Foto: dpa

Ryanair landet nur, wenn Subventionen fließen - und verhält sich wie der Rüpel der Branche.

Berlin - Die irische Billigfluglinie Ryanair verspricht kleineren Flughäfen Flugverbindungen und Jobs. Doch wenn die öffentlichen Gelder ausbleiben, macht sich die Fluggesellschaft wieder aus dem Staub. Den Schaden hat der Steuerzahler.

 

Die irische Fluglinie Ryanair hat in der Branche den Ruf eines notorischen Wirtshausschlägers. Der Sprecher eines großen Flughafenbetreibers, der seit Jahren mit den Iren so seine Erfahrungen gemacht hat, seinen Namen aber auf keinen Fall in der Zeitung lesen möchte, fasst das Geschäftsgebaren von Ryanair-Chef Michael O'Leary so zusammen: "Wenn Sie denen krumm kommen, gibt es einen auf die Nase." Bei Verhandlungen seien Kraftausdrücke wie "You bloody airport-bastards" (etwa: ihr bescheuerten Flughafen-Idioten) und andere Pöbeleien durchaus an der Tagesordnung.

Die Geschäfte des Billigfliegers Ryanair scheinen noch immer glänzend zu laufen: Branchenexperten rechnen damit, dass Ryanair allein im Geschäftsjahr 2010/2011 einen Gewinn von mehreren Hundert Millionen Euro einfahren wird. Und das bei Ticketpreisen von zwölf Euro etwa für einen Flug von Deutschland nach Marrakesch. Wie geht das? Irgendjemand muss die Zeche zahlen. Dass der Passagier an jeder Ecke mit Sondergebühren belegt wird, ist bekannt.

Der sogenannte Billigflieger Ryanair hat ein Geschäftsmodell entwickelt, bei dem er vor allem die öffentliche Hand abkassiert. Der Steuerzahler kann sich schlecht dagegen wehren, wenn ambitionierte Wirtschaftspolitiker aus der Region oder dem Bundesland mit den Iren Geschäfte machen und ihnen Steuermillionen nachwerfen. Die Masche ist immer wieder ähnlich: Ryanair verspricht Betreibern von Kleinst- und Regionalflughäfen Flugverbindungen und damit Jobs, wenn die sich verpflichten, die Infrastruktur für den Flugbetrieb aufzubauen. Die Maschinen der Iren landen nur, wenn Subventionen fließen: Meistens hält Ryanair bei den Flughafengebühren die Hand auf. Je Passagier muss eine Fluglinie an den Großflughäfen etwa 20 bis 25 Euro pro Abflug für die Abfertigung an den Betreiber zahlen. Ryanair bekommtmeistbessere Konditionen.

Ludger van Bebber, Geschäftsführer des Flughafens Weeze bei Düsseldorf, wo 2010 2,6 Millionen Ryanair-Passagiere in die Luft gingen, sagt zur Höhe der Flughafengebühren nur so viel: Weeze verlange für die Abfertigung etwa zehn Prozent von der Gebühr, die an einem Großflughafen fällig werde. Das Geschäftsmodell seines Flughafens funktioniere, lässt van Bebber noch wissen. 2010 habe der Flughafen vor Steuern ein Betriebsergebnis von etwa fünf Millionen Euro erwirtschaftet. Im Juli hätte der Standort allein 1269 Menschen ihren Job gesichert.

Passagiere bleiben weg, Schulden bleiben

Nicht so gerne spricht van Bebber von der anderen Seite des Geschäfts. 70 Millionen Euro hat der Umbau des Flughafens gekostet, 26 Millionen davon hat der Kreis Kleve 2003 als Kredit gegeben. Seitdem hat der Flughafen aber zu wenig abgeworfen, um die Steuergelder zurückzuzahlen. Anstatt die Schulden bei der öffentlichen Hand zu tilgen, blieb der Betreiber auch noch die Zinsen schuldig.

Inzwischen ist der Schuldenberg auf 34 Millionen Euro angewachsen. Schon jetzt ist klar, dass es noch dicker kommt: Wegen der neuen Luftverkehrsabgabe, die der Gesetzgeber ab 2011 verlangt, bleiben viele Passagiere bei der irischen Billigfluglinie weg. Der Weeze-Betreiber rechnet für 2011 mit einem Fünftel weniger Ryanair-Passagieren. Die Iren haben bereits 13 Flugstrecken von Weeze aus gestrichen. Allein an Zinsen müsste der Flughafenbetreiber dieses Jahr 1,3 Millionen Euro zahlen. Van Bebber räumt ein: "Wir haben mit dem Landkreis die Möglichkeit besprochen, bis 2016 die Zins- und Tilgungszahlungen auszusetzen." Die Schulden des Betreibers beim Landkreis werden also weiter wachsen. Noch fliegt Ryanair nach Weeze. Falls die Iren es sich aber eines Tages anders überlegen sollten, hätte Weeze ein Problem: Etwa 90 Prozent aller Weeze-Passagiere checken am Schalter der Iren ein. Ryanair spielt gerne die Betreiber von Kleinstflughäfen gegeneinander aus. In der Branche heißt es, Ryanair ziehe wie Heuschrecken durch Europa, kassiere Millionen. Wenn aber der Fluss öffentlicher Gelder versiege, mache sich die Linie aus dem Staub. So fliegt Ryanair den Miniflughafen Altenburg in der Nähe von Leipzig seit Anfang Januar nicht mehr an. Man hört, dass Ryanair zuvor der Subventionshahn abgedreht wurde. Bis dahin seien für den Flughafen öffentliche Gelder in Höhe von 17 Millionen Euro geflossen.

Es geht aber offenbar auch anders. Ralf Schmid, Sprecher der Geschäftsführung des Flughafens Memmingen im Allgäu, gibt offen Auskunft. "Wir haben nichts zu verbergen", sagt der gebürtige Schwabe im Gespräch mit unserer Zeitung. Seit Frühjahr 2009 landen und starten Ryanair-Maschinen auf dem Allgäu-Flughafen. "Natürlich versucht Ryanair, überall umsonst zu fliegen, auch bei uns", so Schmid. Er sei aber gegenüber den Iren hart geblieben, habe sich nicht an Ryanair gebunden. Die Verhandlungen hätten sich über sechs Jahre hingezogen. Schmid: "Wir kaufen uns keine Verkehre." Der Flughafen, der von regional ansässigen Unternehmern getragen wird, vom Freistaat Bayern einmalig sieben Millionen Euro als Anschubfinanzierung bekommen habe und ansonsten völlig ohne öffentliche Gelder auskomme, gewähre Ryanair keinerlei Vergünstigungen. "Ryanair bekommt exakt die gleichen Konditionen wie alle anderen Anbieter auch." Die Gebührenordnung sei für jeden offen einsehbar.

Ryanair ist auch in Memmingen die wichtigste Linie. 70 Prozent der 912.000 Passagiere 2010 hätten bei Ryanair gebucht. 17von 23 Strecken werden von Ryanair bedient. Und dennoch schaffe es Memmingen inzwischen, die Kosten für den laufenden Betrieb weitgehend selbst zu erwirtschaften, so Schmid. Für 2010 weise der Geschäftsabschluss seines Flughafens ein Minus von rund 600.000 Euro aus. Einen Seitenhieb auf die Konkurrenz kann sich Schmid nicht verkneifen: Damit fielen die Verluste glimpflicher aus als bei etlichen Regionalflughäfen in der Nachbarschaft, bei denen der Staat Mitbesitzer sei. Auch einem Wirtshausschläger ist man also nicht ganz hilflos ausgeliefert.