Shalom Stamberg im Gespräch mit jungen Besuchern der Gedenkstätte. Er war Ehrengast der Jubiläumsveranstaltung. Foto: Maute Foto: Schwarzwälder-Bote

Shalom Stamberg berichtet bei Jubiläumsveranstaltung des KZ-Gedenkstättenvereins über seine Zeit in Bisingen

Von Andrea Maute Bisingen. "Hier in Bisingen bin ich noch einmal geboren", sagt Shalom Stamberg. Wie groß die Tragweite dieser Worte ist, erschließt sich, wenn man sein Schicksal kennt. Bisingen – das ist der Ort, in dem er das KZ überlebt hat. Und der Ort, an dem sein Leiden unvergessen ist.

 

Wie viel Vergangenheit erträgt ein Mensch und wie schafft man es, so viel Leid, so viel Schmerz auszuhalten? Es gebe einen "kleinen Dynamo" in seinem Herzen, der unermüdlich in ihm arbeite, erzählt der 86-Jährige. Während dieser sein Antrieb ist, ist die Religion sein Fundament. "Gott im Himmel hat mir geholfen", weiß Shalom Stamberg. Geholfen, eine Zeit zu überstehen, die sein ganzes Leben veränderte.

Zusammen mit seiner Frau Selda war der Ehrengast aus Haifa/Israel zum zehnjährigen Jubiläum des Vereins Gedenkstätten KZ Bisingen angereist. Seine Mission: ein Zeichen wider das Vergessen zu setzen. Seine Basis: die eigene Vergangenheit. Indem er aus ihr erzählt, holt er sie in das Bewusstsein der Gegenwart. Und die Menschen hören gebannt zu. Das Heimatmuseum platzte am Freitag fast aus allen Nähten, so viele Gäste – unter ihnen Schwester Silvia Pauli und Bürgermeister Joachim Krüger – waren anwesend. Geradezu "sprachlos" war angesichts der großen Resonanz die Vereinsvorsitzende Uta Hentsch, die Shalom Stamberg zu Beginn einen Wunsch erfüllte: das Entzünden der Chanukka-Kerze. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung von einer Gruppe Musiker um Jugendguide Jannik Bitzer.

Während die Kerze flackerte, erzählte Stamberg im Interview mit Uta Hentsch aus seinem Leben. Vom 1. September 1939, als er zusammen mit seinen Eltern und vier Geschwistern das brennende Warschau erlebte und von seiner Flucht als 13-Jähriger aus dem dortigen Ghetto. Es ist eine Geschichte von Hunger, Ausbeutung und Tod, die ihn 1942 in "die Hölle" von Auschwitz führte, wo er von seiner Familie getrennt wurde. Er rechts, sie links. Er zur Arbeit, sie in die Gaskammer, wie er später erfuhr. "Bis heute höre ich noch meine Mutter rufen", sagt der 86-Jährige leise. Ihm selbst sicherten seine Elektronik-Kenntnisse das Überleben. Im Januar 1945 wurde er von Buchenau auf einem Lastwagen nach Bisingen gebracht, "dem schlimmsten Lager überhaupt". Was ihn angesichts der unmenschlichen Bedingungen am Leben hielt? Es sei mit die Hoffnung gewesen, irgendwann noch Angehörige seiner 150 Mitglieder zählenden Familie zu finden; eine Hoffnung, die sich nach seiner Befreiung 1945 jedoch nicht erfüllte.

Heute liegt Shalom Stamberg vor allem die Aufarbeitung der Vergangenheit am Herzen. "Es ist sehr schwer, nach Bisingen zurückzukehren und nur möglich, weil es hier Menschen gibt, denen die Arbeit wider das Vergessen am Herzen liegt", betonte er am Sonntag bei der Gedenkstunde auf dem KZ Friedhof, wo er das jüdische Totengebet "Kaddisch" für alle Opfer sprach, die hier ihr Leben lassen mussten. Für sie entzündete seine Frau Selda am Denkmal ein ewiges Licht.

In seine Heimat zurück reist das Ehepaar mit vielen bewegenden Briefen, die ihm zwei Schülerinnen der Waldorfschule Frommern überreichten. Ebenso wird auch der Verein Gedenkstätten KZ seine Arbeit fortsetzen.