Der Verkehr rollt: Nun soll ein Gesamtkonzept her, das nicht nur Autofahrer, sondern auch Fußgänger und Radler einbezieht.Foto: Kauffmann Foto: Schwarzwälder Bote

Lärmaktionsplan: Gemeinderat streicht Begriff "Ortsumfahrung" / Ein Gesamtkonzept muss her

Jetzt ist es doch noch geschafft: Der Gemeinderat hat am Dienstagabend den Lärmaktionsplan beschlossen. Insbesondere die Ortsumfahrung hat für Diskussionen gesorgt. Ergebnis: Das Gremium will ein Konzept für alle Verkehrsteilnehmer.

Bisingen. Vielleicht sagt ein Blatt Papier ja mehr als Tausend Worte? Ihre Meinung zur Ortsumfahrung hat Gisela Birr eigens aufgeschrieben und vorgetragen – man muss dazu wissen: Das kommt bei Birr über die Maßen selten vor. Findige Beobachter könnten hineininterpretieren, dass ihr das Thema über die Maßen am Herzen liegt. In welchem Sinne? Das wird schnell deutlich: Die Ortsumfahrung sei "Symbolpolitik", vor fast 20 Jahren sei das Projekt doch abgelehnt worden und seit damals habe sich die Verkehrssituation nicht groß verändert: Der Verkehr sei hausgemacht und überhaupt sehe man beispielsweise an Endingen und Ofterdingen, wie langwierig die Realisierung einer Umgehung ist: "Das hat Auswirkungen auf Jahrzehnte." Trotz dieser langen Zeit sei dort "nix erreicht worden".

Zu ihrem gut vorbereiteten Statement gehört auch die Perspektive: Man müsse sich überlegen, wohin man den Schwerlastverkehr umleiten könne, sodass die Lastwagen rauskommen aus dem Ort. Sobald die Umfahrung Lautlingens realisiert ist, bestehe dafür eventuell die Möglichkeit. Außerdem schlägt sie vor, Güter von der Straße auf die Schiene zu verlagern, schließlich gebe es auch in Bisingen einen stillgelegten Güterbahnhof und sie verweist Reaktivierung alter Bahnstrecken. Ein Thema, das tatsächlich immer wieder in öffentlichen Diskussionen aufblitzt, etwa im Hinblick auf die Eyachtalbahn. Ziel müsse es laut Birr sein, eine neue "Verkehrskonzeption" anzustreben – und man könnte ergänzen: nicht die Umfahrung.

Sich an eigener Nase fassen

Birrs Vortrag: eine Steilvorlage für Klaus Ertl, der als Befürworter der Umgehung bekannt ist. "Danke für Dein abgelesenes Statement", hob er mit beißendem Spott an. Er wolle seine Meinung in freier Rede vermitteln. Seit dem Bürgerentscheid habe sich die Situation verändert, auch die "Einschätzung der Bürger". Ertl: "Von den Leuten erfahre ich nur Zustimmung." Er werde es mit seinen 77 Jahren zwar nicht mehr erleben, dass eine Umgehung gebaut wird, aber man müsse das Projekt auf die Agenda heben, Daten ermitteln, "wo wir sie vor fast 20 Jahren ermittelt haben", um einen Vergleich zu ziehen. Und erst danach steht für ihn die Entscheidung.

Wie sich im Verlauf der Diskussion gezeigt hat, teilt die Mehrheit diese Meinung nicht. Dieter Fecker: "Ich bin bei Gisela." Auch er plädiert für eine Verkehrskonzeption, die sich "nicht nur" auf eine Ortsumfahrung festlege. Darüber hinaus sollten zum Beispiel auch Öffentlicher Personennahverkehr und Radfahrwege bedacht werden. Konrad Flegr: "Es ist kontraproduktiv, wenn man das Lärmgutachten mit einer Ortsumfahrung verquickt", weil die "zeitlichen Horizonte" über die Maßen verschieden sind. Die Möglichkeiten, die der Lärmaktionsplan aufzeigt, seien schnell umsetzbar, eine Umgehung brauche Jahrzehnte. Im Hinblick auf den innerörtlichen Verkehr sagt er: "Man muss sich selbst an die Nase fassen und fragen, ob jede Fahrt notwendig ist." Auch er spricht sich für ein Verkehrskonzept aus, das alle Verkehrsteilnehmer mit einbezieht. Ertl bekräftigt: "Ich möchte die Ortsumfahrung nicht unter dem Verkehrskonzept sterben lassen."

