Die Firma Müller Fleisch sieht die Corona-Krise als "schwerste Herausforderung der Vergangenheit". Foto: Deck

Geschäftsführer von Müller Fleisch geben Auskunft zur aktuellen Situation rund um den Birkenfelder Betrieb.

Birkenfeld/Kreis Calw - In den vergangenen Tagen wurde viel über Müller Fleisch und die Situation des unter Corona-Quarantäne stehenden Betriebs geredet. Nun boten die beiden Geschäftsführer Martin und Stefan Müller bei einer Telefon-Pressekonferenz erstmals die Möglichkeit, direkt mit der Firma ins Gespräch zu kommen und so ihre Sicht auf die Dinge darzustellen.

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"Wir sind keine Medienprofis", sagte Stefan Müller dann auch gleich zu Beginn der Telefon-Pressekonferenz mit den Vertretern der lokalen Zeitungen. Und er gab zu, dass die Kommunikation nicht optimal gelaufen sei. Aber man habe in den vergangenen beiden Wochen versucht, die Situation schnellstmöglich in den Griff zu bekommen. Im rund 50-jährigen Firmenbestehen habe man schon "einiges erleben dürfen und müssen. Aber das ist die schwerste Herausforderung der Vergangenheit. Es gibt keine Blaupause", so Müller weiter. Die häusliche Quarantäne betreffe mit den Familien mehrere Tausend Personen. Allein da sei die Kommunikation schwierig.

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Er wies darauf hin, dass Fremdarbeiter aus anderen Ländern in vielen Bereichen im ganzen Land im Einsatz seien und viele Wirtschaftsbereiche in Deutschland ohne sie schlicht nicht mehr denkbar wären. So werde zum Beispiel der Beruf des Fleischers ab dem kommenden Schuljahr in Pforzheimer Schulen mangels Nachfrage nicht mehr ausgebildet und man könne kaum ausreichend Mitarbeiter-Nachwuchs in der Region gewinnen. Außerdem sagt er deutlich: "Am Schlachtband stehen nicht mehr viele deutsche Mitarbeiter." Für zahlreiche Arbeiten seien in der Region einfach keine Arbeiter zu finden.

450 von 1100 Mitarbeitern sind fest angestellt

Rund 1100 Mitarbeiter hat Müller Fleisch derzeit. Etwa 450 davon sind festangestellt. Der Rest arbeite über sogenannte Werkverträge mit Subunternehmern im Betrieb. "Das sind keine Saisonarbeiter", stellte er klar. Zudem würden die Arbeiter auch keineswegs schlecht bezahlt, sondern "im Wesentlichen deutlich über dem Mindestlohn". Zudem seien alle Mitarbeiter kranken- und sozialversichert: "Ohne das kommt bei uns keiner rein", versicherte Stefan Müller.

Immer wieder stünden auch die Unterkünfte der Beschäftigten im Fokus. Hier stellte er klar, dass Arbeitgebern die Einflussnahme auf das häusliche Umfeld untersagt sei, egal welche Nationalität sie haben. Vielmehr erschrecke sie die Vorstellung, "dass ein Arbeitgeber Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad und Küche sowie Freizeitverhalten seiner Mitarbeiter kontrollieren soll. Er darf das nach aktueller Gesetzeslage und Rechtsprechung auch nicht".

Dennoch versuche man, über die Werkverträge den "maximal möglichen Einfluss" auf das häusliche Umfeld der Mitarbeiter zu nehmen. Hierbei gebe es recht umfangreiche Standards, die auch von unabhängigen Stellen geprüft und zertifiziert würden. So gebe es Empfehlungen zur Miete und Größe – etwa zehn Quadratmeter an Platz müsse jeder Arbeiter haben, die meisten hätten deutlich mehr. Auch die Belegung der Zimmer sei geregelt und maximal Zweibettzimmer vorgesehen. Insgesamt bescheinigen die Müller-Geschäftsführer, dass in den Unterkünften der Arbeiter "ordentliche Verhältnisse" herrschen würden. Zudem ergänzten die beiden, dass man sich um die unter Quarantäne stehenden Arbeiter kümmere. So stelle man Schutzmasken auch für den privaten Gebrauch zur Verfügung und verteile Desinfektionsmittel. Zudem liefere man "Care-Pakete" für Mitarbeiter in häuslicher Quarantäne und habe einen Hol- und Bringdienst zur Arbeit organisiert.

Firma beteiligt sich an Kosten für Unterbringung

Mittlerweile sei auch die Unterbringung der positiv getesten Mitarbeiter in zentralen Einrichtungen angelaufen. Hier sei das Unternehmen über die Finanzierung in Gesprächen mit den Landkreisen. Martin Müller stellte klar, dass die Firma rechtlich nicht verpflichtet sei, die Unterbringung zu bezahlen, "aber wir haben uns moralisch in die Pflicht genommen, uns daran zu beteiligen", so Müller weiter. Dennoch sehe man sich nicht in der Pflicht, die kompletten Kosten zu übernehmen. "Wir werden uns angemessen beteiligen. Wir tun, was wir können", versicherte er. Auch im Betrieb habe man einiges unternommen, um die Hygiene zu verbessern. Außerdem soll die Mitarbeiterzahl im Bereich Betriebshygiene aufgestockt werden.

Den Forderungen, die auch im Kreis Calw laut wurden, die Firma vorübergehend zu schließen, wies Müller zurück. Die Mitarbeiter müssten trotzdem in Quarantäne bleiben: "Das wäre kein anderes Thema, ob Müller arbeitet oder nicht." Zudem habe man auch Verträge mit Tausenden Landwirten: "Wir müssen die Tiere abnehmen."

Auch wenn man bereits im Vorfeld versucht habe, sich auf die Situation vorzubereiten, habe man sicher Fehler gemacht: "Wenn wir sagen würden, wir haben alles richtig gemacht, wären wir fehl am Platz. Das war für uns sehr lehrreich."