof und in Wessingen auf dem Zimmer- oder Zigeunerplatz an der Verbindungsstraße von Wessingen nach Zimmern.

  Ungebetene Besucher Wie Münch darlegt, sahen die Einwohner das fahrende Volk nur ungern. Ältere Leute wussten darüber zu erzählen und hätten gegen die Sippe gewisse Vorurteile, die sie dann auch ihren Nachkommen vermittelten. Der einstige Gasthof Sonne (später Sternen) und ein Zweitgebäude des Brauereibesitzers Julius Klink standen in der heutigen Hechinger Straße, wo sich heute der Kindergarten Spatzennest befindet. Der Eigentümer bewirtschaftete den Gasthof bis Kriegsbeginn und siedelte später nach Lindau um.

  Julius Klink Die Zigeunerfamilien Reinhardt und Spindler wohnten in diesem Zweitgebäude. Münch bezeichnet den Gastwirt Julius Klink als wichtigste Person innerhalb der Zigeunergeschichte Steinhofens. 1884 in Stuttgart geboren, heiratete er 1909 Käthe Fischer aus Steinhofen, die einiges an Vermögen mit ein brachte. Seine juristischen Kenntnisse waren für die Zigeuner sehr vorteilhaft. Gegen Bezahlung überließ er ihnen Wohnungen und Stellplätze für Planwagen und Pferde.

  Offener Streit Der während des Nazi-Regimes amtierende Bürgermeister Hugo Maier war weniger begeistert vom Aufenthalt dieser Zigeuner-Familien und suchte oftmals Streit. Er schaffte es letztlich, sie kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges aus Steinhofen zu vertreiben. Erst nach Jahren und Jahrzehnten tauchte in Bisingen und Umgebung das fahrende Volk wieder auf, allerdings in kleineren Gruppen und motorisiert.