Ein Entwurf des Lärmaktionsplans wird dem Gemeinderat vorgestellt. Klar wird schnell: Das Zahlenwerk bildet nicht zwangsläufig das subjektive Empfinden der Bürger ab

In der Diskussion über den Verkehrslärm in Bisingen sind im Gemeinderat viele Lösungsvorschläge gefallen. Doch was davon kann umgesetzt werden? Ganz klar ist das nicht, denn dies liegt in der Hand übergeordneter Genehmigungsbehörden.

Bisingen. Der Vortrag ist trocken und monoton, doch das Thema hat es in sich: Im Gemeinderat ist es um den Entwurf des Lärmaktionsplans gegangen. Der Vertreter des Ingenieurbüros aus Ludwigsburg hat zur Veranschaulichung eine Landkarte an die Wand geworfen. Einige Häuser darauf sind rot markiert. Es sind die, bei denen – verwaltungstechnisch ausgedrückt – "vordringlicher Handlungsbedarf" aufgrund der Lärmbelastung erforderlich ist. Und am Ende steht die paradoxe Erkenntnis: In diese Kategorie fallen gar nicht so viele Anwohner wie man vielleicht erwartet hätte. An vielen Stellen werden Grenzwerte nämlich unterschritten, wenn auch knapp.

Davon provoziert wirft Alexander Mayer (CDU) ein: "Die Werte wurden gemessen und berechnet. Sie bilden die tatsächliche Wahrnehmung aber nicht ab." Seinen Ratskollegen und dem Publikum hat er damit wohl aus der Seele gesprochen. Einhelliges Kopfnicken signalisiert stille Zustimmung. Bürgermeister Roman Waizenegger erklärt: "Nur anhand von Berechnungen kriegt man Maßnahmen genehmigt" (siehe Info).

Das Recht kenne eben nur solche Werte. Soll heißen: Was die Anwohner subjektiv wahrnehmen, muss nicht ausschlaggebend für etwaige Gegenmaßnahmen sein. Was den Lärmschutz nämlich nicht gerade vereinfacht: Der Einfluss der Gemeinde, was etwa Straßensanierungen anbelangt, ist begrenzt. Dafür sind übergeordnete Genehmigungsbehörden zuständig, die auch Zahlen aus Lärmgutachten bestehen.

Oliver Wolf (CDU) wirft darauf ebenfalls ein: Bei den Berechnungen gehe man von "optimalen Verhältnissen" und "idealen Bedingungen" aus, die es seiner Meinung nach so in der Realität gar nicht gibt. Damit spielt er unter anderem auf die Geräusche an, die beim Überfahren von Schlaglöchern und Gullideckeln tönen. Waizenegger: "Alles, was wir beschließen, ist besser, als der Ist-Zustand." Und er warnt davor, "Luftschlösser" zu bauen. Also einen Beschluss zu fassen, den die Genehmigungsbehörden nie durchgehen lassen würden. Waizenegger weiter: "Das subjektive Empfinden interessiert die Straßenverkehrsbehörden nicht."

Als Vorschlag ist im Lärmaktionsplan eine 30er-Zone vom Kreisverkehr (beim ehemaligen Geschäft Groß und klein) bis zur Ecke Angelstraße vorgesehen. Gisela Birr (SPD) und Axel Güntner (CDU) haben eingebracht, die 30er-Zone bis zur Avia-Tankstelle zu verlängern. Volker Büschgen (FWV) hat einen stationären Blitzer am Ende der 30er-Zone vorgeschlagen und Wilfried Pflumm (FWV) merkt darauf an, dass viele Motorräder aufdrehten und viel Krach machten.

Waizenegger stellt klar: "Eine Umgehung wäre ein großer Wurf gewesen." Dies sei damals aber nicht gemacht worden. Klaus Ertl (FWV) bewertet diesen mehr als 15 Jahre alten Vorgang als "Kardinalfehler". Und: Man müsse "über den Tellerrand" hinausschauen und das Thema Umgehung erneut angehen. Ertl: "Das Problem löst man anders nicht."

