An der Fahrzeugweihe mit Pfarrer Franz Presser und Mesner Emil Schoy (rechts) in den 60er-Jahren nahmen auch Traktoren teil.Fotos: Wahl Foto: Schwarzwälder Bote

Mobilität: Die Fahrzeuge waren in Berthold Lachers Kindheit noch eine Sensation

Von Jörg Wahl

Krach und verschmutzte Luft: Vielen Anwohnern hoch frequentierter Straßen ist der Verkehr ein Ärgernis. Das war nicht immer so: Es gab auch eine Zeit, in der in Bisingen fahrende Autos spontanen Applaus von Passanten erhielten.

Bisingen. Berthold Lacher erzählt über die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, als einem in der Bisinger Ortsmitte nur selten ein Fahrzeug auf der Straße begegnete. "Wir Kinder konnten noch sorglos und ohne Aufsicht auf der Straße spielen und waren keineswegs den Gefahren des Verkehrs ausgesetzt", berichtet er. Von Erzählungen seines Großvaters, der 1880 geboren war, weiß er noch, dass wenn ein Auto durch den Flecken fuhr, die Leute stehen blieben und klatschten – eine Sensation.

n Mit Stier und PferdKaum jemand erinnert sich noch an die Zeit, als die Fuhrwerke, gezogen von Stieren, Kühen und Pferden noch täglich unterwegs waren und allmählich von den motorbetrieben Maschinen abgelöst wurden. In regelmäßigen Abständen fuhr etwa das Pferdefuhrwerk die Brauerei Zöhrlaut aus Haigerloch vor und lieferte an die Wirtshäuser Bierfässer.

n HolzvergaserNach dem Ersten Weltkrieg hat die Zahl der Fahrzeuge mit Motor stetig zugenommen. Zuerst wurden sie für den Transport von Lasten, später zur Fortbewegung genutzt – zumindest von denen, die es sich leisten konnten.

Das Lagerhaus in Bisingen unterhielt einen Lastkraftwagen mit qualmendem Holzvergaser. Der Holzvergaser, wurde mit Brennholz – produziert beim Zollerbahnhof – befüllt und funktionierte als Festbettvergaser. Durch Erhitzen entwich aus dem Holz das brennbare Gasgemisch (Holzgas).

n "Hohenzollerische Lande"Die ersten Autos dagegen wurden in Bisingen von Fabrikanten gefahren, darunter waren etwa die Unternehmer Keller/Müller, Maute und Gress. Der Tankstellenbesitzer Heinrich Rager ("Tango-Rassler") besaß ebenfalls Ende der 20er-Jahre eines der ersten Automobile mit dem Kennzeichen IL (Hohenzollerische Lande) und unterhielt ebenso eine der ersten Tankstellen in der Gemeinde Bisingen. Außerdem war es der einstige Pfarrer Birkle, der schon 1932/33 einen Opel P 4 fuhr. Seelsorgerisch war dieser von 1925 bis 1937 in Bisingen tätig.

n Erste Frau mit FührerscheinSeine Haushälterin Lidwina Binder war zugleich die erste Frau in der Zollergemeinde, die den Führerschein besaß. Auch der 1951 nach Bisingen gekommene Pfarrer Franz Presser besaß ein Auto. Hauptsächlich nutzte dieser das Gefährt, um bei Beerdigungen auf den Friedhof zu gelangen. Außerdem durfte damals Mesner Emil Schoy und zwei Ministranten mitfahren. n Mit Schlittschuhen am LKW Es konnte schon mal vorkommen, dass ein Auto kurzfristig beim der Tankstelle des "Tango-Rasslers" (beim heutigen Kreisverkehr mit Brunnenanlage) für eine Fahrt in den Nachtstunden ausgeliehen wurde, ohne dass der Tankstellenbesitzer Bescheid wusste, weiß Lacher zu berichten. Heutzutage wäre dies Diebstahl und würde bestraft werden. Aber wen kümmerte es schon, wenn nichts passierte?

Lacher erinnert sich: "Mit den Schlittschuhen haben wir uns als Kinder an die großen Lastwägen geklammert, diese zogen uns den Stich hoch und wir hatten anschließend eine tolle Abfahrt." n   Erster Bus-BesitzerLokalgeschichte geschrieben hat auch Edwin Soder. Der 1890 geborene Kraftfahrer und Maschinenmeister kam 1926 nach Bisingen und betrieb zunächst in der Bahnhofstraße, direkt vor der Firma Maute (späteres Pförtnerhaus) eine Tankstelle und KFZ-Werkstätte. Unterkunft bekam er bei Weinhändler Haug. Im Zuge von Erweiterungsmaßnahmen der Firma Maute 1935 musste Edwin Soder weichen. Er baute eine Tankstelle mit Auto-Reparaturwerkstatt an der B 27 nahe dem späteren Flugplatzgebäude. Bereits 1928 war er der erste Omnibusbesitzer.

Schon vier Jahre später folgte die Anschaffung eines zweiten Busses. Vielen Mitbürgern ist dieser grüne Omnibus noch in bester Erinnerung, eine der wenigen in unserer Gegend, der die Arbeiter hauptsächlich von Grosselfingen in die Bisinger Fabriken beförderte. Ebenso wurden mit dem Bus unzählige Vereinsausflüge gefahren, wie auch die aktive Fußballmannschaft des Bisinger Fußballvereins zu Spielen außerhalb Bisingens.

n LöschfahrzeugAutos für die breite Bevölkerungsschichten kamen erst in den 60er-Jahren auf. Die Hilfsorganisationen wurden teils noch später motorisiert, so etwa die Freiwillige Feuerwehr Bisingen 1964 mit dem LF 8 (Löschfahrzeug) und die DRK-Bereitschaft Bisingen sogar erst 1972 mit einem VW-Bus. Rasant hat sich die Mobilität verändert – und das brachte nicht nur Fortschritt, sondern auch Beschwerden von Anwohnern viel befahrener Strecken, unter anderem in Bisingen.