Die Ortsumfahrung, so Birr, sei in einem Verkehrskonzept enthalten und sie macht es überdeutlich: "Ich will die Ortsumfahrung nicht im Lärmaktionsplan haben. Das hat doch hier eigentlich nichts zu suchen." Die übrigen Gemeinderatsmitglieder schienen ihr schweigend zuzustimmen. Auf entsprechende Nachfrage Ertls, "warum wollt ihr den Begriff Ortsumfahrung nicht drin haben?", antwortet Birr: "Die Konzeption deckt alles ab."

Bürgermeister Roman Waizenegger sagte, dass die Bürger – und das waren mehr als 30 – diesen Begriff selbst angebracht haben. Er betonte aber auch, wie langatmig die Realisierung einer Ortsumfahrung ist. Was ihm beim Bürgerentscheid 2002 aufgefallen ist: Die Bürger haben nur über eine Machbarkeitsstudie abgestimmt, deren Ergebnis bis heute aussteht – schließlich hätte diese Studie auch zum Ergebnis haben können, dass bei der vorgesehenen Trasse Kosten und Nutzen in keinem Verhältnis stehen. Auf halber Strecke sei das Thema abgebrochen worden und darauf führt er zurück, dass es "bis heute schwelt". Der Schwerpunkt heute müsse schon deshalb auf der Analyse des Verkehrs liegen.

Der Beschluss

Zurück zur Ortsumfahrung: Den Begriff hat der Gemeinderat per Mehrheit aus dem Lärmaktionsplan getilgt – auch aus dem Abwägungsprotokoll, in dem die Verwaltung Stellung zu den Eingaben der Bürger genommen hat. Stattdessen heißt es auf Vorschlag von Dieter Fecker nun: "Die Gemeinde strebt ein Verkehrskonzept an, das alle möglichen kurz-, mittel- und langfristigen Mittel prüft, um den Verkehr erträglicher zu gestalten." Mit dieser Änderung, die nur zwei Nein-Stimmen erhalten hat, ist der Lärmaktionsplan angenommen.

Das Ergebnis der Diskussion zum Lärmaktionsplan entspricht dem, was die gut 30 Bürger fordern: Ein Konzept, das nicht nur Autos und Lastwagen berücksichtigt, sondern auch Fahrradfahrer und Fußgänger. Ihrer Meinung nach reicht die Umsetzung der Maßnahmen im Lärmaktionsplan nicht aus. Den Bürgern gehe es um das – wie sie sagen – "große Ganze". In ihrer Eingabe an die Verwaltung heißt es: Die Unterzeichner der Bürgerstellungnahme bitten um "eine Agenda für einen allgemeinen Infrastruktur- und Generalverkehrsplan".

Dem Regierungspräsidium werden diese Ganztags-Tempo-30-Zonen vorgeschlagen:

n Bisingen: L360 von der Einmündung Beethovenweg bis zur Einmündung Unterlauenweg.  Balinger Straße, Schulplatz, Lenaustraße und Steinhofener Straße im Bereich Einmündung Marienburgstraße bis Kreisverkehr Steinhofener Straße/Heidelbergstraße.

n Thanheim: L360 (Thanheimer und Onstmettinger Straße) zwischen Abzweig K7111 und Einmündung Ziegelwasen

n Gute Chancen: Während der Sitzung ist deutlich geworden, dass die Chancen auf die Genehmigung der 30er-Zonen gut stünden.

n Weitere Maßnahmen: Die Erhöhung der vorhandenen Lärmschutzwände entlang der B27 in Wessingen wird geprüft. Ebenfalls geprüft wird eine Lärmschutzwand an der B27 zwischen Lidl und Höhe Hechinger Straße 87. Das Aufbringen von Flüstersphalt wird bei künftigen Erneuerungsmaßnahmen geprüft. Was das Durchfahrtsverbot für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen anbelangt, seien die Gespräche in den Endzügen, berichtete Bürgermeister Roman Waizenegger.