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Die Kritik an der Ratsvorsitzenden der EKD, Margot Käßmann, reißt nicht ab. Sie hatte in ihrer Neujahrspredigt über den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gesprochen.

Berlin - Die Kritik an der Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, reißt nicht ab. Es wäre besser gewesen, wenn sie vor ihrer Predigt das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte, sagt der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch.

Diese Neujahrspredigt hat es in sich. Da steht Margot Käßmann auf der Kanzel der Dresdner Frauenkirche und widmet ein paar Sätze auch dem Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Alle Strategien hätten lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten Waffen einsetzen und Zivilisten getötet werden, sagt die EKD-Vorsitzende angriffslustig. Dabei seien "ganz andere Formen" der Konfliktbewältigung nötig. "Nichts ist gut in Afghanistan", verkündet Käßmann und fordert eine Abkehr von der "Logik des Krieges" und "mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen". Waffen schafften offensichtlich keinen Frieden in Afghanistan.

Das klingt so belehrend, als ob sich der Bundestag noch keine Gedanken über das Problem gemacht hätte. Als ob er die Soldaten ins offene Messer laufen ließe. Als ob die Bundesregierung nicht selbst wisse, dass mit Waffengewalt allein der Terror nicht zu besiegen ist. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) lässt Käßmanns Oberflächen-Offensive daher nicht unwidersprochen. "Frau Käßmann sollte nicht übersehen, dass die Bundeswehr im Auftrag der Vereinten Nationen in Afghanistan ist. Wir brauchen im 21. Jahrhundert mehr Zusammenarbeit - beim Kampf gegen den Terrorismus ebenso wie beim Umweltschutz und bei der Regulierung der Finanzmärkte."

Auch Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hält dagegen. Käßmann dürfe eine eigene Meinung haben, "sie sollte ihre Kritik am Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aber nicht für die evangelischen Kirchenmitglieder äußern", sagt Niebel. Klar, dass da auch Kirsch nicht schweigen will: "Es wäre besser gewesen, wenn Käßmann vor ihrer Predigt das Gespräch mit den Soldaten über ihre schwierige Aufgabe gesucht hätte", schimpft er. Käßmanns Nein zum Afghanistan-Einsatz schaffe nur neue Frustrationen. Was wiederum Helmuth Prieß, Vorstandsmitglied der Soldatenvereinigung "Darmstädter Signal", auf den Plan ruft. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass nachdenkliche Soldaten eine Missachtung ihres Einsatzes sehen. Sie sehen sich vielmehr bestärkt in ihren eigenen Sorgen", entgegnet Prieß. Käßmann habe sich "sehr differenziert und absolut überzeugend" geäußert: "Ich bin heilfroh über die Bischöfin."

Käßmann tut erstaunt. "Ich bin schockiert, was so aus meiner Predigt gemacht wird." Eine Predigt sei doch keine politische Erklärung: "Als Bischöfin stehe ich keiner Partei als Kronzeugin zur Verfügung." Und überhaupt: Sie habe nie den sofortigen Abzug der deutschen Soldaten verlangt. Aber die Kirche fordere einen erkennbaren Plan für den Abzug. Ein Einsatz wie in Afghanistan sei nur zu rechtfertigen, wenn die zivile Komponente dominiere: "Der Vorrang des Zivilen aber ist doch beim Bundeswehreinsatz längst infrage gestellt. Und er wird vollends zerstört, wenn Deutschland weitere Einsatztruppen nach Afghanistan schickt." Besonders ärgert sie die "perfide Unterstellung", sie lasse mit ihren Äußerungen die Soldaten im Stich. Begleiteten katholische wie evangelische Geistliche nicht Soldaten beim Einsatz und danach? Sprächen sie nicht mit Traumatisierten, würden sie nicht Tote begraben, wenn sie nach Deutschland zurückkehrten und den Angehörigen beistehen?

Und so ist es an der Kanzlerin, die Gemüter zu beruhigen. Angela Merkel lässt Vizeregierungssprecher Christoph Steegmans erklären, dass es zwar in diesem Fall "eine Meinungsverschiedenheit" gebe, sie und die Bundesregierung aber "immer im Gespräch mit der EKD" seien. Ebenso wie die Kritiker des Einsatzes hätten auch diejenigen Respekt verdient, "die es sich mit einer Entscheidung für den Einsatz nicht leicht machen". Es darf abgerüstet werden.