Verein Gedenkstätten KZ Bisingen zeigt Propagandawerk "Jud Süß" / Dieter Grupp kommentiert Vorführung

Von Eberhard Wais

Bisingen. Eine nicht alltägliche Filmvorführung gab es zum Holocaust-Gedenktag im Bisinger Heimatmuseum. Gut 50 Besucher sahen sich das nationalsozialistische Propagandawerk "Jud Süß" an und diskutierten anschließend über Inhalt, Technik und Zielsetzung.

Der Film steht bis heute auf dem Index und gilt als "Vorbehaltsfilm". Joseph "Süß" Oppenheimer ist ein angepasster ("versteckter") Jude, der zum Berater und Finanzier des ausschweifenden und unmoralischen Lebens des Fürsten Karl Alexander von Württemberg wird, was im 18 Jahrhundert aber keine Seltenheit war. Der historische Karl Alexander bediente sich des Juden Oppenheimer, um die eigenen absolutistischen Träume zu verwirklichen. Schon damals musste Oppenheimer nach dem plötzlichen Tod seines Herrn, kurz vor dessen Verhaftung durch die Landstände, für die Verfehlungen des Fürsten mit dem Leben zahlen.

Gängige Vorurteile gegen Juden benutzt

Im Film des Nazi-Vorzeige-Regisseurs Veit Harlan werden Jud Süß alle damals gängigen Vorurteile gegen das Judentum angedichtet. Das reicht von Geldgier, über die Untreue, Staatsstreichgedanken bis hin zur "Rassenschande". Die Hauptrolle wird gespielt von Ferdinand Marian. Er und Werner Krauß, der seinen Sekretär Levy verkörpert, mussten alle Juden im Film mimen, um ihnen jegliche Individualität zu nehmen.

Ganz bewusst kommt "Jud Süß" aber nicht grobschlächtig daher, sondern vermittelt seinen Hass und die Verfestigung der Vorurteile auf sehr subtile Weise. Die Botschaft: Auch der vermeintlich nette Nachbar könnte ein "versteckter Jud" sein. Die Stoßrichtung ist klar: Antisemitismus ist sozusagen gottgegeben. Die Nationalsozialisten und das deutsche Volk sind berufen, dieses "Problem" mit der "Endlösung" ein für allemal zu beseitigen.

Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der den Film nicht nur in Auftrag gab, sondern auch massiv Einfluss auf Inhalt, Besetzung und Dramaturgie nahm, machte nach der Fertigstellung kein Hehl daraus: "Ein antisemitischer Film, wie wir ihn uns nur wünschen können." Dabei war "Jud Süß" nur Teil eines sehr breit und auf alle Schichten zielenden Projekts, um dem Holocaust geistig den Boden zu bereiten.

Die Diskussion im Anschluss an den Film drehte sich vor allem um solche klaren, aber auch nur unterschwellig antisemitischen Filmkniffe und Inszenierungen Veit Harlans. Eine subtile Dramaturgie, die schon auf die 20 Millionen Zuschauer bis 1945 wirkte und auch heute noch teilweise wirksam ist, trotz aller Episodenhaftigkeit in der Inszenierung, trotz aller erkennbarer Geschichtsklitterung.

Der Verwalter der Filmrechte, die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, befürchtet dies offensichtlich und behält den Film weiterhin unter Vorbehalt, obwohl es seit 1955 kein konkretes Verbot mehr gibt. Er darf nur mit vorherigem Kommentar, den in Bisingen Dieter Grupp kenntnisreich gab, und mit ihrer ausdrücklichen Erlaubnis gezeigt werden.

"Völlig zu Recht", meinte Uta Hentsch, Vorsitzende des Gedenkstättenvereins KZ Bisingen und stellte sich damit hinter den Verwalter. Die Mehrheit der Zuschauer war auf ihrer Seite: Der Film solle häufiger gezeigt werden, aber nicht ohne Kommentar.