Dieter Fecker fordert flächendeckende 30er-Zone mit Blitzern

Das Lärmproblem ist auch im Ortsteil Thanheim weithin bekannt. Doch in der Thanheimer und Onstmettinger Straße werden die entscheidenden Lärmgrenzwerte geringfügig unterschritten. Ortsvorsteher Rudolf Buckenmaier zeigte sich verärgert: "Es ist nicht zumutbar, dass die Bevölkerung krank wird." Sehr enttäuscht sei er, dass keine 30er-Zone in seinem Ort vorgesehen ist. Zudem sei ja nachgewiesen, dass Menschen wegen Lärm krank werden. Für den Mountainbike-Trail müsse man extra ein Gutachten zum Schutz der Natur, "wegen irgendeinem Rotmilan", anfertigen. Menschen vor Lärm zu schützen, sei dagegen nicht so einfach.

Er fordert "ausnahmslos 30 Stundenkilometer". Dafür hat sich auch Dieter Fecker (CDU) ausgesprochen. Er wünscht sich zusätzlich flächendeckend Radarkontrollen mit stationären Blitzern und 30 Km/h in ganz Bisingen mit Ortsteilen. Das wäre für alle Verkehrsteilnehmer die sicherste Variante. Doch ob das realistisch ist? Nach längerer Diskussion hat der Gemeinderat einstimmig beschlossen, dass die ursprünglich vorgesehene 30er-Zone nachts ausgeweitet werden könnte.

Als nächster für die Bürger relevanter Schritt ist eine Info-Veranstaltung vorgesehen. Wie der Bürgermeister auf Nachfrage mitteilt, soll diese wahrscheinlich im ersten Quartal 2020 stattfinden.

Das sind die Maßnahmen, die der Lärmaktionsplan vorschlägt (in aller Kürze):

  Tempo 30 ganztags vom Kreisverkehr (bei Steinhofener Straße) bis zur Ecke Thanheimer Straße/Angelstraße. Diese 30er-Zone soll nachts (22 bis 6 Uhr) erweitert werden: von der Ecke Heidelbergstraße/Schelmengasse bis zur Avia-Tankstelle und in der Steinhofener Straße vom Kreisverkehr bis zum Maler Fecker. 30 Km/h sollten auch in Thanheim gelten. In Wessingen soll die Schallschutzmauer verbessert werden.   Den Belag sanieren. Wenn dies regelmäßig gemacht, würde, würden sich etwa Schachtdeckel nicht so stark absenken. Auch könnte Flüsterasphalt verbaut werden.

  Geschwindigkeit stärker überwachen. Denn: Je schneller ein Auto fährt, desto lauter ist es. Die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit trägt zur Minderung von Lärm bei. Stationäre Blitzer seien laut Gutachten nur wirksam, wenn sie in der Fläche in entsprechender Zahl vorhanden sind.

  Geschwindigeitsmesser aufstellen, die die Geschwindigkeit anzeigen (ähnlich den Anlagen, die bereits in Thanheim und Wessingen in Betrieb sind).

  Andere Verkehrsmittel benutzen. Hauptgrund für den Lärm ist der Individualverkehr. Auch Anreize, auf Bus oder Fahrrad umzusteigen oder zu Fuß zu gehen, sollten geschaffen werden.

  Sensibilisieren für gesundheitliche Gefahren. Dauerhafter Lärm ab einem gewissen Pegel führe zu gesundheitlichen Schäden, heißt es im Gutachten. Darüber aufzuklären soll das Bewusstsein der Autofahrer ändern. Dies soll zu "lärmarmer Fahrweise" führen.

  Lärm berücksichtigen bei Planungen der Kommune, zum Beispiel, wenn es um den Bau und die Erneuerung der Infrastruktur geht.

  Städtebauliche Maßnahmen können Lärm vermeiden. Etwa im Hinblick auf die geografische Lage von Wohn- und Gewerbebebauung. Dies kann auch Auswirkungen auf Bebauungspläne haben.