Pfaffs Vater Hermann hat eine wenig rühmliche Vergangenheit, wie sein Sohn es ausdrückt. Er sei "Betriebsnazi" bei der Firma Mauser gewesen, habe sich lange mit dieser Rolle identifiziert, ehe er sich im Dialog mit Sohn Ulrich entwickelt habe – von der SS zum Friedensdienst.
Dass er schließlich in den 1970er-Jahren ein Mahnmal für die Zwangsarbeiter im heimischen Garten errichtete, sei der historische Anfang der Erinnerungskultur gewesen, sagt Ulrich Pfaff. "Es ist bis heute das einzige Mahnmal in Deutschland, das von privater Hand auf privaten Grund und Boden zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter errichtet wurde." Später wurde es zu einem Gedenkort gegen Krieg und Faschismus erweitert.
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Auf der Tafel des Mahnmals in seiner ursprünglichen Gestaltung prangerte Hermann Pfaff die Waffenproduktion in Oberndorf an und wurde deshalb auch angefeindet. Die Tafel wurde durch Schüsse beschädigt und verschwand schließlich. 1979 brachte Hermann Pfaff eine Bronze-Tafel an, die an die Zwangsarbeiter aus Polen, Russland, Frankreich, Holland, Belgien und anderen Ländern erinnerte. Ulrich Pfaff ergänzte 2002 Erläuterungen. Am 27. Januar wird seit 1996 in Deutschland, unter anderem an diesem Mal, der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.
Doch was war Hermann Pfaff für ein Mann? Woher rührte die radikale Umkehr des Pietisten? Mit diesen Fragen hat sich Ulrich Pfaff beschäftigt. Als ehemaliger Diakon und Koordinator der Friedensdienste bei der Evangelischen Landeskirche war die politische Ethik dem 83-Jährigen schon immer wichtig.
Woher rührt die Umkehr?
Bezüglich der Biografie seines Vaters steht er in Kontakt mit dem Familienverband Feuerlein, zu dem die Pfaffs gehören. Die Ahnenforschung habe im Dritten Reich Konjunktur gehabt. Um die "saubere arische Abstimmung" belegen zu können, habe man sich um Familienverbände bemüht, so Pfaff. Unklar war ihm, wie die Feuerleins auf die Aufarbeitung der Nazi-Vergangenheit seines Vaters reagieren würde. Letztlich wurde er darin sogar bekräftigt. "Meine Absicht war, dem Verband damit auf die Sprünge zu helfen, an dem Erinnerungsthema dranzubleiben." Er sei aber auch auf Ergänzungen von Seiten der Verwandten aus gewesen.
Hermann Pfaff war der Sohn eines Nürtinger Sattlermeisters und einer Näherin. Die Heimat des Vaters war die Bewegung der Altpietisten, denen es um fromme Innerlichkeit gehe, so schreibt Ulrich Pfaff. "Die böse Welt" sei eigentlich nicht durch Menschen zu retten, sondern nur durch den Sohn Gottes, so deren Auffassung.
Dann sei Adolf Hitler gekommen, habe von der "Vorhersehung" und dem "Beginn des im Neuen Testament verheißenen tausendjährigen Reiches" getönt. Die Pietisten seien davon beeindruckt gewesen. Das gehörte zur Sozialisation von Hermann Pfaff.
Um eine Fachschule für Kunsthandwerk zu besuchen, zog dieser nach Berlin, wo er offenbar vollends zum Nationalsozialisten wurde und spätestens da in die SS eintrat. Erst arbeitete Pfaff als Schaufenster-Dekorateur. Der jüdische Besitzer warf ihn jedoch raus, als er erfuhr, dass Pfaff an Straßen-Demos der Nazis beteiligt war. So wurde Pfaff obdachlos.
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Dann geschah etwas, das er später als Schlüssel-Erlebnis bezeichnete. So entstand aus einem zufälligen Treffen mit einem anderen Schwaben eine jahrelange Freundschaft. Paul Ströbel war kaufmännischer Leiter der Rüttgers-Werke, in denen Eisenbahnschienen mit Teer-Destillat imprägniert werden. "Räder müssen Rollen für den Sieg", sagte er immer. In seine Führungsposition kam er nur als überzeugter Nationalsozialist, schreibt Pfaff. "Paul hat’s schön weit gebracht, während für mich nichts blieb als die gescheiterte Existenz", dachte sich Hermann Pfaff offenbar damals. Ströbel war später als "Elite-Nazi" zum Stadtkommandanten in Polen, Belgien, Rumänien und in Italien avanciert.
Pfaff meldete sich zum Reichs-Arbeitsdienst mit dem Ziel, in den "noch zu befreienden Ost-Gebieten" zu siedeln. Was harmlos klingt, habe in Wahrheit Deportation und Zerstörung bedeutet. Gesundheitliche Probleme standen Pfaffs Plänen jedoch im Weg, so dass er sich bei der Firma Mauser in Oberndorf bewarb. Dort boomten die Produktion und die Nazi-Ideologie. Bei seiner Verwandtschaft fand Pfaff eine Bleibe. In Altoberndorf baute er ein kleines Gehöft als Ersatz für die verpasste Siedler-Existenz. Genau daneben entstand das Lager für 2000 Zwangsarbeiter.
"Eines Tages hat die Evangelische Landeskirche ›die Kurve genommen‹", schreibt Ulrich Pfaff in der Biografie. Sein Schwiegervater habe Hermann Pfaff dazu gedrängt, ebenfalls zu Nazis auf Distanz zu gehen. Die Folge: Nach Differenzen bei der Saal-Dekoration zum Hitler-Geburtstag wurde Hermann Pfaff nach Frankreich geschickt und dort zum Kriegsgefangenen.
Halb verhungert zurück
Aus Tagebucheinträgen geht hervor, dass im Lager teilweise Verhungerte im Dutzend weggeschafft wurden. Dass Pfaff nicht darunter war, hatte offenbar mit seinem Job als Sattler zu tun. Aus Resten von Zeltplanen nähte er Rucksäcke für Mitgefangene und bekam dafür Brot.
Im Sommer 1948 endete Pfaffs Gefangenschaft. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg stieß ihm sauer auf. Ehemalige Nationalsozialisten hatten mithilfe von Persilscheinen wieder zu Amt und Würden gefunden, während er für seine Vergangenheit bestraft wurde – zunächst mit Gefangenschaft, dann zu Hause mit Berufsverbot.
Zum Geburtstag erhielt Pfaff ein Abonnement der links-protestantischen Zeitschrift "Stimme der Gemeinde" für politische Ethik. Sie veränderte ihn offenbar vollends. Pfaff wurde zum entschiedenen Antifaschisten und Friedensaktivisten. "Die Zeitschrift hat ihm viel bedeutet", erinnert sich der Sohn.
Eine Reflexion und Aufarbeitung der Vergangenheit erwartet Ulrich Pfaff auch von Firmen und Institutionen, die in den Nationalsozialismus involviert waren, sagt er in Bezug auf die mögliche Nazi-Vergangenheit von Edmund Heckler, die vor Kurzem Thema war.
Wäre für Pfaff dann auch eine Umbenennung der Heckler-und-Koch-Straße nötig, wenn sich der Verdacht bewahrheitet? Das wäre nur konsequent, findet er. Schließlich habe man es in anderen Fällen auch so gemacht. In Bezug auf die Waffenindustrie in Oberndorf gleiche die Einstellung der meisten jedoch – seiner Meinung nach und wie eine Psychologin einmal erhoben habe – den drei japanischen Affen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.
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